Wer ist der Chef in einem Vogelschwarm?
Angeblich gibt es keinen Anführer in einem Vogelschwarm, so liest man es im Web. Allerdings habe ich gestern folgendes beobachtet: Zehn Meter vor mir lies sich ein Schwarm aus etwa 50 Vögeln (vermutlich Bergfinken, war aber im Gegenlicht nicht genau zu erkennen) in meiner grossen Tanne neben dem Haus nieder. Ein paar Vögel zwitscherten leise, einer allerdiungs etwas deutlicher und "aufgeregter".
Dann war einen Moment lang Stille. Plötzlich ertönte eine neue ca. 2 sec lange Melodie von nur einem einzigen Vogel und alle stoben davon. Es war eindeutig kein typischer Alarm-Träller wie bei eintreffenden Katzen, Raben, Mardern und Menschen von den meisten Vögeln zu hören, sondern eindeutig eine Art Startsignal.
Also wie organisieren Vogelschwäre Start und Landung, Ziel und Verhalten? Gibt es doch einen "Leitvogel"?
6 Antworten
Es gibt keinen Chef, aber es gibt eine Rangordnung.
Die ältesten und erfahrensten Tiere fliegen weiter innen im Schwarm, während die Jungvögel meistens außen fliegen. Das wurde bei Studien beobachtet.
Bei Elstern gibt es sogar eine ganz feste Rangordnung mit Chef. Diese bilden aber nur kleine Gruppen und keinen Schwarm. Erst frisst die Chefelster, auch beim Baden usw. darf sie zuerst. Wenn eine andere Elster diese Rangordnung ignoriert und z.B. als erste badet, wird sie von den anderen mit Schnabelhieben direkt eines Besseren belehrt und teilweise auch stark verletzt.
Die Chefs können bei Elstern übrigens auch Weibchen sein.
Plötzlich ertönte eine neue ca. 2 sec lange Melodie von nur einem einzigen Vogel und alle stoben davon.
Da hat Dir Deine Fantasy einen Streich gespielt.
Im Schwarm orientieren sich die Tiere am Verhalten ihrer unmittelbaren Nachbarn. Ein einzelnes Tier bringt einen Schwarm nicht dazu aufzufliegen, und erst recht kein "Kommando".
Schaust Du z. B. hier: https://www.biologie-seite.de/Biologie/Schwarmverhalten
Nein, meine Fantasy hat mir keinen Streich gespielt. Zur Information: Ich lebe seit zehn Jahren oben in den Bergen, mitten in der Natur, umgeben von Wald und Hochwiesen. Zu mir kommen rund 100 Vögel aus zehn Vogelarten, dazu drei Eichhörnchen, zwei Rehe und vier Füchse, ein Luchs, zwei Kreuzottern und (leider) auch mehrere Hauskatzen. Ich beobachte all diese Tiere zwangsläufig manchmal stundenlang und habe sehr vieles Verblüffendes gesehen, was Rangordnungen, Futterneid, Kontakt zu Menschen, Gruppenverhalten uvm angeht. Ich hätte die Frage nicht gestellt, wenn das, was ich beschrieb, nicht so eindeutig und ungewöhnlich gewesen wäre.
Deswegen heißt es ja SCHWARM und nicht Herde oder Rudel. Es gibt kein alpha... wieso auch? Ich hielt mal eine größere gruppe wellensittiche und dort konnte man dieses soziale verhalten sehr gut beobachten... jeder hatte mit jmd was zutun, klar es wurde sich mal gestritten doer angezäckelt, aber es gibt keinen alpha, der zb zu erst frisst oder alle weibchen bekommt. Die vögel verlassen sich aufeinender und orientieren sich (siehe ausweichendef fischschwarm) immer am direkten nachbarn
Interessante Frage. Kannst du wirklich einen Alarmruf ausschließen?
Hast du dir mal z.B. bei xeno-canto Alarmrufe der in Frage kommenden Arten angehört? Bei uns warnen die meisten Vögel vor Gefahr aus der Luft ganz anders als vor Gefahr vom Boden. Fast alle Vögel in unserem Garten warnen vor dem Sperber mit einem hohen "ziiiiiiii ziiiiiiii" in unterschiedlichen Tempi. Die Kohlmeise kann den Ruf zwar auch, lässt aber oft erst einen anderen Ton erklingen, wenn ein Sperber sich nähert, der klingt dann wie "ZICK-hier ZICK-hier", beginnt aber mit dem "ziiiiiii", sobald der Sperber sich von ihr wieder entfernt.
Ansonsten glaube ich eher nicht, dass es ein Leittier in einem Singvogelschwarm gibt. Eher kann ich mir vorstellen, dass der Impuls zum Losfliegen vielleicht vom aufmerksamsten oder nervösesten Vogel ausging und die anderen sofort mitgezogen sind, was ich aber eher nicht mit einer Rangordnung in Verbindung bringen würde.
Fällt mir schwer, mich da reinzufühlen. Vielleicht kann man das am ehesten mit einer Massenpanik bei Menschen vergleichen. Die Person mit den schwächsten Nerven rennt als erste los und der Impuls überträgt sich auf die umliegenden. Ich glaube nicht, dass dann alle bis zum Schluss dieser Person hinterherrennen, nur weil sie den ersten Impuls geliefert hat. Zumal ja nur die direkt umliegenden überhaupt wussten, von welcher Person der Impuls kam.
Irgendwie mag ich nicht glauben, dass ein Vogelschwarm immer vom nervösesten Individuum "gelenkt" wird. Vielleicht ist das noch von vielen anderen Faktoren abhängig, z.B. wo der jeweilige Vogel gerade sitzt. Vielleicht hat der zufällig weiter oben im Baum sitzt, auch eher den Impuls zum losfliegen, weil er eher exponiert ist und nicht so viel Schutz durch den Schwarm hat?
Ich würde schätzen, dass im Schwarm immer ein anderer Vogel aus vielfältigen Gründen den ersten Impuls hat. Wobei es ja auch nur so aussehen kann. Vielleicht hatten viele gleichzeitig den Impuls? Veim Fliegen wird sich der Schwarm sicherlich wieder komplett neu mischen und beim nächsten Landen ist die Situation ganz neu. Aber ich spekuliere hier auch nur wild herum, ohne irgendwas stichhaltiges übers Schwarmverhalten zu wissen. :-D
Bei Schwarmvögel gibt es keinen „Leitvogel“.
Es ist eigentlich der interessanteste Moment eines Schwarms: Alle sitzen in einem Baum, aber keiner ist der Chef oder ein Leittier - und auf einmal fliegt einer los und in der gleichen Sekunde starten alle durch. Das heisst: Der, aus welchem Grund auch immer, zuerst startet, ist für die Abflugaktion der Chef. Aber wie geht's dann weiter? Ist er auch der "Chef" für den weiteren Weg in der Luft? Zum Beispiel auch für den Zielort "nächster Baum"? Vielleicht können wir uns als verhirnte Menschen gar nicht einfühlen in die "flutende Wahrnehmung" einer Schwarmintelligenz, sowenig wie in das Leben eines Fisches ...