Welche Staatsform bevorzugte John Locke?

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John Locke (1632 – 1704) war grundsätzlich mit der politischen Ordnung Englands, wie sie sich mit der »Glorious Revolution« (»Glorreichen/Ruhmvollen Revolution«) von 1688/1689 herausbildete, ziemlich zufrieden. Der Staat war eine konstitutionelle Monarchie mit Parlamentarismus. Die Macht des Königs war durch Verfassung/Gesetze und die Rechte des Parlamentes eingeschränkt. Eine parlamentarische Demokratie bestand noch nicht (unter anderem war das Wahlrecht auf den wohlhabenden Teil der Männer begrenzt), aber es gab Ansätze für eine Entwicklung dahin.

John Locke, Two Treatises of Government (1689; „Zwei Abhandlungen über die Regierung“) enthält seine Staatstheorie/politische Philosophie.

John Locke hat sich darin nicht auf eine einzige von ihm bevorzugte Staatsform festgelegt. Er baut seine Theorie nicht von einer Staatsform her auf, sondern von Gesichtspunkten natürlicher Rechte, einer Vertragstheorie und der Zwecke/Ziele, denen die Vereinigung zu einer Gesellschaft und einem Staat dienen soll.

Die Menschen sind von Natur aus (grundsätzlich) gleich und frei. Sie haben natürliche Rechte auf Selbsterhaltung und damit auf Leben, Gesundheit (sowie körperliche Unversehrtheit), Freiheit und Eigentum. Mit einem Gesellschaftsvertrag vereinigen sie sich zu einer Gesellschaft/Gemeinschaft und es kann ein Staat entstehen, indem die Individuen einen Teil ihrer Rechte an die Gesamtheit übertragen. Der Staat soll die natürlichen Rechte schützen und für mehr Frieden, Sicherheit und Allgemeinwohl sorgen.

John Locke bindet die Legitimität (Berechtigung/Rechtmäßigkeit) einer Staatsform an die Erfüllung der angegebenen Staatszwecke.

Es gibt bei John Locke den demokratischen Gedanken einer Volkssouveränität: Alle staatliche Macht geht vom Volk aus. In der urprünglichen Versammlung entscheidet die Mehrheit, wie der Staat genau eingerichtet wird. Das Staatsvolk überträgt politische Macht nur auf Zeit und solange, wie Vertrauen in die politische Vertretung besteht, niemals endgültig. Bei schwerwiegenden, anhaltendem, anders nicht gut zu beseitigendem Unrecht gilt ein Widerstandsrecht.

Wichtig ist bei John Locke der Gedanke einer Gewaltenteilung, um Machtmißbrauch (zu dem aufgrund der Unvollkommenheit der menschlichen Natur eine Versuchung besteht) zu verhindern und Freiheit zu sichern (zusätzlich gibt es in der Durchführung der Gewaltenteilung Gesichtspunkte der Nützlichkeit und Wirksamkeit).

John Locke unterscheidet in der Hauptsache die gesetzgebende Gewalt (Legislative) und die vollziehende/ausführende Gewalt (Exekutive). Rechtsprechende Gewalt (Judikative) wird von der Legislative oder einer von ihr ernannten Obrigkeit ausgeübt, Rechtsanwendung ist der Exekutive zugeordnet. Locke fordert unabhängige und unparteiliche Richter. John Locke nennt noch die föderative Gewalt (betrifft die Außenpolitik: Vertretung des Staates in völkerrechtlichen Verträgen, Krieg und Frieden, Bündnisse sind ihre Aufgaben) und die prärogative Gewalt (Macht, ohne Gesetzesvorschriften nach eigener Entscheidung für das öffentliche Wohl zu handeln, wenn schnelle Maßnahmen nötig sind; eine Art Notstandsrecht) als weitere Staatsfunktionen. Da diese nach der Darstellung in der Praxis bei der Exekutive angesiedelt sind, wird üblicherweise von 2 Staatsgewalten bei Locke gesprochen, nicht von 4 Staatsgewalten.

Die Legislative wird als die oberste/höchste Gewalt (supreme power) bezeichnet, die das Recht hat, mit Hilfe der Gesetzgebung den Staat im Sinne der Staatszwecke zu lenken. Die Exekutive übernimmt als Regierung die Durchführung der Gesetze.

Staatsformen

Ausgeschlossen von einer Zustimmung ist wegen fehlender Gewaltenteilung und Beseitigung einer vom Staatsvolk ausgehenden Macht eine absolute Monarchie.

Zu Staatsformen äußert sich John Locke bei der Frage, an wen die Legislative übertragen wird. Die eher knappe Darstellung (Second treatise, Kapitel 10: Of the forms of a Commonwealth) bietet keine nach unterschiedlicher Wertschätzung abgestufte Beurteilung. Er nennt verschiedene Möglichkeiten, ohne einer davon den Vorzug zu geben: Demokratie, Oligarchie (einige Auserwählte, wobei die gute Form einer solchen Herrschaft in der politischen Theorie gewöhnlich als „Aristokratie“ bezeichnet wird, was John Locke an dieser Stelle aber vernachlässigt), Monarchie (denkbar ist für ihn sowohl eine Erbmonarchie als auch eine Wahlmonarchie) oder eine gemischte Form.

Die Exekutive kann bei einem Amt oder Amtskollegium liegen (in einer Republik) oder bei einem Monarchen (in einer Monarchie), mit Unterordnung der einzelnen Person bzw. der Personen unter die Legislative als höchster Gewalt. Wenn ein Monarch auch an der Legislative Anteil hat, kann er nicht als untergeordnete Gewalt bezeichnet werden (Second treatise, Kapitel 13).

John Locke, Über die Regierung = (The second treatise of government). In der Übersetzung von Dorothee Tidow. Mit einem Nachwort herausgegeben von Peter Cornelius Mayer-Tasch. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart : Reclam, 2017 (Reclams Universal-Bibliothek ; Nr. 9691), S. 99 – 100 (Second treatise, Kapitel 13, § 132):  

„Wie schon gezeigt worden ist, liegt bei der ersten Vereinigung der Menschen zu einer Gesellschaft naturgemäß die gesamte Gewalt der Gemeinschaft in der Mehrheit. Sie kann alle diese Gewalt anwenden, um der Gemeinschaft von Zeit zu Zeit Gesetze zu geben und diese Gesetze durch Beamte ihrer eigenen Wahl vollstrecken zu lassen. In diesem Fall ist die Form der Regierung eine vollkommene Demokratie. Oder sie kann die Gewalt der Gesetzgebung in die Hände einiger auserwählter Männer und ihrer Erben oder Nachfolger legen, dann ist sie eine Oligarchie, oder aber in die Hände eines einzigen Mannes, und dann ist sie eine Monarchie. Wird sie ihm zusammen mit seinen Erben übertragen, so ist es eine Erbmonarchie, wenn aber nur auf Lebenszeit (so dass bei seinem Tode die Macht, einen Nachfolger zu ernennen, wieder an die Mehrheit zurückfällt), eine Wahlmonarchie. Und dementsprechend kann die Gemeinschaft nach Belieben zusammengesetzte und gemischte Regierungsformen bilden. Wenn die Mehrheit die legislative Gewalt zuerst einer oder mehreren Personen nur auf Lebenszeit oder für eine begrenzte Zeit einer einzigen oder mehreren Personen überträgt und danach die höchste Gewalt wieder an sie zurückfällt, so kann die Gemeinschaft danach wieder über sie verfügen und sie in beliebige Hände legen und so eine neue Regierungsform schaffen. Denn die Form der Regierung richtet sich nach der Zuteilung der höchsten Gewalt, nämlich der Legislative. Da man unmöglich annehmen kann, dass eine untergeordnete Gewalt einer höheren Vorschriften setzt oder irgendeine andere als die höchste Gewalt Gesetze zu geben vermag, richtet sich nach der Zuordnung der gesetzgebenden Gewalt auch die Form des Staatswesens.“

John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung. Übersetzt von Hans Jörn Hoffmann. Herausgegeben und eingeleitet von Walter Euchner. 13. Auflage. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2008 ( Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft ; 213), S. 342 – 343 (Second treatise, Kapitel 13, § 132):  

„Wie schon gezeigt worden ist, besitzt bei der ersten Vereinigung der Menschen zu einer Gesellschaft die Mehrheit naturgemäß die gesamte Gewalt der Gemeinschaft. Sie kann alle diese Gewalt anwenden, um der Gemeinschaft von Zeit zu Zeit Gesetze zu geben und diese Gesetze durch Beamte ihrer eigenen Wahl vollstrecken zu lassen. In diesem Fall ist die Form der Regierung eine vollkommene Demokratie. Oder sie kann die Gewalt der Gesetzgebung in die Hände einiger auserwählter Männer und ihrer Erben oder Nachfolger legen, dann ist sie eine Oligarchie, oder aber in die Hände eines einzigen Mannes, und dann ist sie eine Monarchie. Wird sie ihm und seinen Erben übertragen, dann handelt es sich um eine Erbmonarchie, wenn aber nur auf Lebenszeit, so daß bei seinem Tode die Macht, einen Nachfolger zu ernennen, wieder an die Mehrheit zurückfällt, um eine Wahlmonarchie. Und dementsprechend kann die Gemeinschaft nach Belieben zusammengesetzte und gemischte Regierungsformen bilden. Wenn die Mehrheit die legislative Gewalt zuerst einer oder mehreren Personen nur auf Lebenszeit oder für einen begrenzten Zeitraum überträgt, und die höchste Gewalt danach wieder an sie zurückfällt, so kann die Gemeinschaft sie, sobald das geschehen ist, von neuem übertragen, sie in beliebige Hände legen und so eine neue Regierungsform schaffen. Denn die Form der Regierung hängt davon ab, wie man die höchste Gewalt, nämlich die Legislative, anlegt. Da man es unmöglich begreifen kann, daß eine untergeordnete Gewalt einer höheren Vorschriften machen kann oder irgendeine andere als die höchste Gewalt dazu in der Lage ist, Gesetze zu verabschieden, so bestimmt die Anlageder gesetzgebenden Gewalt auch dieForm des Staatswesens.“

Henning Ottmann, Geschichte des politischen Denkens : von den Anfängen bei den Griechen bis auf unsere Zeit. Band 3, Teilband 1: on Machiavelli bis zu den großen Revolutionen. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2006, S. 360:  

„Lockes Staat ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Er ist gegründet zur »gegenseitigen Erhaltung ihres […] Lebens, ihrer Freiheiten und Güter« (ST § 123). Der Gewinn, den die einzelnen gegenüber dem Naturzustand erzielen, ist ein dreifacher. Das manchen zuwenig bekannte Naturgesetz wird durch allgemein anerkannte und feststehende Gesetze komplementiert. Das Amt eines unparteiischen Richters entsteht. Die Vollstreckung von Urteilen, die im Naturzustand unsicher sein kann, wird garantiert (ST § 124). Wenn die einzelnen sich ihres natürlichen Rechts auf die eigene Sicherung der Selbsterhaltung und auf Strafe begeben, so gewinnen sie durch den Staat einen verläßlichen Schutz und eine Rechtssicherheit, die ihnen der Naturzustand nicht bieten kann. Die Sicherung der Rechte ist nach Locke nicht möglich in einer Monarchie mit absoluter, ungeteilter Gewalt. Nicht Personen, sondern Gesetze sollen herrschen, und auch der Legislative müssen Schranken gezogen werden. Sie muß auf das allgemeine Wohl ausgerichtet sein; sie muß nach öffentlichen, feststehenden Gesetzen regieren (nicht mit Hilfe von Maßnahmeverordnungen); sie muß das Eigentum respektieren, d. h. sie darf keine Steuern ohne Zustimmung erheben, und sie darf ihre Gewalt schließlich nicht in andere Hände legen (ST §§ 135–142). Da die Gewalt vom Volke stammt, kann sie auch nur vom Volk selbst transferiert werden.

Was für eine Staatsform paßt diesen Zielen? Lockes einschlägiges Kapitel (c. 10) ist eines der schwächsten im Second Treatise. Demokratie, Oligarchie (die als schlechte Verfassungsform in dieser Reihung gar nichts verloren hat), Wahl- und Erbmonarchie sowie die Mischverfassung werden lieblos aneinandergereiht. An die Stelle einer klaren Staatsformenlehre tritt eine Gewaltenteilungslehre. Noch am ehesten scheint Locke zu einer gesetzlich und parlamentarisch beschränkten Monarchie zu neigen, wobei das Verhältnis von Parlament und Monarch allerdings alles andere als leicht zu entschlüsseln ist […].“

S. 361: „Kernstück der Gewaltenteilung ist die Trennung von Legislative und Exekutive, auch wenn diese unter den Bedingungen der englischen Verfassung nicht exakt durchführbar ist (da der Monarch an der Legislative teilhat, »king in parliament« ist). Locke deutet eine solche Stellung des Monarchen – allerdings in einem referierenden Ton – an (ST § 153). Nach der Trennung der Gewalten erhält die Exekutive (also der Monarch) erstaunlich viele Kompetenzen zugesprochen: zum einen die föderative Gewalt (die Vertretung nach außen, die Entscheidung über Krieg und Frieden) (ST § 146), zum anderen die prärogative Gewalt. Diese Gewalt ist berechtigt, »wo das Gesetz schweigt, verschiedene Dinge nach ihrem eigenen freien Ermessen zu tun und zuweilen zum Wohle des Volkes auch gegen den ausdrücklichen Buchstaben des Gesetzes zu handeln« (ST § 164).“

ST = Second treatise


Sallyxx12 
Fragesteller
 14.03.2018, 17:04

Vielen Dank für diese ausführliche Antwort!Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe,dann bevorzugt er verschiedene Staatsformen.Gibt es eine die er einbisschen mehr bevorzugt oder warum bevorzugt er mehrere,das habe ich nicht ganz verstanden.

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Albrecht  14.03.2018, 21:05
@Sallyxx12

John Locke hält mehrere Staatsformen für legitim (rechtmäßig/berechtigt), weil sie alle Gewaltenteilung enthalten, die Staatszwecke (natürliche Rechte und also Leben, Gesundheit [sowie körperliche Unversehrtheit], Freiheit und Eigentum schützen, für mehr Frieden, Sicherheit und Allgemeinwohl sorgen) erfüllen können und daher bei einem Gesellschaftvertrag Zustimmung erhalten können.

Das Staatsvolk darf wählen, wem die Legislative übertragen wird. Es gibt dafür mehrere in Frage kommende Möglichkeiten. Beim ursprünglichen Vertrag ist eine ausdrückliche Zustimmung der Mehrheit nötig, danach reicht ein Vertrauen durch zumindest stillschweigende Zustimmung aus. Die Übertragung geschieht nicht unwiderruflich für ewige Zeiten. Wenn die Regierung stark und hartnäckig Unrecht begeht, darf die Regierung vom Volk gestützt und eine neue Statsform eingerichtet werden (Widerstandrecht). Insofern bleibt eine Möglichkeit zu einer mehr demokratischen Entwicklung offen.

Ob John Locke eine Staatsform ein wenig mehr bevorzugt hat, kann mit Textaussagen nicht direkt belegt werden. Wahrscheinlich hat er keine Staatsform allgemein unter allen Umständen für besser als alle anderen gehalten. Bei den damaligen Verhältnissen in England scheint er einer gemäßigten konstitutionellen Monarchie zuzuneigen, bei der sich in einer gewissen Mischung der König die Macht mit dem Parlament teilt.

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Demokratie


Sallyxx12 
Fragesteller
 13.03.2018, 17:58

Weisst du auch warum?

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Henryettex  13.03.2018, 18:02
@Sallyxx12

Ich kann es Dir im einzelnen nicht erklären, da es zu lange her ist, daß ich mich damit beschäftigt habe. Locke war, wenn ich mich recht entsinne, sehr davon überzeugt, daß das regierte Volk in Form von Mitbestimmung Teilhabe an der Regierung haben müsse. Ohne diese Teilhabe sei eine Regierung nicht legitim.

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