Warum wurde die Annahme des Grundgesetzes 1949 nicht der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt?

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Im Grunde ist dies in Wikipedia recht klar beschrieben:

Von den drei westlichen Besatzungsmächten bevollmächtigt, arbeitete der Parlamentarische Rat in Bonn das Grundgesetz aus. Es wurde von 11 Landtagen (ohne Saarland) in den drei Westzonen angenommen (Bayern stimmte dagegen); eine Volksabstimmung gab es nicht. Das Grundgesetz wurde absichtlich nicht als Verfassung Deutschlands bezeichnet. Der Parlamentarische Rat war der Auffassung, dass Deutschland als Staat der Deutschen noch bestehe und deswegen eine neue Verfassung für diesen Staat auch nur von allen Deutschen (bzw. ihren gewählten Vertretern) beschlossen werden könne. Weil die Deutschen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und im Saarland daran aber nicht mitwirken durften, sollte zunächst statt einer Verfassung ein „Grundgesetz“ gelten. Dass nicht das gesamte deutsche Volk die Möglichkeit hatte mitzuwirken, dies aber noch tun sollte, wurde in der Präambel betont.

Damit ist das, was umgangssprachlich "Wiedervereinigung" genannt wird eben rein Staatsrechtlich keine Wiedervereinigung, sondern nur ein Beitritt 5 weiterer deutscher Länder zum Geltungsberech dieses eigentlich als Provisorium gedachten Grundgesetzes.

Auch der parlamentarische Rat (und nicht eine Nationalversammlung) wurde eben nicht in einer freien wahl vom Volk gewählt, sondern mit möglich vielen Fachleuten von den Läderparlamenten entsandt.

Eine echte Wiedervereinigung, die dann die Wahl einer Nationalversammlung zur Erstellung eines neuen grundlegendebn Staatsgesetzes beauftragt wäre, das dann auch "Verfassung von Deutschland" benannt worden wäre, ist es aus rein praktischen Überlegungen bis heute nicht gekommen, denn das hätte alle völkerrechtlichen Verträge mit der dann nicht mehr existierenden Bundesrepublik zu nichte gemacht, also würde zu deinem "Dexit" führen, und die der bundesrepublik gegenüber ausgesetzten Reparationsansprüche der WW2-Siegermächte kämen wieder zum Tragen - das wäre verdammt teuer geworden.

Das hat man unseren Politikern bei den 2 plus 4 gesprächen zut Wiedervereinigung klar gemacht. Gegen einen Beitritt weiterer deutscher Länder zum Geltungsbereich des Grundgesetzes konnten sie aber nichts machen, hatten sie ja damals dem Grundgesetz zugestimmt, in dem praktischerweise diese Hintertür zur Vereinigung mit drin steckte.

Weil wir in Deutschland keine direkte Demokratie haben, sondern nur eine repräsentative.

Direkt nach dem Krieg hatten die Menschen vermutlich andere Sorgen. Da war Hunger noch an der Tagesordnung.


Gerneklein  14.04.2018, 15:24

Eine regelrechte repräsentative Nur-Demokratie ist das.

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Deutschland hatte den WW2 verloren und bedingungslos kapituliert. Das heißt, daß das deutsche Volk in Deutschland absolut nichts zu sagen hatte, sondern die Siegermächte.

Die hatten aber absolut kein Interesse einem Volk, von dem sie zu der Zeit nicht wußten, wieviele davon überzeugte Nazis, Mitläufer oder Nazi-Gegner waren eine Abstimmung über irgendetwas von substantieller Bedeutung zu erlauben.

Das GG war im Grunde ein Vorschlag einer elitären Gruppe, von der die Alliierten überzeugt waren, daß es sich nicht um Nazis handelte. Deren Vorschlag wurde von den Alliierten akzeptiert - die Zustimmung der Bevölkerung war irrelevant.


BjoernWilhelm  20.04.2018, 14:39

Das ist nicht ganz richtig, eigentlich sogar ziemlich verkehrt. Im Gegenteil hatten die Alliierten die westdeutschen Ministerpräsidenten beauftragt, eine Verfassung auszuarbeiten und dem Volk zur Abstimmung vorzulegen.

Das hätte aber eine Staatsgründung bedeutet und die Teilung Deutschlands zementiert. Ein "weiter so" als einzelne Länder in verschiedenen alliierten Besatzungszonen wollte aber auch niemand, schon weil es Wirtschaft und Wiederaufbau hemmte. Die deutschen Politiker haben sich deshalb für einen Bund ohne Kennzeichen einer Staatsgründung entschieden: Die Verfassunggebende Versammlung nannte man "Parlamentarischer Rat" (er bestand aus Abgeordneten der vom Volk gewählten Länderparlamente), die Verfassung "Grundgesetz", eine große Volksabstimmung wurde nicht abgehalten, sogar das Wort "Staat" wurde vermieden, z. T. sogar abgestritten. Dass manche Politiker dem Volk nicht so recht trauten, dürfte zwar stimmen. Der eigentliche Grund war aber eher politische Symbolik - und ging von der deutschen Seite aus.

Dass die Bevölkerung dafür war, zeigen Umfrageergebnisse und die Wahlbeteiligung bei den ersten Bundestagswahlen.

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weil wir in Deutschland KEINE Volksabstimmungen haben, ganz einfach!


Die Westalliierten ordneten 1948 die Weststaatsgründung, damit die deutsche Spaltung und die Verfassungsgebung einschließlich Volksabstimmung an.

Es waren die deutschen Politiker, die sich sträubten, DE zu spalten und einen dauerhaften westdeutschen Staat zu gründen. Sie redeten nicht von einem "Staat", nannten die Verfassung ausweichend "Grundgesetz" und weigerten sich auch, eine Volksabstimmung machen zu lassen, denn das hätte die Spaltung legitimiert.

Im GG stand immerhin, dass nach einer Wiedervereinigung das deutsche Volk in einer Volksabstimmung sich eine neue Verfassung geben sollte. Kohl wählte den für ihn bequemeren Weg des angeblichen "Beitritts" ostdeutscher Länder ohne Volksabstimmung.

Wir deutschen Michel hielten still, nahmen alles ergeben hin und waren auch hier keine selbstbewussten Staatsbürger, sondern Untertanen. So wie auch heute angesichts der multiplen Rechtsbrüche der AM-Regierung.


PatrickLassan  14.04.2018, 15:53
Im GG stand immerhin, dass nach einer Wiedervereinigung das deutsche Volk in einer Volksabstimmung sich eine neue Verfassung geben sollte.

Das stand dort nicht. Auch die alte Version des Artikel 146 war eine 'Kann'-Bestimmung.

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hutten52  14.04.2018, 18:22
@PatrickLassan

Der Sinn von 146 ist klar: Wenn Wiedervereinigung, dann neue Verfassung, mit Volksabstimmung.

Rainer Kahni schrieb zu recht:

"Die Bundesregierung vertritt daher die Rechtsauffassung, dass eine Anwendung des Artikel 146 GG zwar möglich, aber nicht notwendig sei. Kenner des Grundgesetzes halten diese Aussage der amtierenden Politiker für einen Skandal! Das Grundgesetz sei, so die Kenner, ‘unstrittig nach besatzungsrechtlichen Vorgaben und nicht in freier Entscheidung des deutschen Volkes beschlossen worden’. Das Grundgesetz ist ohne Zweifel zustandegekommen ohne die Mitwirkung der Deutschen, die in der damaligen sovjetisch besetzten Zone (SBZ) lebten und denen eine Mitwirkung am Grundgesetz versagt war. Sechzehn Millionen Menschen hatten also gar keinen Einfluss auf das Grundgesetz.

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PatrickLassan  20.04.2018, 11:56
@hutten52
Wenn Wiedervereinigung, dann neue Verfassung, mit Volksabstimmung.

In Artikel 146 GG steht weder in der alten noch der derzeit gültigen Fassung, dass für eine neue Verfassung eine Volksabstimmung erforderlich ist.

Rainer Kahni schrieb zu recht:

Kahni ist (oder war) Journalist und kein Staatsrechtler.

M.E. liegt er falsch, denn Herr Kahni hat offensichtlich übersehen, dass die DDR-Volkskammer dem Beitritt zugestimmt und damit das Grundgesetz als Verfassung angenommen hat. Das ist in einer repräsentativen Demokratie völlig ausreichend.

Nur mal aus Neugier: Welche 'Kenner des Grundgestz' meint er eigentlich? Die, die er in seinem Interview bei 'Freitag' erwähnt, ohne allerdings Namen zu nennen?

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