Warum RSL nach DFV-Richtlinien verbindlich, aber kein Skyhook?
Zuerst einmal einen Gruß an die Skydiver in dieser Community.
Laut DFV-Ausbildungshandbuch ist im Schulungsbereich die Verwendung einer RSL (abgesehen von ein paar Ausnahmefällen) verpflichtend. Von einem Skyhook steht allerdings im gesamten Dokument kein Wort. Ist die Verwenung einer "normalen" RSL (kein Skyhook) nicht eigentlich der absolute "worst case"?
Wenn ein System über eine RSL verfügt, bewirkt das Abtrennen des Hauptschirms automatisch den Deploy der Reserve. Der hierbei eingeleitete Öffnungsvorgang ist, zumindest soweit ich das verstehe, identisch mit einer manuellen Reserveauslösung mittels Auslösegriff. Durch die RSL entfällt also "lediglich" die Zeit, die der Springer benötigt, um den Reservegrif zu finden und zu ziehen, richtig? (Mir ist bewusst, dass diese Zeitspanne entscheidend sein kann.) Auf der anderen Seite verliert ein Springer jedoch bei verbundener RSL die Option, sich nach dem Abtrennen des Hauptschirms zu stabilisieren, um so die Wahrscheinlichkeit einer Reservefehlöffnung zu minimieren.
Nun gilt ja gemeinhin "Ziehen" geht vor "Ziehen in richtiger Höhe" geht vor "Ziehen in stabiler Lage" und wenn der Springer den Hauptschirm abtrennen musste, hat er seine anvisierte Öffnungshöhe ja bereits unterschritten, sollte also schnellstmöglich die Reserve öffnen, auch wenn er instabil ist. Daher liegt der Gedanke nahe, dass durch die Verwendung der RSL genau dieser Punkt auch technisch umgesetzt werden soll. Falls der Hauptschirm abgetrennt werden musste, lieber schnellstmöglich die Reserve auslösen, als dem Springer die Chance geben, sich zu stabilisieren. Soweit kann ich das ganze noch nachvollziehen.
Was ich in diesem Zusammenhang allerdings nicht verstehe ist, warum dann nicht die Verwendung eines Skyhooks vorgeschrieben wird. Schließlich benutzt der ja den Hauptschirm als "überdimensionierten Pilotschirm" für die Reserve, um ebendiese NOCH schneller entfalten zu können, als dies bei einem "normalen" Deploy der Reserve geschieht.
Entweder ich möchte nach dem Abtrennen der Hauptkappe so schnell wie möglich die Reserve geöffnet bekommen, dann muss ich einen Skyhook verbauen. Oder aber ich möchte die Option haben, mich nach dem Abtrennen zu stabilisieren, dann darf ich auch keine RSL verbauen.
Warum also wird durch den DFV eine RSL vorgeschrieben, jedoch kein Skyhook? Liegt das nur daran, dass der Skyhook noch zu "neu" ist, um vom DFV bereits als verbindlich eingestuft zu werden? Liegt es daran, dass das System teurer in der Anschaffung ist, aufwändiger zu installieren, aufwändiger zu warten? Ist die Regelung so zu interpretieren, dass die Systeme "mindestens" über eine RSL verfügen müssen und ein Skyhook somit als "Weiterentwicklung der RSL" auch erlaubt ist oder wird tatsächlich verbindlich eine "normale" RSL vorgeschrieben?
Bin gespannt auf die (hoffentlich detaillierten) Erläuterungen.
1 Antwort
Einfach gesagt: Skyhook ist nicht für jedes Gurtzeug verfügbar. Außerdem erhöht es die Komplexität des Gesamtsystems und bringt damit neben den Vorteilen auch den Nachteil weiterer Fehlerquellen beim Rigging mit sich.
Prinzipiell ist die Wahrscheinlichkeit einer double total malfunction, also dass gar kein Schirm rauskommt, sehr nahe bei null. Die Wahrscheinlichkeit einer mit der Reserve verwickelten Hauptkappe wird durch das Vorhanden einer RSL weder größer noch kleiner. Beim Abtrennen fällt der Springer nach unten weg und die RSL, bzw. das Skyhook, öffnet den Reservecontainer. Wichtig ist dabei das Vorhandensein einer Collins Lanyard. Dieses Teil sorgt dafür, dass zunächst beide Riser vollständig abgetrennt sind, bevor der Reservepin gezogen wird. Danach wird der Abstand zur abgetrennten Hauptkappe so schnell größer, dass eine Verwicklung ausgeschlossen ist.
Nochmals besten Dank für die Antwort. Nun kann sich ja nicht nur die Hauptkappe mit der Reserve verwickeln, sondern es kann sich auch die Reserve in sich verdrehen (Line Twist). Wenn eine RSL vorhanden ist, hat der Springer ja keine Chance, nach dem Abtrennen der Hauptkappe stabil zu werden, da unmittelbar die Reserve ausgelöst wird und öffnen in instabiler Lage schreit ja förmlich nach Line Twist.
Hier könnte ein Skyhook evtl. helfen, da er ja die Hauptkappe benutzt, um die Reserve zu entfalten. Die Hauptkappe hat eine viel größere Fläche, als der Pilotschirm, der die Reserve normalerweise herauszieht. Dadurch sollte die Reserve schneller öffnen und falls der Springer während des Öffnungsvorgangs der Reserve instabil ist, wird er innerhalb der kürzeren Zeit "weniger weit rotieren" können, falls Du verstehst. Unter diesem Gesichtspunkt sollte ein Skyhook ja die Wahrscheinlichkeit einer Fehlöffnung der Reserve (insbesondere eines Line Twist) verringern. Oder sehe ich da etwas falsch?
Danke schonmal für Deine Antwort. Doch was bedeutet das im Klartext? Gibt es Dropzones, die einen Skyhook einsetzen oder ist das gemäß den DFV-Richtlinien (zumindest während der Ausbildung) ausgeschlossen? In den Richtlinien steht, die Verwendung einer RSL sei vorgeschrieben, es ist jedoch nicht klar, ob der Skyhook als "Weiterentwicklung der RSL" die "klassische RSL" ersetzen kann oder ob definitiv immer eine "klassische RSL" (kein Skyhook) einzusetzen ist.
Auf Youtube gibt es ein paar Videos über "double malfunctions" mit Skyhook-Systemen. Das ist kein spezifisches Skyhook-Problem und kann bei einer normalen RSL in gleichem Maße auftreten, richtig? Evtl. sogar häufiger, weil die Reserve bei einer normalen RSL länger zum Öffnen braucht und damit tendenziell sogar eher "mehr Zeit hat, sich zu verheddern"?
Stimmt es, dass eine "double malfunction" allgemein extrem selten ist (einige Quellen schätzen die Wahrscheinlichkeit auf etwa eins zu drei Millionen) oder kommt so etwas doch ab und an vor?