Was ist der Inhalt vom Gedicht Natur und Kunst?

2 Antworten

Meines Erachtens hat Goethe hier zwei Themen in einem Sonett zusammengefasst, die nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben, außer, dass ihm beide gleich wichtig waren.

  1. Natur und Kunst. Das ist der alte Gegensatz, zu dem Marcel Reich-Ranicki mal gesagt hat "Natur ist erst schön, wenn Dichter sie beschreiben". Eine Meinung, die man im Barock fraglos geteilt hätte. Den in dieser Zeit zählte nur das von Menschen Gestaltete als Kunst. Wollte man die Natur literarisch beschreiben, die man eigentlich höchstens als zweckmäßig betrachtete, wählte man sogar Begriffe aus Kunst und Handwerk. Da ist von "fein emaillierten Blüten", von "kunstvoll gedrechselten Gräsern" usw. die Rede. Die von Menschen unbearbeitete Natur galt eher als "feindlich" und wurde gezähmt (siehe die fürstlichen Gärten dieser Zeit mit ihren abgezirkelten Grasflächen und ihren zu Figuren verunstalteten Bäumen.

Das änderte sich in der Romantik. Plötzlich entdeckte man die Schönheit in der unberührten Natur. Die "englischen" Gärten entstanden, Fürst Pückler-Muskau schuf kunstvolle Gartenanlagen, die sich so "natürlich" darstellten, dass sie fast natürlicher als die Natur waren. Diese Ansicht teilt man noch heute, man betrachtet wildwuchernde Gärten als schön, mit der Nagelschere beschittenme Grasränder gelten als peinliches Spießerwerk. Wer alle paar Tage seinen Rasen mäht, und auch noch Gartenzwege ringsum aufstellt, auf den wird auch schon mal der despektierliche Begriff "Gartennazi" angewendet.

Das ist Teil eins des Sonettes.

In Teil 2, den beiden Terzetten, wird ein Lob auf die Beschränkung angestimmt. Man braucht, um erhabene Kunst zu schaffen, kein überbordendes Maß an Effekten, sondern der wahre Künstler zeigt sich durch Minimalismus bei der Auswahl seiner Gestaltungsmittel (mehr sein als scheinen).

Das findet seinen "glorreichen" Höhepunkt in der minimalistischen Musik, in der Sinfonien zuweilen mal nur aus einem Ton bestanden oder z.B. in Picassos "Punk-Punkt-Komma-Strich Darstellung eines menschlichen Gesichtes.

Das ist das, was mir spontan zu diesem Gedicht einfällt.

mychrissie  01.05.2020, 18:39

Ergänzung:

Ich persönlich kann mich nur schwer entscheiden, obwohl ich gestehen muss, dass mich ein Rilke-Gedicht über einen Wald ehrlich gesagt mehr berührt als der Wald selber und das Monet Bild eines Seerosenteiches mehr als der Teich selber.

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Ein einfaches Gerüst zur Erfassung der Hauptgedanken:

Natur und Kunst scheinen Gegensätze.

Wenn man sich bemüht, kann man der Natur in der Kunst gerecht werden. Wenn man sich aber zu viel vornimmt, wird man es nicht.

Als Ergänzung von mychrissies schöner Erläuterung kannst du zusätzlich noch Herrn Larbigs Interpretation lesen:

https://herrlarbig.de/2017/08/21/gedichtinterpretation-johann-wolfang-goethe-natur-und-kunst-1800/