Versteht ihr diese Begriffe auch so?
Einige Begriffe im Kontext von Geschlecht und Queerness sind aktuell durch bewusste Spracheingriffe (ameliorative inquiry / conceptual engineering) umkämpft und es gibt zumindest in queeren Kontexten kein einheitliches Verständnis dieser Begriffe mehr.
Mich interessiert, welche dieser Begriffe noch verwendet werden können ohne ein größeres Risiko einzugehen, falsch verstanden zu werden. Deshalb die Frage, welche dieser Begriffe ihr auch so verstehen würdet, welche anders und wie. Wenn ihr einen Begriff unklar findet, kennt ihr dann einen treffenderen Begriff, der Missverständnissen vorbeugen würde?
Weibchen: Ein Lebewesen, das darauf angelegt ist, Eizellen zu produzieren.
Männchen: Ein Lebewesen, das darauf angelegt ist, Pollen oder Spermien zu produzieren.
weiblich: Die Eigenschaft, ein Weibchen zu sein. Oder im weiteren Sinn: Mit dieser Eigenschaft assoziiert zu sein.
männlich: Die Eigenschaft, ein Männchen zu sein. Oder im weiteren Sinn: Mit dieser Eigenschaft assoziiert zu sein.
feminin: weiblich. Vor allem im weiteren Sinn, nicht im engen Sinn.
maskulin: männlich. Vor allem im weiteren Sinn, nicht im engen Sinn.
Beispiele: Ein neugeborener Knabe ist männlich, weil er darauf angelegt ist, später einmal Spermien zu produzieren. Ein weibliches Kleidungsstück wird weiblich genannt, weil es typischerweise von weiblichen Menschen getragen wird.
Geschlechtsmerkmal: Eigenschaft, die bei den Weibchen und Männchen einer Spezies unterschiedlich stark oder häufig ausgeprägt ist.
Beispiele: Vulva / Penis, Eileiter / Samenleiter, Eierstock / Hoden, Brüste / Bartwuchs, vorsichtig / risikobereit, lange Haare / kurze Haare, Hausarbeit / Erwerbsarbeit, …
Biologisches Geschlecht / Keimzellgeschlecht: Die Eigenschaft eines Individuums, entweder ein Weibchen oder ein Männchen zu sein.
Beispiele: Pferd: Stute (W), Hengst (M), Fohlen (W&M); Schwein: Sau (W), Eber (M), Ferkel (W&M); Rind: Kuh (W), Stier (M), Kalb (W&M); [Mensch: Frau (W), Mann (M), Kind (W&M) ??]
Körperliches (somatisches) Geschlecht: Die Gesamtheit der Geschlechtsmerkmale eines Individuums.
Genus / grammatikalisches Geschlecht: Eine Eigenschaft von Substantiven, die mit assoziierten Artikeln, Pronomen und Adjektiven übereinstimmen muss.
Beispiel: "Person" hat das Genus Femininum und trägt daher Artikel und Pronomen im Femininum: Die Person, welche ihren Finger verletzt hat. "Mensch" ist im Maskulinum: Der Mensch, welcher seinen Finger verletzt hat.
Geschlechtspräsentation: Verhalten, welches als weiblich oder männlich wahrgenommen wird oder werden soll.
Beispiele: Kleidung, Sprache, Frisur, Bewegung, …
Geschlechtsrolle: Eine Summe von Verhaltensweisen, die (kulturell bedingt) bevorzugt den Weibchen oder Männchen zugeschrieben werden.
Beispiele: Kriegsdienst ist traditionell Aufgabe der Männchen. Neugeborenenpflege ist traditionell Aufgabe der Weibchen.
Geschlechtsidentität: Die Eigenschaft, sich selbst für feminin und/oder maskulin oder keines der beiden zu halten.
Die folgenden Begriffe sind definitiv missverständlich. Vielleicht habt ihr trotzdem eine Idee, wie man sich klarer ausdrücken kann.
Gender: Überbegriff über alle nicht körperlichen Geschlechtsmerkmale. Vor allem im Englischen aber auch als Synonym zu körperlichem und biologischem Geschlecht verwendet.
Geschlecht: Je nach Kontext, oft aber unklar, welches der o.g. Konzepte gemeint ist.
Frau: Weiblicher und erwachsener Mensch
Mann: Männlicher und erwachsener Mensch
Wenn man hier männlich und weiblich wie oben versteht, dann wären Transfrauen zwar Männchen, aber zumindest im weiteren Sinn weiblich und damit auch Frauen im weiteren Sinn.
1 Antwort
Lange Haare und kurze Haare sind keine Geschlechtsmerkmale. Hausarbeit und Erwerbsarbeit schon gar nicht!
In deiner Liste kommen Geschlechterrollen gar nicht vor. Das sind Zuschreibungen, Eigenschaften, Neigungen etc., die aus kulturellen Gründen vom jeweiligen Geschlecht erwartet werden.
Frisuren und Berufe fallen auch unter Rollen. Ja, das habe ich übersehen. In dem Fall müsstest du aber Männer und Frauen schreiben und nicht Männchen und Weibchen, das sind nämlich Begriffe aus der Biologie.
Frisuren und Berufe fallen auch unter Rollen.
Ja, das sehe ich auch so. Die Beispiele sind nicht als erschöpfende Aufzählung gedacht. Geschlechtspräsentation ist ja auch eine Geschlechtsrolle, oder?
In dem Fall müsstest du aber Männer und Frauen schreiben und nicht Männchen und Weibchen, das sind nämlich Begriffe aus der Biologie.
Die Begriffe Mann und Frau vermeide ich bewusst, weil nicht jedem klar ist, was ich mit ihnen meine.
Ich finde Weibchen und Männchen nicht unpassend, denn auch Tiere haben Geschlechtsrollen (die dann nicht unbedingt kulturell bedingt sind, was für mich aber auch nicht zwingend ist. Rollen können auch angeboren sein).
Es ändert letztlich auch nichts daran, was eine Geschlechtsrolle ist, ob sie männchenspezifisch oder mannspezifisch ist, denn >99% der menschlichen Männchen sind Männer.
Also für mich ist der Unterschied aber massiv. Kulturelle Geschlechterrollen sind änderbar und teilweise völlig willkürlich.
Hmm, ja, den Unterschied sehe ich auch. In Klammern habe ich ja auch "(kulturell bedingt)" geschrieben, hätte mich da aber nicht so streng festgelegt. Denn: Im Einzelfall weiß ich eh nicht, ob ein Rollenbild nun rein kulturell gewachsen ist oder (auch) eine biologische Grundlage hat. Mein Beispiel vom Kriegsdienst und der Neugeborenenpflege würde ich sagen ist biologisch bedingt und kulturell ausgeschmückt.
Änderbar ist es trotzdem. Eben durch Kultur. Die Zivilisation fängt so manche barbarischen Impulse, die eigentlich in uns angelegt sind, ab. Zum Glück!
Neugeborenenpflege logischerweise, Kriegsdienst absolut nicht. Dass es überhaupt Krieg und Kriegsdienst in unserem Sinne gibt, das ist bereits kulturell bedingt. Das hat direkt mit der Herrschaft des Patriarchen über alle seine Untertanen zu tun. Aber das jetzt auszuführen, das würde echt zu weit gehen.
Dass es überhaupt Krieg und Kriegsdienst in unserem Sinne gibt, das ist bereits kulturell bedingt.
Richtig. Nur wurde der Kriegsdienst meist den männlichen Bürgern überlassen. Das scheint mir allein deshalb nicht rein kulturell bedingt zu sein, weil es eine kulturübergreifende Rollenverteilung ist.
Die Neugeborenenpflege ergibt sich automatisch aus der Geburt. Das hat mit Kultur nichts zu tun, das machen alle Tiere so. Der "Kriegsdienst" der nur männlichen "Bürger" hat mit Biologie überhaupt nichts zu tun. Das ist ein Merkmal patriarchaler Kulturen.
Ok. Heißt das, dass die Neugeborenenpflege für dich dann keine Geschlechterrolle ist?
Nein. Das ist Biologie. Wie soll ein Mann ein Baby säugen? Das kann nur die Mutter.
Die Geschlechterrollen beginnen später: Wenn die Mutter den Beruf aufgibt und der Vater Überstunden macht, weil er mehr verdient. Dass er mehr verdient, ist aber bereits auch eine Geschlechterrolle!
In Skandinavien wird 50:50 geteilt, sonst gibt es keine staatliche Förderung. Es geht also auch anders.
Wie soll ein Mann ein Baby säugen?
Achso, ja. Menstruieren hätte ich auch nicht Geschlechtsrolle genannt.
Ich dachte mehr an Windeln, Füttern, Fläschchen geben, Trösten, ... Das würdest du auch als Geschlechtsrolle sehen?
Ja, würde ich. Windeln werden nicht mit dem Busen gewechselt. Und Fläschchen geben nicht mit dem Uterus. Warum sollte der Vater oder eine andere Bezugsperson das nicht auch machen?
Ja, würde ich.
Dann sind wir uns doch einig. Neugeborenenpflege und Kriegsdienst sind Geschlechtsrollen.
Warum sollte der Vater oder eine andere Bezugsperson das nicht auch machen?
Interessante Frage. Jedenfalls machen sie es seltener als die Mütter. Sonst wäre es ja keine weibliche Geschlechtsrolle.
"Geschlechterrollen" wird normativ verstanden, nicht deskriptiv. Es geht darum, was Menschen tun sollen und nicht darum, was getan wird.
Stimmt. Also hätte ich es so begründen müssen:
Jedenfalls wird Neugeborenenpflege seltener von den Vätern als von den Müttern erwartet. Sonst wäre es ja keine weibliche Geschlechtsrolle.
Meist denkt man bei Geschlechtsmerkmalen nur an primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale. Dies hier sind jedoch tertiäre Geschlechtsmerkmale.
Ich habe sie als Geschlechtsrolle in der Liste:
Du nimmst noch Eigenschaften und Neigungen hinzu. Im Wesentlichen meinen wir das Gleiche, denke ich.