Vom Christ zum Atheisten? Wie der Familie sagen?

5 Antworten

Ich antworte dir aus Sicht eines Vaters, der das bei seinem Kind erlebte. Ich bin jetzt kein Fundamentalist, der gleich Angst bekommt, daß sein Kind der Hölle verfallen ist. Ich liebe mein Kind, das jetzt erwachsen ist, nach wie vor, und mein Kind liebt mich so, wie man seinen Vater lieben kann. Am Anfang ging das Kind sogar noch zum Konfirmandenuntericht bei einer wirklich sehr sympathischen und charismatischen Pastorin. Es sagte dann eben, daß es nicht konfirmiert werden möchte, weil es nicht an Gott glaubt. Ich und auch die Pastorin waren zwar enttäuscht, aber wir mußten es akzeptieren. Die Pastorin war auch deshalb so enttäuscht, weil mein Kind auch im Konfirmandenunterricht vieles hinterfragte und so für einen lebendigen Unterricht sorgte. Aber es war ehrlich, und das rechne ich ihm hoch an.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich habe Religionspädagogik studiert.

Sag ihnen einfach, dass du lange nachgedacht hast und zu dem Entschluss gekommen bist, dass es einfach nicht mehr das ist, woran du glauben möchtest.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Inkognito-Nutzer   06.04.2024, 00:48

Hat das bei dir gut geklappt?

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Mein Opa war ein christlicher Fanatiker, der uns jeden Abend aus der Bibel vorgelesen hat. Geglaubt habe ich diesen Quatsch auch als kleines Kind nicht. Für mich war das so etwas wie die tägliche Märchenstunde. Später sind wir dann in eine andere Wohnung gezogen und als ich in die Schule kam, hat meine Mutter mich nach der Schule gezwungen, in die "Christenlehre" zu gehen. Das war in der DDR das Gegenstück zum Religionsunterricht. Der fand nicht in der Schule statt, sondern in einem Nebengebäude der Kirche.

Ich habe es gehasst dort hinzugehen, denn genau wie in der Schule gab es dort Hausaufgaben. Einmal mussten wir vorgedruckte Bilder mit Buntstiften ausmalen. Zu der Zeit war ich bereits 9 Jahre alt und habe feuerspuckende Drachen gezeichnet, die jeder cool fand. In meiner Klasse wurde ich für mein Talent bewundert und jetzt sollte ich ein paar Lämmer mit Buntstiften ausmalen? Was für eine Zeitverschwendung!

Also habe ich das nicht gemacht und bei der nächsten Christenlehre wurde ich dafür gerügt. Als ich dann auch noch laut gesagt habe, dass ich nicht glaube, dass Jesus über das Wasser ging, war mein Maß wohl voll. Ich musste beide Stunden mit dem Gesicht zur Wand in der Ecke stehen und über mein Vergehen nachdenken.

Das habe ich auch gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass Religion nichts für mich ist. Ich bin nie wieder zur Christenlehre gegangen, habe aber weiter so getan, als würde ich hingehen. Mit meiner Tasche bin ich aber in den Keller gegangen und habe sie hinter den Einweckgläsern versteckt. Ohne diese Tasche bin ich dann raus, zu meinen Freunden.

Ein Jahr später hat meine Mutter die Tasche hinter den Gläsern entdeckt und mich zur Rede gestellt. Ich habe ihr dann offen erzählt, dass ich nie wieder da hin will. Weil sie mich nicht zwingen konnte, hat sie sich geschlagen gegeben, aber immer noch geglaubt, dass auch ich ein gläubiger Christ bin.

Doch dieser Vorfall in der Christenlehre hat viel mehr in mir ausgelöst. Er hat mich zu einem Gegner der Religion gemacht und mir die Augen geöffnet. Ich habe erkannt, dass es nur darum geht, das Denken der Menschen zu beeinflussen und sie so zu beherrschen.

Denn genau das Gleiche wurde in der Schule auch mit uns gemacht. In der DDR ging es in der Schule auch nur darum das Denken zu beeinflussen und die Massen so zu beherrschen. Wir sollten alles glauben, ohne uns eigene Gedanken zu machen. Wir sollten keine eigene Meinung haben und ja keine ketzerischen Fragen stellen. Am 1.Mai sollten wir den "roten Göttern" auf ihrem Podium zujubeln, während wir wie dumme Ochsen an ihnen vorbei marschierten.

Die Parallelen der kommunistischen Ideologie zur Religion waren so vielfältig, dass es mir wir Schuppen von den Augen fiel, als mein Vater wieder einmal versuchte, mir seine Sicht der Dinge zu erklären. Der war nämlich ein alter Nazi, der im Krieg dem Adolf hinterher gelaufen ist und das braune Gedankengut nie los geworden ist.

Jedenfalls haben alle an mir herumgezerrt. Jeder wollte mich von seiner Ideologie überzeugen und da habe ich erkannt, dass ich keinem Glauben folgen darf, sondern selbst denken muss.

Seit dem bin ich nicht nur ein Ungläubiger, sondern ein Gegner der Religion und jeder Ersatzreligion. Denn nichts anderes sind Faschismus und Kommunismus. Es sind Ersatzreligionen, die ganz genau so aufgebaut sind, mit den gleichen Mechanismen, wie die echten Religionen.

Nach dem ich das erkannt hatte, war ich gegen das Gift der meisten Lügen immun. Seit dem konnte mir niemand mehr einfach so einen vom Pferd erzählen und mich manipulieren.

Meine Mutter tut noch heute so, als wäre ich ein Christ, obwohl sie ganz genau weiß, was ich davon halte. Sie macht einfach die Augen zu und steckt sich die Finger in die Ohren. Also lasse ich sie in Ruhe und versuche nicht mehr, sie von ihrem Glauben abzubringen.

Inkognito-Nutzer   06.04.2024, 14:25

Ich danke dir für die Antwort

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Pfefferprinz  06.04.2024, 18:49

Hallo Fuchssprung! Ich habe mit Interesse deinen Bericht gelesen. Ich war auch in der DDR in der Christenlehre und studierte als junger Mann sogar Religionspädagogik. Dort hab ich gelernt, daß man es genau so, wie du es erlebt hast, nicht machen soll. Ich lernte im Konfirmandenunterricht und der Jungen Gemeinde auch das Hinterfragen und eigenständige Denken, was uns ja in der Schule ausgetrieben wurde. Nun ja, ich habe eben andere Schlüsse gezogen als du und bin meinem Glauben treu geblieben. Im Studium habe ich mich von manchen Vorstellungen des Kinderglaubens verabschiedet und viele neue Zugänge zur Bibel sowie Einsichten gewonnen, die mir jetzt von Nutzen sind. Ich sehe große Schnittmengen zwischen uns zu diesem Thema. Obwohl ich nach wie vor glaube, bin ich doch ein Gegner von Fundamentalismus.

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Fuchssprung  06.04.2024, 19:28
@Pfefferprinz

Ich kann mit Religion überhaupt nichts anfangen und will auch nichts mehr damit zu tun haben. Alles was ich empfinde ist Abscheu und Ekel, wenn auch nur das Thema angeschnitten wird. Als Kind habe ich gedacht: "Ist eben so! Man kommt nicht drum herum."

Heute sehe ich das ganz anders. Man kommt nicht nur drum herum, man kann sich auch als Kind schon zur Wehr setzen und die Indoktrinierung blocken. Alles was man dazu braucht, ist nur ein wenig Wissen und ein paar gute Argumente.

Damals war es mir noch nicht möglich hinter die Fassade zu sehen. Heute sehe ich mit Schrecken, was für ein Sumpf sich dahinter verbirgt.

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marcWestKing  06.04.2024, 20:04
Ich musste beide Stunden mit dem Gesicht zur Wand in der Ecke stehen und über mein Vergehen nachdenken.

Na, das nenne ich mal eine pädagogisch sinnvolle Maßnahme. Nicht. Aber na ja, kennt man von Fundamentalisten ja oft nicht anders 😄

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Ich möchte meine Familie nicht verletzen, aber ihnen sagen, dass ich keine Andachtsbücher geschenkt bekommen möchte, nicht beten möchte, in die Kirche gezwungen werden möchte, bekehrungspostkarten und Gebete auch nicht.

Das wird nicht klappen, die einzige Möglichkeit ist, dass du mit offenen Karten spielst. Sie werden bestimmt verletzt sein aber kann man nichts machen.

Sorry - kein Plan - in unserer Familie sind und waren alle immer nur Atheisten!

EINER von uns, mein Cousin, wurde erst zum Protestanten, dann zum Katholiken - Der hat uns derart mit Segenswünschen überschüttet, dass wir gar nichts mehr sagen konnten! Das haben wir alle - wenn auch mit großem Kopfschütteln - akzeptiert;)

....naja, jetzt wird mir klar: Mein Antwort ist für Dich wohl nicht wirklich hilfreich - falsche Richtung!

...jetzt habe ich sie aber mal geschrieben, Du kannst sie ja löschen weil sie "abseits vom Thema ist" ...zugegeben.

BlueShark01  06.04.2024, 00:51

Ich dachte du bist Buddist?

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CarlosMerida  06.04.2024, 01:10
@BlueShark01

Stimmt - Buddhisten glauben weder an einen allmächtigen, noch an einen Schöpfergott und sehen die "Götter", die in buddhistischen Schriften erwähnt werden, nicht als solche, sondern nur als "Funktionen"

Deshalb sind Buddhis Atheisten & Atheisten;)

Ach, und fallst Du das meinst: Meine Famile schüttelt auch über meinen Nichiren-Buddhisus den Kopf! ... aber das ich sie nicht zu missionieren versuche, bleibt alles friedlich;)

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Inkognito-Nutzer   06.04.2024, 00:51

Ist auch ganz gut zu erfahren, wie das anders herum wirkt;)

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