Warum sieht der Graph einer Salzsäuretitration wie folgt aus?(siehe Anhang)?

4 Antworten

Moin,

hmmm, es scheint mir, dass du noch nicht ganz sattelfest bei diesem Thema bist. Zunächst einmal musst du die Begrifflichkeiten sicher drauf haben, bevor du dich daran machen kannst, die Kurvenverläufe verstehen zu wollen.

Da gibt es zum Beispiel chemische Fachbegriffe wie "Äquivalenzpunkt", "Halbäquivalenzpunkt" oder "Neutralpunkt", aber auch mathematische Fachbegriffe wie "Sattelpunkt" oder "Wendepunkt".

Hinzu kommen so etwas wie Säure- und Basenstärke oder Puffer und Pufferbereich.

So versteht man etwa unter dem "Neutralpunkt" den Punkt der Kurve, wo der pH-Wert 7 beträgt. Unter dem Äquivalenzpunkt versteht man dagegen den Punkt der Kurve, wo die Konzentration der Säure gleich der Konzentration der Base ist, also [HA] = [B]. Wenn Säure und Base beide stark sind und die Säure einprotonig ist, während die Base ein Hydroxid pro Formeleinheit hat, dann (und nur dann) fallen der Äquivalenz- und der Neutralpunkt auf denselben Punkt in der Kurve. Nur in diesem Fall gilt deine Aussage: "Ich weiß nur, dass der ÄP = 7 ist..." Das heißt, im Falle der Titration von 0,1-molarer Salzsäure mit 0,1-molarer Natronlauge ist das so. Im Falle der Essigsäure gilt das aber nicht!

Schauen wir uns die (drei) Bereiche der Salzsäure-Titration mit Natronlauge an:

Das Diagramm zeigt die Abhängigkeit des pH-Wertes (y-Achse) von der hinzu titrierten Menge an Natronlauge (x-Achse). Am Anfang hast du einen sehr kleinen pH-Wert (pH 1), weil du nur 0,1-molare Salzsäure im Gefäß hast. Salzsäure ist eine starke einprotonige Säure. Das heißt, dass in einer 0,1-molaren Lösung sämtliche HCl-Moleküle vollständig dissoziiert vorliegen. Es gilt hier

[HCl] = [H3O^+]

und somit

pH = –lg [H3O^+]

pH = –lg [0,1]

pH = 1

Und nun tropfst du langsam 0,1-molare NaOH hinzu. Mit jedem Tropfen kommen also Hydroxid-Ionen in die Lösung. Diese haben aber - gemessen an der riesigen Menge von Oxoniumionen - zunächst kaum einen Einfluss auf den pH-Wert. Aber irgendwann dann schon, weil jedes hinzukommende Hydroxidion ein vorhandenes Oxoniumion neutralisiert. Bei einer Zugabe von 25 mL NaOH steigt der pH-Wert auf 2, dann - nach der Zugabe weiterer 4,9 mL ist der pH-Wert schon bei 3 und dann geht es ratzfatz!
In der Lösung sind nun fast keine Oxoniumionen mehr, weil sie beinahe alle durch die zugetropften Hydroxidionen neutralisiert wurden. Die Menge an zugetropfter NaOH ist fast genau so groß wie die Ausgangskonzentration der Säure war. Wir sind fast am Äquivalenzpunkt. Während am Anfang ein kleiner Tropfen NaOH kaum Auswirkungen hatte, weil die darin enthaltenen Hydroxidionen im Vergleich mit der riesigen Menge Oxoniumionen verschwindend gering waren, ist das nun, nahe am Äquivalenzpunkt völlig anders. Die paar Oxoniumionen, die nun noch vorhanden sind, werden von der verhältnismäßig großen Anzahl von Hydroxidionen, die sich in einem Tropfen NaOH-Lösung befinden spielend neutralisiert. Am Äquivalenzpunkt ([HCl] = [NaOH]) erreichst du daher den Neutralpunkt (pH 7). Das ist ein Wendepunkt, weil von nun an jedes hinzukommende Hydroxidion die Lösung alkalischer werden lässt. Plötzlich führt jeder weitere Tropfen NaOH zu einem Überschuss an Hydroxidionen. Die Lösung wird alkalisch und hat einen dementsprechend sprunghaft erhöhten pH-Wert. Deshalb erfolgt im Bereich um 30 mL ein pH-Wert-Sprung um mehrere Einheiten (von pH 4 auf pH 11).
Fügst du nun weitere Natronlauge hinzu, erhöht das den pH-Wert zunehmend weniger stark, weil die Lösung ohnehin schon alkalisch ist und selbst die reine Maßlösung ja nur einen pH-Wert von 13 hat. Kein Wunder also, dass die weitere Zugabe von NaOH nur noch dazu führt, dass sich der pH-Wert dem Wert pH 13 annähert.

Soweit, so gut, nicht wahr?

Etwas anders sieht die Titrationskurve der Essigsäure aus. Sie startet (trotz gleicher Konzentration) bei einem höheren pH-Wert (pH 3). Das liegt daran, dass die Essigsäure eine schwache Säure ist. Das bedeutet, dass längst nicht alle Essigsäure-Moleküle in der wässrigen Lösung dissoziiert vorliegen. Im Gegenteil, die meisten liegen sogar undissoziiert vor! Deshalb gilt hier nicht die für starke Säuren geltende Formel (s.o.), weil [HAc] eben nicht gleich [H3O^+] ist!
Die Zugabe von NaOH führt zunächst zu einem stärkeren Anstieg des pH-Wertes, weil die hinzukommenden Hydroxidionen nicht nur die bereits vorhandenen Oxoniumionen neutralisieren, sondern auch dafür sorgen, dass noch nicht dissoziierte Säuremoleküle nun zerfallen. Das dauert aber nicht lange, denn bald wird ein Abschnitt erreicht, bei dem die Menge an dissoziierter und nicht dissoziierter Säuremenge gleich groß ist:

[Ac^–] = [HAc]

Das ist in Sattelpunkt der Kurve, der sogenannte Halbäquivalenzpunkt. Die Bezeichnung kommt daher, dass dieser Punkt erreicht wird, wenn man zu einer schwachen Säure halb soviel (starke) Base dazu gibt, wie für eine vollständige Neutralisation nötig wäre. An diesem Punkt gilt:

pH = pKs (der schwachen Säure)

Dieser Bereich wird auch als Pufferbereich bezeichnet, weil hier die Zugabe von Hydroxidionen (oder auch Oxoniumionen) den pH-Wert kaum verändern, weil das System den pH-Wert abpuffert, indem es entweder Säuremoleküle zerfallen lässt (nach der Zugabe von Hydroxidionen) oder bildet (wenn man Oxoniumionen hinzugeben würde).

Danach verläuft die Kurve im Grunde ähnlich wie die der Salzsäuretitration. Erwähnenswert ist dabei allerdings, dass hier der Neutralpunkt (pH 7) nicht gleich dem Äquivalenzpunkt ist. Das liegt daran, dass der pH 7 erreicht wird, bevor von der Säure und der zugetropften Menge an Natronlauge gleich viel vorhanden ist. Oder anders ausgedrückt: Bei pH 7 sind noch etwas mehr undissoziierte Säuremoleküle in der Lösung als Hydroxidionen bereits zugetropft wurden.

Alles klar?

LG von der Waterkant


aabbcc1 
Fragesteller
 19.05.2019, 14:27

Danke, wirklich danke!

Sehr sehr schön und anschaulich erklärt. Danke für Deine Mühe; hat mir sehr geholfen!!!

Lg

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Wahrscheinlich verwundert es dich, dass das so kurvenartig aussieht. Das liegt einfach daran, dass der pH Wert der Logarithmus der Konzentratio nist. Das ist einfach so eine Eigenart des Logarithmus, würdest du zb statt dem pH-Wert die Konzentration der Oxonium/Hydroxidionen auftragen würdest du näherungsweise eine lineare Funktion bekommen, obwohl sich die Konzentration stetig ändert, siehts im Graphen so aus, als würde die anfangs sich nur schwach ändern, dann schlagartig und dann wieder schwach, aber wie gesagt, dass ist eine Logarithmus Funktion


PFromage  18.05.2019, 14:45

Anders rum, der Logarithmus staucht. Aus 10, 100, 1000 wird linear 1,2,3

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HCl und NaOH sind beide stark

Die HCl wird zuerst (anfang --> nicht stark steigend) vom NaOH neutralisiert.

Danach gehts schlagartig (sprung) auf einen hohen pH-wert

Später bleibt der pH-wert konstant, da ja nichts mehr umgesetzt wird


aabbcc1 
Fragesteller
 18.05.2019, 14:20

danke, das ist mir ja klar, doch woher kommt der sprung?

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Philip678  18.05.2019, 17:58
@aabbcc1

Naja es sind keine oder zumindest fast keine mol HCl mehr vorhanden und wenn jetzt ein Tropfen NaOH hinzugefügt wird, ändert sich der pH-Wert sehr schnell. Wennst ein Deionat hernimmst (Deionisiertes Wasser) welches einen pH-Wert von 7 hat und du gibst 2-3 Tropfen 4mol/L NaOH, wird der pH-wert stark steigen, da es nichts zum neutralisieren gibt.

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HCl ist eine starke Säure, während Essigsäure schwach ist!

Daher hat zB Essig einen Pufferbereich am Halbäquivalenzpunkt und Salzsäure nicht!