Was sind die Vor- und Nachteile von Annuität/Kollegialität?

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Von mehreren Personen als gleichgestellte Kollegen ausgeübte Ämter (dies bedeutet Kollegialität) entsprachen den republikanischen Grundsätzen und gehörten zum „Brauch der Vorfahren“ (mos maiorum). 2 Amtsinhaber gab es bei den Konsuln, den leitenden Beamten, und den Zensoren (zunächst zeitlich nicht regelmäßig, dann alle 5 Jahre für eine Amtszeit von 18 Monaten). Bei anderen Ämtern (z. B. Prätoren, Quästoren, Ädile und Volkstribunen) gab es nicht nur zwei, sondern (zum Teil im Lauf der Zeit) noch mehr.

Annuität bedeutet Begrenzung der Amtszeit auf ein Jahr. Ein weiterer Grundsatz war die Vermeidung der Iteration (Wiederholung; es gab einige Ausnahmen; seit 82 v. Chr. war es erst nach 10 Jahren erlaubt, erneut Konsul zu werden).

Die Vorteile sind in den Gründen enhalten, warum die Römer sich nach diesen Grundsätzen richteten:

  • Eine übermäßige Machtfülle bei einer einzigen Person sollte vermieden werden. Die Republik war nach der Überlieferung aus einer Königsherrschaft durch Sturz des letzten Königs entstanden. Niemand sollte eine Stellung wie ein König haben. Daher wurde die Macht von Ämtern beschränkt. Die kurze Befristung sollte Versuche erschweren, sich auf Dauer eine alle anderen überragende Machtstellung aufzubauen.

  • Ein Amtsinhaber (magistratus) konnte vom anderen kontrolliert werden, sie hatten gegenüber dem Kollegen Einspruchsrecht (Interzessionsrecht).

  • Einschränkung der Möglichkeit vom Amtsmißbrauch: Nach einem Jahr bestand Rechenschaftspflicht: Der Amtsinhaber wurde wieder Privatmann und konnte z.B. wegen Amtsmißbrauch angeklagt werden.

  • Innerhalb der politischen Führungschicht (Nobilität) gab es mehr Chancen, einmal ein hohes Amt auszuüben, was den Ehrgeiz besser befriedigte und einem Wunsch nach einer gewissen Gleichheit der Mitglieder der Nobilität entsprach.

Nachteile:

  • weniger Kontinuität: Durch den häufigen Wechsel der Personen war eine stetige Politik über einen längeren Zeittraum weniger leicht zu erreichen (in der römischen Republik hat aber der Senat meistens erfolgreich Kontiuität gesichert).

  • häufige Neueinarbeitung in die Amtsgeschäfte nötig

  • geringere Effektivität bei schwierigen und langwierigen Aufgaben: ein Amtsjahr konnte bei manchen Angelegenheiten nicht ausreichend sein, um sie erfolgreich abzuschließen. So entstand ein sachlicher Druck (z. B. bei schwierigen militärischen Kämpfen), zusätzlich vom Ehrgeiz mächtiger Männer vorangetrieben, außerordentliche Befehlsgewalten (imperia extraordinaria) zu vergeben oder eine nicht immer ganz so hohe Wirksamkeit in Kauf zu nehmen.

  • Möglichkeit einer gegenseitigen Blockierung von Amtskollegen, die sich überhaupt nicht einig sind: Wenn ein Kollege ständig Einspruch erhebt, kommt wenig zustande.

  • schlechtere Verwaltung der Provinzen: Der rasche Wecshel der Staathalter behindete eine einheitliche Politik mit festen Strukturen und ein Bemühen im einen guten Zustand des Gebietes. Sttahalterschaften wurden meistens als Mittel betrachtet, die eigene Machtstellung zu vergrößern und sich zu bereichern (eine politische Karriere war mit hohen Kosten verbunden und manche haben für den Wahlkampf sehr viel ausgegeben). Das römische Finanzsystem verlockte zur Ausbeutung der Provinzbewohner durch Steuerpächter (publicani) und mit diesen zusammenarbeitende Statthalter. Die Repetundenprozesse (Verfahren wegen Zurückfoderung von Geldern) und ihre verhältnismäßige Erfolglosigkeit darin, grundsätzliche Abhilfe gegen die Mißstände zu schaffen, zeigen Schwächen des Systems.

Ausführliche Informationen enthält:

Jochen Bleicken, Die Verfassung der römischen Republik : Grundlagen und Entwicklung. Paderborn. München ; Wien ; Zürich : Schöningh. 8. Auflage, 2000. (UTB für Wissenschaft: Uni-Taschenbücher, 460). ISBN 3-8252-0460-X (UTB); ISBN 3-506-99405-0 (Schöningh)