Warum brauchen Schattenblätter weniger Licht als Sonnenblätter um den Lichtkompensationspunkt zu erreichen?

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Hi,

prima, du hast schon einige Ideen mitgeliefert, den zentralsten Satz davon finde ich:

"Dadurch haben Sonnenblätter (...) mehr zu kompensieren als Schattenblätter."

Daran möchte anknüpfen. Genau. Man muss es wie ein "Bilanz" betrachten und darf sich nicht nur darauf konzentrieren, welche Maßnahmen dazu führen, die Lichtausbeute zu verbessern, sondern muss auch berücksichtigen, wie hoch der Teil der Atmung ist, der durch Photosyntheseleistung aufgewogen werden muss.

Man beobachtet, dass bei Schattenblättern die Atmung geringer ist, so dass mit vergleichsweise geringer Photosyntheleistung der Lichtkompensationspunkt bereits erreicht wird.

Nun könnte man meinen, dass ein derart ausgestattetes Blatt so optimiert wäre, weil es ja so empfindlich ist, dass es im Starklicht bei weitem höhere Ausbeuten erzielen könnte. Das ist leider nicht der Fall. Die Anpassung an das Schwachlicht, die zu einer Absenkung des Lichtkompensationspunktes führt, wird dadurch erkauft, bei Starklicht keine größere Leistung aufzuweisen, bei gegebener Blattausstattung. Die Pflanze registriert natürlich die Belichtungssituation und kann bei Bedarf die Ausstattung des Blattes ändern, indem sie entsprechend Schwachlicht- oder Starklichtblätter herstellt.

Schauen wir mal auf Lichtreaktionskurven von Starklicht- und Schwachlichtpflanzen https://www3.hhu.de/biodidaktik/Fotosynthese_neu/dateien/dunkel/atmung.htm das kann man so auch auf einzelne Blätter übertragen, die Graphen ähneln einander.

Dann sieht man, dass Schattenblätter/-pflanzen nicht nur den Lichtkompensationspunkt früher erreichen (Schnitt mit der x-Achse), sondern auch den Lichtsättigungspunkt IS1/IS2. D.h. obwohl man mehr Licht auf ein Schattenblatt drauf gibt, ist es nicht mehr in der Lage, die Photosyntheseleistung weiter zu steigern, sondern wird in diesem Punkt von Lichtblättern bei weitem übertroffen, die die Photosyntheseleistung um ein Vielfaches weiter steigern können, wenn die Belichtungsstärke weiter zunimmt. In dem Teil der Graphen, wo diese ansteigen, ist Licht der limitierende Faktor. In dem Teil, wo die Graphen nicht mehr steigen, ist ein anderer Faktor limitierend.

Es geht der Pflanze bei der Anpassung an das Schwachlicht offenbar nur um den linken Teil des Graphen, der farblich unterlegt ist und nicht um den rechten Teil. Im unterlegten Teil erkennt man, dass die Schattenblätter viel weniger Atmung betreiben (negativer Y-Achsenabschnitt ist kleiner), die kompensiert werden muss (dein einleitender Satz), um zu einer positiven Bilanz zu kommen. Das ist letztlich alles, worum es der Pflanze geht.

Schafft es die Pflanze nicht, zu einer positiven Kohlenstoffbilanz zu kommen, sind die Produktion organischer Stoffe, bzw. die Bildung von Biomasse, respektive Wachstum und das Überleben, auf Dauer nicht möglich. Deshalb reagiert die Pflanze auf die Belichtungsbedingungen dynamisch, indem sie die strukturelle Organisation des Blattes und teilweise des Photosyntheseapparates (z.B. Granastruktur in den Chloroplasten verändert, Anteil an Lichtsammelkomplexen in Schattenblättern erhöht), anpasst, bis Überleben möglich ist.

Diese Anpassung erhöht jedoch nicht die Leistung der Photosynthese unter optimalen Lebensbedingungen (viel Licht, rechter Teil des Graphen), sondern es ist eher so, dass diese angepassten Strukturen unter Starklicht beschädigt oder zerstört würden.

Offenbar lassen sich diese beiden Fliegen nicht mit einer Klappe schlagen. Die Pflanze muss entscheiden, je nach dem welche Belichtungsbedingungen vorliegen, will sie im Schwachlicht eine geringere Photosyntheseleistung akzeptieren, jedoch überlebensfähig sein (ökologische Nische) und dafür das Blatt so umorganisieren, dass es das Schwachlicht effektiv ausnutzt oder sind die Belichtungsbedingungen so gut, dass sie nicht effektiv sein muss, so dass sie das Blatt so umorganisiert, dass sie mit der Lichtstärke auch wesentlich mehr Photosynthesleistung erzielen kann (z.B. mehrschichtiges chloroplastenhaltiges Gewebe "Palisadenparenchym"). Hier ist die Konstruktion klar auf Steigerung der Leistungsfähigkeit mit der Stärke des Lichts ausgerichtet. Diese Investitionskosten kann sie sich im Schwachlicht sparen, weil dieses Gewebe soviel wegatmen würde, dass sie mit dem Möglichen an CO2-Bindung in der Bilanz auf keinen grünen Ast käme. D.h. diese auf Leistungsfähigkeit ausgelegten Strukturen würden ihr wie ein Klotz am Bein hängen. Beides zusammen, nämlich sehr effektiv bei Schwachlicht zu sein und sehr leistungsfähig bei Starklicht, scheint sich in einem Blatt nicht umsetzen zu lassen. Gruß, Cliff

Der Gehalt an Chlorophyll macht den Unterschied.

"...Sonnenblatt nachtsüber, durch die vergleichsweise zum Schattenblatt größere Glucoseproduktion in der Fotosynthese und die größere Anzahl an Mitochondrien, mehr an Glucose verbraucht und höhere CO2 Konzentrationen abgibt."

Der Lichtkompensationspunkt beschreibt ja den Punkt, wo CO2-Abgabe (Atmung) und CO2-Fixierung (Photosynthese) gleich sind. Du kennst sicher die Begriffe Brutto- und Nettophotosynthese.

Sonnenblätter sind dicker, sie haben also mehr Zellen. Jede Zelle benötigt Energie zur Aufrechterhaltung der Lebensvorgänge. Da ein Sonnenblatt mehr Zellen besitzt muss auch mehr Zellatmung betrieben werden.

"Dadurch haben Sonnenblätter tagsüber mehr zu kompensieren als Schattenblätter."

Das kann man so nicht sagen; nur weil sie mehr produzieren verbrauchen sie nicht mehr. Die Nettophotosynthese kann auch negativ sein.

"Es erscheint sogar unlogisch, durch das größere fotosynthetisch aktive Gewebe, das das Sonnenblatt aufweist, müsste sie den Lichtkompensationspunkt doch viel schneller erreichen als die Schattenpflanze."

Das hört sich logisch an, ist es aber nicht.

Schattenblätter haben eine große Oberfläche und eine hohe Pigmentdichte. Deshalb kommen sie mit wenig Licht aus. Sie sind aber sehr dünn.

Sonnenblätter haben mehr Masse pro Einheit Blattfläche (vgl. oben: mehr Zellen, dickeres Palisaden- und Schwammgewebe). Diese Zellen müssen alle Zellatmung betreiben.

Es ist übrigens sehr schön endlich mal eine Frage mit eigenen Überlegungen zu lesen.