Warum kann die "Glückseligkeit" auf Grundlage der Unterscheidung der Imperative nicht Maßstab moralischen Handelns sein?

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Nach Kants Auffassung ist nur der gute Wille uneingeschränkt gut. Dieser soll von Grundsätzen bestimmt sein, die der Vernunft entsprechen und nicht bloß subjektiv sind, sondern zugleich auch objektiv sind.

Nach Kants Glücksverständnis folgt ein Streben nach Glückseligkeit nur hypothetischen Imperativen (Geboten), nicht dem kategorischen Imperativ. Beim moralischen Handeln geht es um etwas, das objektiv gut ist und nicht nur ein gutes Mittel, um einen beliebigen Zweck zu erreichen.

ein hypothetischer Imperativ ist:

  • subjektiv
  • bedingt/zufällig
  • nicht allgemeinverbindlich

ein kategorischer Imperativ ist:

  • objektiv
  • unbedingt/als Pflicht notwendig
  • allgemeinverbindlich

Hypothetische Imperative haben bloß subjektive Gültigkeit, sie gelten nur unter der Bedingung/Voraussetzung, irgendwelche Zwecke als angestrebtes Ziel zu haben. Dann geht es darum, die zur Verwirklichung geeigneten Mittel zu verwenden. Eine Handlung ist dabei nur insofern notwendig, als sie als Mittel zu etwas anderem dient. Es geht um eine Wenn - dann - Beziehung (wenn ich einen bestimmten Zweck verfolge, dann ist es ratsam/eine kluge Wahl, bestimmte Mittel zu verwenden, um Erfolg beim Erreichens des Zwecks zu haben). Danach, ob der Zweck selbst vernünftig und gut ist, fragt ein hypothetischer Imperativ nicht.

Nach Kants Darstellung ist ein Streben nach Glück (eine Absicht auf Glückseligkeit) allgemein bei allen vernünftigen Wesen nach einer Naturnotwendigkeit vorhanden, doch es lägen dabei hypothetische Imperative zugrunde. Es handelt sich um Vorschriften der Klugheit (Geschicklichkeit in der Wahl der Mittel zum eigenen Wohlergehen/Wohlbefinden). Eine Handlung ist nicht um ihrer selbst willen geboten, sondern als Mittel zu einer anderen Absicht.

Immanuel Kant versteht Glückseligkeit als Empfindungsglück (subjektiv empfundener Zustand von Freude/Vergnügen/gesteigerter Zufriedenheit, eher an den Augenblick gebunden).

Seiner Auffassung nach ist Glückseligkeit und das Streben/Verlangen nach ihr als Grundlage der Ethik ungeeignet. Kant hält Glückseligkeit durchaus für ein Gut und ein Ziel. Er lehnt sie nicht ab. Das höchste Gut besteht nach Kant in der Übereinstimmung von Glückseligkeit und Glückswürdigkeit, bei der die Tugendhaften entsprechend ihrer Tugend belohnt werden. Jedoch hält Kant es für falsch und unmöglich, aus der Glückseligkeit als Bestimmungsgrund ein moralisches/sittliches Gesetz herzuleiten. Sein Glück zu fördern, geschehe schon ganz natürlich aus Selbstliebe. Beim Erreichen der Glückseligkeit gelten Gebote der Klugheit. Diese stellen nur hypothetische Imperative dar. Die Bestimmungsgründe beim Prinzip der Selbstliebe wären nur subjektiv gültig und empirisch (einer zufälligen Erfahrung zu entnehmen), nicht objektiv und notwendig. Bestimmungsgründe sind Wünsche, Begierden, Neigungen und Ähnliches (Streben nach Annehmlichkeit, Gefühle der Lust, erwartetes Vergnügen).

Kant hält Glückseligkeit und das Streben nach ihr aus zwei Gründen für fremdbestimmt (was er als «heteronom» bezeichnet):

a) unterliegt hypothetischen Imperativen (Gebote, die unter Bedingungen/Voraussetzungen gelten), nämlich Vorschriften der Klugheit, wobei eine Handlung Mittel zu etwas ist und eine Abhängigkeit von äußeren Umständen der Erfahrungswelt besteht

b) betrifft den Menschen nicht als Vernunftwesen, mit einer mit Hilfe der Vernunft einsehbaren allgemeinen Gesetzgebung der Vernunft, sondern als Naturwesen und ist dabei abhängig von Neigungen/Begehren/Bedürfnissen (Antrieben der Sinnenwelt)

Glück/Glückseligkeit erfüllt somit Kants Anforderungen an ein oberstes Gut nicht:

  • kein uneingeschränktes Gutsein (es gibt Wünsche/Neigungen/Begierden, die zu etwas führen, das schlecht/unangenehm/schädlich ist)
  • keine Allgemeingültigkeit, sondern Vielfältigkeit und Veränderlichkeit mit aus der zufälligen Erfahrung stammenden Motiven/Bestimmungsgründen
  • keine Objektivität
  • kein unbedingtes Gebot (von Zwecken bedingt und nur aus Klugheit geboten, wenn diese Zwecke verfolgt werden; die Zwecke sind nicht Prinzipien eines Vernunftwesens, sondern werden vom Menschen als bloßes Naturwesen verfolgt)
BraunerBesen 
Fragesteller
 17.02.2021, 10:46

Sehr vielen lieben Dank, für ihre ausführliche Antwort. Haben Sie auch irgendwelche Quellen, damit ich mir darüber nochmal ein Überblick verschaffen kann?

Danke im Voraus

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Albrecht  17.02.2021, 12:04
@BraunerBesen

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft (1. Auflage 1781. 2. Auflage 1787) II. Transzendentale Methodenlehre. Zweites Hauptstück. Der Kanon der reinen Vernunft. 2. Abschnitt. Von dem Ideal des höchsten Guts, als einem Bestimmungsgrunde des letzten Zwecks der reinen Vernunft. AA III, 523 bzw. A806/B 834:

„Glückseligkeit ist die Befriedigung aller unserer Neigungen (sowohl extensive der Mannigfaltigkeit derselben, als intensive dem Grade und auch protensive der Dauer nach). Das praktische Gesetz aus dem Bewegungsgrunde der Glückseligkeit nenne ich pragmatisch (Klugheitsregel); dasjenige aber, wofern ein solches ist, das zum Bewegungsgrunde nichts anderes hat, als die Würdigkeit, glücklich zu sein, moralisch (Sittengesetz). Das erstere rät, was zu tun sei, wenn wir der Glückseligkeit wollen teilhaftig, das zweite gebietet, wie wir uns verhalten sollen, um nur der Glückseligkeit würdig zu werden. Das erstere gründet sich auf empirische Prinzipien; denn anders, als vermittelst der Erfahrung, kann ich weder wissen, welche Neigungen dasind, die befriedigt werden wollen, noch welches die Naturursachen sind, die ihre Befriedigung bewirken können. Das zweite abstrahiert von Neigungen, und Naturmitteln, sie zu befriedigen, und betrachtet nur die Freiheit eines vernünftigen Wesens überhaupt, und die notwendigen Bedingungen, unter denen sie allein mit der Austeilung der Glückseligkeit nach Prinzipien zusammenstimmt, und kann also wenigstens auf bloßen Ideen der reinen Vernunft beruhen und a priori erkannt werden.“

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1. Auflage 1785. 2. Auflage 1786). Erster Abschnitt. Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen. AA IV, 395 bzw. BA 4:

„In den Naturanlagen eines organisierten, d. i. zweckmäßig zum Leben eingerichteten, Wesens nehmen wir es als Grundsatz an, daß kein Werkzeug zu irgend einem Zwecke in demselben angetroffen werde, als was auch zu demselben das schicklichste und ihm am meisten angemessen ist. Wären nun an einem Wesen, das Vernunft und einen Willen hat, seine Erhaltung, sein Wohlergehen, mit einem Worte seine Glückseligkeit, der eigentliche Zweck der Natur, so hätte sie ihre Veranstaltung dazu sehr schlecht getroffen, sich die Vernunft des Geschöpfs zur Ausrichterin dieser ihrer Absicht zu ersehen.“

AA IV, 399 bzw. BA 11 - 12:

„Seine eigene Glückseligkeit sichern, ist Pflicht (wenigstens indirekt), denn der Mangel der Zufriedenheit mit seinem Zustande in einem Gedränge von vielen Sorgen und mitten unter unbefriedigten Bedürfnissen könnte leicht eine große Versuchung zu Übertretung der Pflichten werden. Aber auch ohne hier auf Pflicht zu sehen, haben alle Menschen schon von selbst die mächtigste und innigste Neigung zur Glückseligkeit, weil sich gerade in dieser Idee alle Neigungen zu einer Summe vereinigen.“

AA IV, 405 bzw. BA 23:

„Der Mensch fühlt in sich selbst ein mächtiges Gegengewicht gegen alle Gebote der Pflicht, die ihm die Vernunft so hochachtungswürdig vorstellt, an seinen Bedürfnissen und Neigungen, deren ganze Befriedigung er unter dem Namen der Glückseligkeit zusammenfaßt.“

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1. Auflage 1785. 2. Auflage 1786). Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten. AA IV, 418 – 419/B 47 – 48:

„Hieraus folgt, daß die Imperativen der Klugheit, genau zu reden, gar nicht gebieten, d. i. Handlungen objektiv als praktisch-notwendig darstellen, können, daß sie eher für Anratungen (consilia) als Gebote (praecepta) der Vernunft zu halten sind, daß die Aufgabe: sicher und allgemein zu bestimmen, welche Handlung die Glückseligkeit eines vernünftigen Wesens befördern werde, völlig unauflöslich, mithin kein Imperativ in Ansehung derselben möglich sei, der im strengen Verstande geböte, das zu tun, was glücklich macht, weil Glückseligkeit nicht ein Ideal der Vernunft, sondern der Einbildungskraft ist, was bloß auf empirischen Gründen beruht, von denen man vergeblich erwartet, daß sie eine Handlung bestimmen sollten, dadurch die Totalität einer in der Tat unendlichen Reihe von Folgen erreicht würde.“

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Albrecht  17.02.2021, 12:06
@BraunerBesen

Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1. Auflage 1785. 2. Auflage 1786). Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten. Einteilung aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie. AA IV, 442/BA 90 – 91 lehnt empirische Prinzipien als Grundlage der Moral überhaupt ab:

Empirische Prinzipien taugen überall nicht dazu, um moralische Gesetze darauf zu gründen. Denn die Allgemeinheit, mit der sie für alle vernünftige Wesen ohne Unterschied gelten sollen, die unbedingte praktische Notwendigkeit, die ihnen dadurch auferlegt wird, fällt weg, wenn der Grund derselben von der besonderen Einrichtung der menschlichen Natur, oder den zufälligen Umständen hergenommen wird, darin sie gesetzt ist. Doch ist das Prinzip der eigenen Glückseligkeit am meisten verwerflich, nicht bloß deswegen weil es falsch ist, und die Erfahrung dem Vorgeben, als ob das Wohlbefinden sich jederzeit nach dem Wohlverhalten richte, widerspricht, auch nicht bloß weil es gar nichts zur Gründung der Sittlichkeit beiträgt, indem es ganz was anderes ist, einen glücklichen, als einen guten Menschen, und diesen klug und auf seinen Vorteil abgewitzt, als ihn tugendhaft zu machen: sondern weil es der Sittlichkeit Triebfedern unterlegt, die sie eher untergraben und ihre ganze Erhabenheit zernichten, indem sie die Bewegursachen zur Tugend mit denen zum Laster in eine Klasse stellen und nur den Kalkül besser ziehen lehren, den spezifischen Unterschied beider aber ganz und gar auslöschen;“

Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788). Erster Teil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft. Erstes Buch. Die Analytik der reinen praktischen Vernunft. Erstes Hauptstück. Von den Grundsätzen der reinen praktischen Vernunft. § 3. Lehrsatz II Anmerkung I. AA V, 24/A 45:

„Das Prinzip der eigenen Glückseligkeit, so viel Verstand und Vernunft bei ihm auch gebraucht werden mag, würde doch für den Willen keine andere Bestimmungsgründe, als die dem unteren Begehrungsvermögen angemessen sind, in sich fassen, und es gibt also entweder gar kein oberes Begehrungsvermögen, oder reine Vernunft muß für sich allein praktisch sein, d. i. ohne Voraussetzung irgend eines Gefühls, mithin ohne Vorstellungen des Angenehmen oder Unangenehmen als der Materie des Begehrungsvermögens, die jederzeit eine empirische Bedingung der Prinzipien ist, durch die bloße Form der praktischen Regel den Willen bestimmen können.“

Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788). Erster Teil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft. Erstes Hauptstück. Von den Grundsätzen der reinen praktischen Vernunft. § 3. Lehrsatz II. Anmerkung II. AA V, 25 bzw. A 45 – 46:

„Glücklich zu sein, ist notwendig das Verlangen jedes vernünftigen, aber endlichen Wesens und also ein unvermeidlicher Bestimmungsgrund seines Begehrungsvermögens. Denn die Zufriedenheit mit seinem ganzen Dasein ist nicht etwa ein ursprünglicher Besitz und eine Seligkeit, welche ein Bewußtsein seiner unabhängigen Selbstgenugsamkeit voraussetzen würde, sondern ein durch seine endliche Natur selbst ihm aufgedrungenes Problem, weil es bedürftig ist, und dieses Bedürfnis betrifft die Materie seines Begehrungsvermögens, d. i. etwas, was sich auf ein subjektiv zum Grunde liegendes Gefühl der Lust oder Unlust bezieht, dadurch das, was es zur Zufriedenheit mit seinem Zustande bedarf, bestimmt wird. Aber eben darum weil dieser materiale Bestimmungsgrund von dem Subjekte bloß empirisch erkannt werden kann, ist es unmöglich diese Aufgabe als ein Gesetz zu betrachten, weil dieses als objektiv in allen Fällen und für alle vernünftige Wesen eben denselben Bestimmungsgrund des Willens enthalten müßte. Denn obgleich der Begriff der Glückseligkeit der praktischen Beziehung der Objekte aufs Begehrungsvermögen allerwärts zum Grunde liegt, so ist er doch nur der allgemeine Titel der subjektiven Bestimmungsgründe und bestimmt nichts spezifisch, darum es doch in dieser praktischen Aufgabe allein zu tun ist, und ohne welche Bestimmung sie gar nicht aufgelöset werden kann. Worin nämlich jeder seine Glückseligkeit zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust und Unlust an, und selbst in einem und demselben Subjekt auf die Verschiedenheit des Bedürfnisses nach den Abänderungen dieses Gefühls, und ein subjektiv notwendiges Gesetz (als Naturgesetz) ist also objektiv ein gar sehr zufälliges praktisches Prinzip, das in verschiedenen Subjekten sehr verschieden sein kann und muß, mithin niemals ein Gesetz abgeben kann, weil es bei der Begierde nach Glückseligkeit nicht auf die Form der Gesetzmäßigkeit, sondern lediglich auf die Materie ankommt, nämlich ob und wieviel Vergnügen ich in der Befolgung des Gesetzes zu erwarten habe.“

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Albrecht  17.02.2021, 12:07
@BraunerBesen

Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788). Erster Teil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft. Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft. Zweites Hauptstück. Von der Dialektik der reinen Vernunft in Bestimmung des Begriffs vom höchsten Gut. A 198 – 199/AA V, 110 – 111:

„Daß Tugend (als die Würdigkeit glücklich zu sein) die oberste Bedingung alles dessen, was uns nur wünschenswert scheinen mag, mithin auch aller unserer Bewerbung um Glückseligkeit, mithin das oberste Gut sei, ist in der Analytik bewiesen worden. Darum ist sie aber noch nicht das ganze und vollendete Gut, als Gegenstand des Begehrungsvermögens vernünftiger endlicher Wesen; denn, um das zu sein, wird auch Glückseligkeit dazu erfodert, und zwar nicht bloß in den parteiischen Augen der Person, die sich selbst zum Zwecke macht, sondern selbst im Urteile einer unparteiischen Vernunft, die jene überhaupt in der Welt als Zweck an sich betrachtet. Denn der Glückseligkeit bedürftig, ihrer auch würdig, dennoch aber derselben nicht teilhaftig zu sein, kann mit dem vollkommenen Wollen eines vernünftigen Wesens, welches zugleich alle Gewalt hätte, wenn wir uns auch nur ein solches zum Versuche denken, gar nicht zusammen bestehen. So fern nun Tugend und Glückseligkeit zusammen den Besitz des höchsten Guts in einer Person, hiebei aber auch Glückseligkeit, ganz genau in Proportion der Sittlichkeit (als Wert der Person und deren Würdigkeit glücklich zu sein) ausgeteilt, das höchste Gut einer möglichen Welt ausmachen: so bedeutet dieses das Ganze, das vollendete Gute, worin doch Tugend immer, als Bedingung, das oberste Gut ist, weil es weiter keine Bedingung über sich hat, Glückseligkeit immer etwas, was dem, der sie besitzt, zwar angenehm, aber nicht für sich allein schlechterdings und in aller Rücksicht gut ist, sondern jederzeit das moralische gesetzmäßige Verhalten als Bedingung voraussetzt.“

Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft (1788). Erster Teil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft. Zweites Buch. Dialektik der reinen praktischen Vernunft. Zweites Hauptstück. Von der Dialektik der reinen Vernunft in Bestimmung des Begriffs vom höchsten Gut. V. Das Dasein Gottes, als ein Postulat der reinen praktischen Vernunft. AA V, 124 bzw. A 224 - 225:

Glückseligkeit ist der Zustand eines vernünftigen Wesens in der Welt, dem es im Ganzen seiner Existenz alles nach Wunsch und Willen geht, und beruht also auf der Übereinstimmung der Natur zu seinem ganzen Zwecke, imgleichen zum wesentlichen Bestimmungsgrunde seines Willens.“

Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft (1790). Erster Teil. Kritik der ästhetischen Urteilskraft. Erstes Buch. Analytik des Schönen. 1. Moment des Geschmacksurteils der Qualität nach. § 4. Das Wohlgefallen am Guten ist mit Interesse verbunden. AA V, 208:

„In Absicht der Glückseligkeit glaubt endlich doch jedermann, die größte Summe (der Menge sowohl als Dauer nach) der Annehmlichkeiten des Lebens ein wahres, ja sogar das höchste Gut nennen zu können. Allein auch dawider sträubt sich die Vernunft. Annehmlichkeit ist Genuß. Ist es aber auf diesen allein angelegt, so wäre es thöricht, scrupulös in Ansehung der Mittel zu sein, die ihn uns verschaffen, ob er leidend, von der Freigebigkeit der Natur, oder durch Selbsttätigkeit und unser eignes Wirken erlangt wäre. Daß aber eines Menschen Existenz an sich einen Wert habe, welcher bloß lebt (und in dieser Absicht noch so sehr geschäftig ist), um zu genießen, sogar wenn er dabei Andern, die alle eben so wohl nur aufs Genießen ausgehen, als Mittel dazu aufs beste beförderlich wäre und zwar darum, weil er durch Sympathie alles Vergnügen mit genösse: das wird sich die Vernunft nie überreden lassen.“

sitze und Genusse aufzuhören und befriedigt zu werden.“

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Albrecht  17.02.2021, 12:09
@BraunerBesen

Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft (1790). Zweiter Teil. Kritik der teleologischen Urteilskraft. Anhang. Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft. § 83. Von dem letzten Zwecke der Natur als eines teleologischen Systems. AA V, 430:

„Der Begriff der Glückseligkeit ist nicht ein solcher, den der Mensch etwa von seinen Instinkten abstrahiert, und so aus der Tierheit in ihm selbst hernimmt; sondern ist eine bloße Idee eines Zustandes, welcher er den letzteren unter bloß empirischen Bedingungen (welches unmöglich ist) adäquat machen will. Er entwirft sie sich selbst, und zwar auf so verschiedene Art, durch seinen mit der Einbildungskraft und den Sinnen verwickelten Verstand; er ändert sogar diesen so oft, daß die Natur, wenn sie auch seiner Willkür gänzlich unterworfen wäre, doch schlechterdings kein bestimmtes allgemeines und festes Gesetz annehmen könnte, um mit diesem schwankenden Begriff, und so mit dem Zweck, den jeder sich willkürlicher Weise vorsetzt, übereinzustimmen. Aber, selbst wenn wir entweder diesen auf das wahrhafte Naturbedürfnis, worin unsere Gattung durchgängig mit sich übereinstimmt, herabsetzen, oder, andererseits, die Geschicklichkeit, sich eingebildete Zwecke zu verschaffen, noch so hoch steigern wollten: so würde doch, was der Mensch unter Glückseligkeit versteht, und was in der Tat sein eigener letzter Naturzweck (nicht Zweck der Freiheit) ist, von ihm nie erreicht werden; denn seine Natur ist nicht von der Art, irgendwo im Besitze und Genusse aufzuhören und befriedigt zu werden.“

AA V, 431:

„Um aber auszufinden, worein wir am Menschen wenigstens jenen letzten Zweck der Natur zu setzen haben, müssen wir dasjenige, was die Natur zu leisten vermag, um ihn zu dem vorzubereiten, was er selbst tun muß, um Endzweck zu sein, heraussuchen, und es von allen den Zwecken absondern, deren Möglichkeit auf Dingen beruht, die man allein von der Natur erwarten darf. Von der letztern Art ist die Glückseligkeit auf Erden, worunter der Inbegriff aller durch die Natur außer und in dem Menschen möglichen Zwecke desselben verstanden wird; das ist die Materie aller seiner Zwecke auf Erden, die, wenn er sie zu seinem ganzen Zwecke macht, ihn unfähig macht, seiner eigenen Existenz einen Endzweck zu setzen und dazu zusammen zu stimmen.“

Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft (1790). Zweiter Teil. Kritik der teleologischen Urteilskraft. Anhang. Methodenlehre der teleologischen Urteilskraft. § 84. Von dem Endzwecke des Daseins einer Welt, d. i. der Schöpfung selbst. Fußnote. AA V, 434:

„Was das Leben für uns für einen Wert habe, wenn dieser bloß nach dem geschätzt wird, was man genießt (dem natürlichen Zweck der Summe aller Neigungen, der Glückseligkeit), ist leicht zu entscheiden.“

Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten ( 1797). Zweiter Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Einleitung zur Tugendlehre. V. Erläuterung dieser zwei Begriffe. B. Fremde Glückseligkeit. AA VI, 387 - 388:

„Glückseligkeit, d. i. Zufriedenheit mit seinem Zustande, sofern man der Fortdauer derselben gewiß ist, sich zu wünschen und zu suchen ist der menschlichen Natur unvermeidlich; eben darum aber auch nicht ein Zweck, der zugleich Pflicht ist. - Da einige noch einen Unterschied zwischen einer moralischen und physischen Glückseligkeit machen (deren erstere in der Zufriedenheit mit seiner Person und ihrem eigenen sittlichen Verhalten, also mit dem, was man tut, die andere mit dem, was die Natur beschert, mithin was man als fremde Gabe genießt, bestehe): so muß man bemerken daß, ohne den Mißbrauch des Worts hier zu rügen (das schon einen Widerspruch in sich enthält), die erstere Art zu empfinden allein zum vorigen Titel, nämlich dem der Vollkommenheit, gehöre. - Denn der, welcher sich im bloßen Bewußtsein seiner Rechtschaffenheit glücklich fühlen soll, besitzt schon diejenige Vollkommenheit, die im vorigen Titel für denjenigen Zweck erklärt war, der zugleich Pflicht ist.“

Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten ( 1797). Zweiter Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Einleitung zur Tugendlehre.VIII. Exposition der Tugendpflichten als weiter Pflichten. 2. Fremde Glückseligkeit als Zweck, der zugleich Pflicht ist. AA VI, 393:

„Allein ich soll mit einem Teil meiner Wohlfahrt ein Opfer an Andere ohne Hoffnung der Wiedervergeltung machen, weil es Pflicht ist, und nun ist unmöglich bestimmte Grenzen anzugeben: wie weit das gehen könne. Es kommt sehr darauf an, was für jeden nach seiner Empfindungsart wahres Bedürfnis sein werde, welches zu bestimmen jedem selbst überlassen bleiben muß. Denn mit Aufopferung seiner eigenen Glückseligkeit (seiner wahren Bedürfnisse) Anderer ihre zu befördern, würde eine an sich selbst widerstreitende Maxime sein, wenn man sie zum allgemeinen Gesetz machte. Also ist diese Pflicht nur eine weite; sie hat einen Spielraum, mehr oder weniger hierin zu tun, ohne daß sich die Grenzen davon bestimmt angeben lassen. - Das Gesetz gilt nur für die Maximen, nicht für bestimmte Handlungen.“

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Albrecht  17.02.2021, 12:10
@BraunerBesen

Immanuel Kant, Die Metaphysik der Sitten ( 1797). Zweiter Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre. Einleitung zur Tugendlehre.VIII. Exposition der Tugendpflichten als weiter Pflichten. 2. Fremde Glückseligkeit als Zweck, der zugleich Pflicht ist. AA VI, 395:

„b) Moralisches Wohlsein Anderer (salubritas moralis) gehört auch zu der Glückseligkeit Anderer, die zu befördern für uns Pflicht, aber nur negative Pflicht ist.“

ein Buch zum Thema:

Ji Young Kang, Die allgemeine Glückseligkeit : zur systematischen Stellung und Funktionen der Glückseligkeit bei Kant. Berlin : De Gruyter, 2015 (Kant-Studien - Ergänzungshefte ; Heft 184). ISBN 978-3-11-042716-5

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Keine Ahnung was Kant dazu gesagt hat. Aber Glückseligkeit kann aus nem offensichtlichen Grund kein Maßstab für Moral sein.

Denn meine Glückseligkeit kann deine Qual sein.

Entsprechend kann man keine allgemeingültige moralischen regeln von ableiten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Aus interesse