Was ist angelsächsischer Kapitalismus? Was ist der Unterschied zum normalen Kapitalismus?

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Siehe Wikipedia "Kapitalismusmodelle". Dabei handelt es sich um soziologische Schubladen für unterschiedliche Wirtschafts- und Gesellschaftsorganisation. Einen "normalen Kapitalismus" gibt es nicht, hat es nie gegeben, es sei denn, man abstrahiert extrem von den länderspeziefischen Sonderheiten, dass das Konstrukt fast aussagelos ist. Kapitalismus nennen wir Formen der Wirtschaftsorganisation seit der "industriellen Revolution" als Ablösung der Manufaktur- und Bauernwirtschaft in der Zeit des Merkantilismus. Diese Formen der Wirtschaftsorganisation, die wir kapitalistisch nennen, weil Produktionsstätten auf der Basis der "technischen Revolution" mit Maschinen (Kapital, weil die Maschinen ja finanziert werden müssen) ausgestattet den Einsatz der menschlichen Arbeitskraft verfielfältigen und letztlich die dann entstehenden Massenprodukte verbilligen, weil diese Formen der Wirtschaftsorganisation natürlich mit den jeweiligen gesellschaftlich-politischen Verhältnissen korrespondieren. So ist z.B. die Ablösung des Adels als führender Gesellschaftsschicht in nahezu allen Ländern sehr unterschiedlich und damit auch die Repräsentanz von Adelshäusern in den neuen Wirtschafts- und Politeliten. Im Prinzip gibt es bis in die Endsechziger Jahre eher länderspeziefische Kapitalismusformen. Das scheint sich in Zeiten der Globalisierung zu ändern, doch eine glaubwürdige unideologische Darstellung ist mir nicht bekannt.

Was heißt hier "normaler" Kapitalismus? Das ist ein diffuser Begriff, der zudem suggeriert, dass es in dem wohl eher normal zugeht, oder er zumindest handelsüblich sei. Es ist indes so, dass der Kapitalismus auf der Erscheinungsebene sehr rasch seine jeweiligen Masken an, - und ablegt, ganz wie`s am besten eben passt. Dennoch ist der Begriff angelsächsischer K. nicht aus der Luft gegriffen, kann durchaus mit Inahlt gefüllt werden. In ihm herrscht der Monetarismus nach Friedman vor, ist ohne soziale Absicherung, schwachen Gewerkschaften und wurde früher auch gemeinhin Manchesterkapitalismus genannt, bzw. verkörpert diesen. Mittlerweile bewegen sich recht viele Staaten dieser Welt, natürlich auch die in Europa inklusive Deutschlands massiv in Richtung Manchester. Bekanntlich hat der Sozialabbau besonders unter Schröder und Fischer, also "Rot"-Grün begonnen und setzt sich auch weiterhin fort.

Ob der Begriff "angelsächsischer Kapitalismus" ein wirtschafts- oder politikwissenschaftlicher Fachbegriff ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Gemeint ist aber vermutlich eine Form von Marktwirtschaft, die nicht in ein System sozialer Sicherungen eingebettet ist. In einer solchen Form von Marktwirtschaft gibt es (im Extremfall) keinen Kündigungsschutz, schwache Gewerkschaften, keine staatliche Arbeitslosenversicherung usw. Dahinter steht eine politische Kultur, die dem freien Spiel der Marktkräfte mehr vertraut als dem Staat bzw. die die Herstellung sozialer Gerechtigkeit nicht als staatliche Aufgabe begreift.