Was ist ein demokratischer Sozialismus?

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Wie der Name schon sagt handelt es sich um ein demokratisches System, meist eine Räterepublik (Soviet = Rat) die so aufgebaut ist, dass die meiste Macht Direktdemokratisch ausgeführt wird.

In der Wirtschaft gibt es Arbeiter-Genossenschaften anstelle von privaten Unternehmen, welche direktdemokratisch ihren Arbeitsplatz selbst verwalten.

Leichte Elemente dessen haben wir z.B. durch den Betriebsrat und ähnliches auch in Deutschland.

Das hört sich natürlich rosig an, aber ich weiß nicht genug über die theoretischen Grundlagen um ökonomische Nachteile aufzuzeigen.

Alle Infrastruktur also Bahn, Telekom, Post, alle Krankenhäuser und alles was der Staat jetzt auch hat sind verstaatlicht. Alles sonstige wie BMW zum Beispiel ist dann eine Genossenschaft in der jeder einzelne Mitarbeiter automatisch ein Mitglied der Genossenschaft ist. Sowas wie AG existiert nicht.

Politisch ist das ne ganz normale Demokratie wie jetzt auch nur dass die meisten gewählten Parteien im Parlament es ganz geil finden wie es das System ist und dann sitzt dann halt die FDP in der Ecke und wird von allen gemobbt wie die PDS früher.

So stell ich mir das vor.

Vanessa63  09.02.2024, 09:38
und dann sitzt dann halt die FDP in der Ecke und wird von allen gemobbt

Eine wahre Utopie

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Im Sozialismus sollen normalerweise die Arbeiter die demokratische Kontrolle über ihren Arbeitsplatz haben.

Im klassischen Beispiel nimmt man die Fabrik, das kann aber auch jeder andere moderne Arbeitsplatz sein.

Es gibt hier zwei Möglichkeiten:

1. Die Fabrik wird verstaatlicht, und da der Staat demokratisch ist, können die Arbeiter über demokratische Wahlen entscheiden, wie die Fabrik und die Wirtschaft geführt werden.

2. Die Demokratie wird direkt in den Fabriken eingeführt, das heißt der Fabrikbesitzer hat nichts mehr zu entscheiden, stattdessen gehört die Fabrik nun den dort arbeitenden Menschen. Sie entscheiden demokratisch, wie die Fabrik geführt wird und was mit den Gewinnen geschieht.

Sozialismus beinhaltet noch andere Forderungen, aber das ist mMm die entscheidenste.

Silicium58  09.02.2024, 07:23
Sie entscheiden demokratisch, wie die Fabrik geführt wird und was mit den Gewinnen geschieht

Haften sie auch mit ihrem Privatvermögen für eventuelle Verluste, falls ihre Entscheidungen in die Hose gingen?

Und gäbe es überhaupt Fabriken? Wer sollte die bauen wollen, wenn er danach nichts mehr zu sagen hat?

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Vanessa63  09.02.2024, 09:48
@Silicium58
Haften sie auch mit ihrem Privatvermögen für eventuelle Verluste, falls ihre Entscheidungen in die Hose gingen?

Nein, mit dem gemeinsamen Firmenvermögen, das ja immerhin ihren Arbeitsplatz sichert. Im fortgeschrittenen Sozialismus soll es natürlich gar kein Privatvermögen im heutigen Sinne mehr geben, aber das ist ein anderes Thema.

Und gäbe es überhaupt Fabriken? Wer sollte die bauen wollen, wenn er danach nichts mehr zu sagen hat?

Menschen können sich zusammentun und Fabriken gründen. Der Staat, die Gemeinden oder die demokratisierten Banken können sinnvolle Projekte finanziell fördern. Man hat danach durchaus noch was zu sagen, wenn man in der Gründung bedeutend war bekommt man vermutlich auch einen einflussreichen Posten. Der ist dann halt nur demokratisch legitimiert und nicht für die Ewigkeit.

Wer gründet denn Staaten, wenn es keine Könige mehr gibt? Naja, das "Volk" halt. Und wer sich dabei besonders hervortut, wird mitunter Präsident. Außerdem haben Menschen auch andere Beweggründe als Macht und Geld.

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Unter der Regierung Alexander Dubjek (1968) wollte die Tschescheslowakische Republik den damals herrschenden Realexistierenden Sozialismus Reformieren. Dabei sollte der Realexistierende Sozialismus mit einen freien Markt verflochten werden. Die Leute nannten das Demokratischen Sozialismus. Die Reformen gingen den Ideologen damals viel zu weit! Es wurde der Versuch alsbald ein Ende gesetzt mit Waffengewalt.

Die Linkspartei hat den Anspruch, demokratisch und sozialistisch zu sein. Die Linkspartei will zumindest teilweise auch verstaatlichen, den Bürgern aber nicht alle Rechte nehmen. In einer Demokratie könnte man den Marxismus allerdings abwählen, was Marxisten nicht wollen.

Vanessa63  09.02.2024, 09:39

Kann man in einer liberalen Demokratie die liberale Demokratie abwählen?

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BelfastChild  09.02.2024, 16:40
@Vanessa63

In einer Demokratie kann man sehr vieles tun. Sicher, du könntest nicht einfach unsere fdGO abwählen, was ja auch gar nicht nötig ist - sofern man ein Demokrat ist.

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Vanessa63  09.02.2024, 19:51
@BelfastChild

Und im Sozialismus muss man den Sozialismus nicht abwählen, solange man Sozialist ist. Das sagt irgendwie nicht viel aus.

Mein Punkt ist: Jedes System muss sich ein Stück weit vor seinen Feinden schützen. Wie weit man da gehen darf, ist natürlich schwierig.

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BelfastChild  09.02.2024, 19:54
@Vanessa63

Ja, aber viele Bürger waren immer wieder unzufrieden mit dem Marxismus, weswegen sich marxistische Staaten immer wieder einmauern mussten (auch im übertragenen Sinne), weil ihnen ansonsten die Bürger davon gelaufen wären. Auch gab es zu viele Menschenrechtsverletzungen sowie Massaker.

Die Doktrin wurde zu einer verbrechenerzeugenden Ideologie, einfach weil sie eine Grundgegebenheit leugnete: die Einheit dessen, was Robert Antelme "das Menschengeschlecht" oder was die Präambel der Menschenrechtserklärung von 1948 die "menschliche Familie" nennt. Wurzelte der Marxismus-Leninismus vielleicht weniger in Marx als in einem verfehlten Darwinismus, der sich der sozialen Frage zuwendet und dabei auf die gleichen Irrwege gerät wie in der rassischen Frage? Eins ist sicher: Das Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist Ergebnis einer Ideologie, die den Menschen und die Menschheit auf einen nicht universalen, sondern speziellen - biologisch-rassischen oder sozio-historischen - Zustand reduziert. Auch hier gelang es den Kommunisten mit einem Propagandatrick, ihren Ansatz als einen universalen, die ganze Menschheit berücksichtigenden darzustellen. Häufig sah man sogar einen grundlegenden Unterschied zwischen Nationalsozialismus und Kommunismus darin, daß ersterer speziell sei - extrem nationalistisch und rassistisch -, während das leninistische Projekt universalistisch gewesen sei. Nichts könnte falscher sein: Lenin und seine Nachfolger schlossen den Kapitalisten, den Bourgeois, den Konterrevolutionär usw. eindeutig von der Menschheit aus. Die aus dem soziologischen oder politischen Diskurs geläufigen Begriffe nahmen sie auf und machten daraus absolute Feindbilder. Wie Kautsky 1918 sagte, handelt es sich dabei um kautschukartig dehnbare Begriffe, die dazu berechtigen, aus der Menschheit auszugrenzen, wen, wann und wie man will, und die direkt zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit führen.

Quelle: Das Schwarzbuch des Kommunismus, Sonderausgabe 2004, 2. Auflage 2004, Seite 821 (das Kapitel ist von Stephane Courtois)

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Vanessa63  09.02.2024, 21:11
@BelfastChild

Das ist mir bekannt. Ich wollte nicht die UdSSR verteidigen, sondern nur darauf hinweisen, dass auch unser System sich schützen darf. Insofern ist es verständlich, wenn Sozialisten ihr System bewahren wollen.

Auch vermeintliche Demokraten sind zu solchen Exzessen fähig, siehe z.B. Robespierre. Das ist also keinesfalls Systemspezifisch für den Sozialismus.

In Deutschland haben wir es heute natürlich besser, und da bin ich auch froh drüber.

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