Wer steckt hinter dem Blutfluch im Matthäus Evangelium?

5 Antworten

„Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“– so rufen nach Matthäus 27,25 etliche Juden, die Jesus gerne am Kreuz hängen sehen wollte. Der Ruf klingt freilich blutrünstiger, als er gemeint ist. Denn er ist nichts weiter als eine juristische Formel, die etwas über die Haftung des Klägers besagt. Wer so etwas rief, wollte damit sagen: Wenn dieser Jesus zu Unrecht verurteilt wird, dann wollen wir seine Bestrafung selber erleiden. Der Satz drückt daher nicht mehr und nicht weniger aus als die feste Überzeugung, Jesus werde zu Recht bestraft. Und von Blut ist hier die Rede, weil es sich um die Todesstrafe handelt.
Nun haben aus christlicher Sicht, die der Evangelist teilt, die Juden, die das riefen, in der Tat zu Unrecht geurteilt. Wann und wie sie im Sinne ihres Ausrufs bestraft wurden, das sagt Jesus nach demselben Evangelium ganz genau: Alles in Israel an Gottes Gesandten unschuldig vergossene Blut wird mit der Zerstörung Jerusalems, die dann im Jahre 70 n.Chr. geschehen ist, gesühnt (Matthäus 23,34-38). Den Zusammenhang von Schuld und Gottesgericht in der Geschichte kennen auch wir. Aber mit der Zerstörung im Jahre 70 ist denn dann auch alles unrechte Blutvergießen ein für allemal gesühnt und abgegolten. Niemand hat das Recht, sich nach dem Jahre 70 in irgendeinem Sinne auf Matthäus 27,25 zu berufen. Im Sinne Jesu und des Evangelisten hat darüber hinaus kein Mensch das Recht, sich zum Rächer an Israel wegen Jesu Geschick aufzuwerfen.
https://www.tagesspiegel.de/kultur/wer-des-teufels-ist-1101766.html

Der "Blutfluch" im Matthäus-Evangelium wird im Neuen Testament der Bibel erwähnt. In Matthäus 27,24-25 heißt es: "Da Pilatus sah, dass er nichts ausrichten konnte, sondern dass ein Aufruhr entstand, nahm er Wasser und wusch sich vor ihnen die Hände und sprach: Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten; das sollt ihr auf euch laden. Da antworteten sie alle: Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder."

In diesem Vers wird Pilatus, der römische Statthalter, der zur Zeit Jesu Christi in Jerusalem herrschte, erwähnt. Pilatus war für das Urteil über Jesus verantwortlich, und obwohl er erkannte, dass Jesus unschuldig war, ließ er ihn aus politischen Gründen hinrichten. Im Vers wird berichtet, wie Pilatus die Schuld für Jesu Tod auf die jüdischen Führer und das Volk überträgt und ihnen den "Blutfluch" auferlegt.

Es ist also Pilatus, der hinter dem Blutfluch im Matthäus-Evangelium steckt.

Bodesurry  11.12.2022, 19:39

...das Volk damals und nicht das jüdische Volk für ewig.

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Im Walvoord-Bibelkommentar steht dazu im Kontext:

"Pilatus sah nun, dass er nichts ausrichtete , und ihre Drohung, den Fall dem Kaiser vorzutragen (Joh 19,12), beunruhigte ihn.

Er hatte kein besonders gutes Verhältnis zum Kaiser und wollte nicht, dass ihm die Kunde von einem Nebenbuhler zu Ohren käme, vor allem nicht, dass er diesen König freigelassen hatte.

Daher nahm er Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und gab damit symbolisch seinem Bedürfnis Ausdruck, sich selbst von der Schuld, einen Unschuldigen zum Tode verurteilt zu haben, freizusprechen (5Mo 21,6-9).

Doch seine Worte, "Ich bin unschuldig an seinem Blut" , nahmen ihm die Verantwortung für seine Handlungsweise nicht ab (vgl. Apg 4,27) und hoben nicht die Schuld auf, die er mit diesem Hohn auf jede Gerechtigkeit auf sich geladen hatte.

Die Juden waren jedoch gern bereit, Pilatus die Verantwortung abzunehmen (Mt 27,24).

Sie sagten: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!"

Diese Worte sollten traurige Wirklichkeit werden, als das Gericht Gottes im Jahre 70 n. Chr. über viele von ihnen und ihre Kinder kam und die Römer das Volk vernichteten und den Tempel zerstörten."

Das Matthäus-Evangelium enthält Aussagen, die antijüdisch gedeutet werden können. Deswegen sind solche Passagen gerade bei Matthäus mit Vorsicht zu genießen. Meinen Erkenntnissen nach steckt Matthäus hinter dem Blutfluch.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich habe Religionspädagogik studiert.
Rosenkranzbeter  11.12.2022, 19:33

Nein, hinter dem Blutfluch stecken die Juden selbst. Sie haben ihn ausgesprochen.

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Bodesurry  11.12.2022, 19:41
@Rosenkranzbeter

Die Leute, die damals dort gestanden haben und deren Kinder. Jedoch sicher nicht das jüdische Volk für immer. Die Juden sind und bleiben das Volk Gottes.

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Rosenkranzbeter  11.12.2022, 19:44
@Bodesurry

Der erste Teil stimmt, aber die antichristlichen Juden sind nicht das Volk Gottes. Das Volk Gottes sind die Christen, die Getauften.

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"Heutige Exegeten wenden sich unter dem Eindruck dieser Wirkungsgeschichte dem Text zu. Einige haben in diesem Passus die Absicht des Matthäus gesehen, die „eigentlichen Schuldigen“ des Mords, den Pilatus und die „Hohenpriester und Ältesten“, anzuklagen, indem er zeigte, wie diese die Verantwortung dem jüdischen Volk aufbürdeten. Andere haben betont, dass in dem Passus der Evangelist die „todbringende Verwerfung des Unschuldigen“ dazu benutzt, um ebendiese Unschuld und nicht die Schuld des Volkes hervorzuheben. Die Schuldübernahme diene aber auch dazu, die heilgeschichtliche Wende vom alten zum neuen Gottesvolk zu bezeichnen. 

Klaus Haacker zufolge ist die Textstelle im Matthäusevangelium nicht als Fluch wegen eines Justizmords zu deuten: Der Satz betont nur die Überzeugung der Meute, dass Jesus den Tod verdient habe. Das Einbeziehen der „Kinder“ in die Selbstverfluchung bringt eine traditionelle Auffassung zum Ausdruck, nach der ungesühntes Unrecht Auslöser für Unheil in der Folgegeneration ist."

Quelle