Was hat die Karikatur " der deutsche Michel und seine Kappe " mit den Jakobinern zu tun?

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Die Karikatur „Michel und seine Kappe im Jahr 48“ ist in einer 1848 – 1853 erschienenen deutschen Satirezeitschaft mit demokratischer Ausrichtung veröffentlicht worden: Eulenspiegel Nr. 13, 24.3.1849, S. 51)

https://haab-digital.klassik-stiftung.de/viewer/image/128672855X_1849000000/57/

Die phrygische Mütze aus der Antike ist durch eine Deutung zu einem Freiheitszeichen geworden. Die Jakobiner waren Mitglieder eines politischen Klubs in der Zeit der Französischen Revolution (1789 – 1799). Als Jakobiner werden auch, vor allem ab 1795, entschiedene Republikaner und Anhänger der Französischen Revolution bezeichnet.

Bei der Karikatur spielt eine Rolle, wofür die Mütze, die Kappe des deutschen Michel im Frühjahr 1848 ist, als Symbol steht:

  • revolutionäre Einstellung, Freiheitskampf
  • Tatkraft, Entschlossenheit, Schwung, Engagement, aktives Verhalten

In der Karikatur wird in drei Zuständen (in den Zeitphasen Frühjar, Sommer und Spätjahr) ein Wandel des deutschen Michels in Kopfbedeckung (Mütze), Frisur und Mimik (Gesichtsausdruck) gezeigt.

Im Frühjahr (Märzrevolution 1848) trägt er eine Jakobinermütze, an die eine Kokarde geheftet ist (die Kokarde, eine Bandschleife in Form einer Rosette, wurde während der Französischen Revolution verbreitet als Abzeichen an der Kopfbedeckung oder Kleidung in der Öffentlichkeit getragen). Er hat einen reichhaltigen, ziemlich wilden und struppigen Bart (Mitte des 19. Jahrhunderts wurde so etwas auch als ‚Demokratenbart' bezeichnet). Der Gesichtsausdruck ist grimmig/wütend/zornig/aufgebracht, entschlossen, energisch, wach mit weit geöffneten, nach vorne schauenden Augen. Der offene Mund zeigt Zähne.

Im Sommer ist die Kappe ein Mittelding zwischen Jakobinermütze und Schlafmütze. Der obere Teil hängt etwas herab. Die Kokarde ist weg. Der Bart ist gestutzt und genau geformt. Der Michel hat ein zugeknöpftes Hemd. Seine Mimik ist ruhig und eher gelangweilt und desinteressiert/teilnahmslos.

Im Spätjahr trägt der deutsche Michel eine Schlafmütze und ihr Zipfel hängt herab. Er ist glattrasiert. Die Augen sind fast geschlossen. Die Nase scheint gerümpft und sieht mehr knollenartig aus (ganz anders als eine kühne Adlernase wie im Frühjahr). Der Mund ist hochgezogen. Die Minik drückt Entäuschung, Verdrossenheit, Passivität, Schlaffheit und Schläfrigkeit aus. Der Michel ist zu einer schwachen und jämmerlichen Gestalt geworden.

Die Karikatur ist eine kritische Darstellung, wie das deutsche Bürgertum mit Ingrimm, Tatkraft, Einsatzbereitschaft und großen Erwartungen im Frühjaht 1848 die Revolution beginnt, es aber schrittweise zu einem Nachlassen des revolutionären Elans und einem Abrücken von der Revolution kommt. Das Bürgertum zeigt sich nach einer Weile eher ordnungsliebend und eine aktive Unterstützung und Beteiligung schwindet. Diese Entwicklung endet in Passivität und Enttäuschung. Dies ist ein schlechter, kläglicher Zustand.

https://stadtarchiv.heilbronn.de/stadtgeschichte/unterrichtsmaterial/neuzeit/184849-karikaturen/quellenarbeit.html

Michel und seine Kappe im Jahr 48

Die Karikatur steht in der Ausgabe vom 24. März 1849. Die Darstellung spricht für sich. Im Frühjahr erscheint der Deutsche Michel mit wildem Bart, Jakobinermütze und Kokarde, Frisur und Kopfbedeckung wandeln sich im Sommer und Spätjahr ebenso wie seine Mimik, die schließlich nur noch resignierte Passivität ausdrückt. Deutlich wird die Kritik an der Haltung des deutschen Bürgertums, das in seiner Mehrheit nach den Märzereignissen von der Revolution abrückte. Diese Wende sah der Eulenspiegel bereits im Juni 1848 voraus, als gerade erst das Frankfurter Paulskirchenparlament seine Arbeit aufgenommen hatte.“

MarciiiLee  04.10.2019, 15:41

Es ist zwar eine Weile her aber vielleicht antwortest du ja dennoch. Ich finde deinen Beitrag hier sehr gut. Könntest du mir sagen, warum die Bevölkerung so ordnungswidrig geworden ist bzw. warum die Revolutionäre so abgewischen sind von der Revolution? Wäre sehr dankbar

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Albrecht  05.10.2019, 22:08
@MarciiiLee

Die liberalen und nationalen Bewegungen in Deutschland sind seit 1815 vielfach unterdrückt und verfolgt wurden. Die Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen hat zugenommen. In den Jahren vor 1848 war auch soziale Not (z. B. Armut und Hunger) gestiegen, worauf von den Regierungen kaum eine angemessene Reaktion kam. Aufstände in Italien im Januar und eine Revolution in Frankreich im Februar 1848 waren zusätzliche Anstöße, Forderungen zu stellen.

Nach anfänglichen Erfolgen im Frühjahr 1848 ist eine zu große Zuversicht aufgetreten, Forderungen dauerhaft durchgesetzt zu haben, und die Macht der Kräfte des bisherigen Herrschaftssystems ist unterschätzt worden. Viele der Revolutionäre, vor allem die »Liberalen«, die eine konstitutionelle Monarchie bevorzugten, wollten außerdem im Grunde keine große Revolution, sondern nur eine gemäßigte politische Änderung. Furcht vor einem großen gesellschaftlichen Umsturz und Anarchie rief bei ihnen eher eine Neigung hervor, Anlehnung bei Monarchen und Adel zu suchen. Mit dem Erstarken der Monarchen veringerte sich der Spielraum für die Revolutionäre.

zu Ursachen der Niederlage der Revolutionäre 1848/1849:

https://www.gutefrage.net/frage/warum-ist-die-revolution-von-18481849-gescheitert

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Hier geht es nur um das Symbol der Mütze und nicht um die Jakobiner, den die Jakobiner haben diese Mütze von der PHRYGISCHEN MÜTZE übernommen. Mit dieser Mütze soll dargestellt werden, wie aus einem starken Michel eine traurige Figur geworden ist.