Theater: Gibt es noch klassische Inszenierungen klassischer Stücke?
Mal eine Frage an die Theaterkenner: Gibt es noch klassische Inszenierungen?
Habe gerade Hamlet gesehen (Oldenburg) und bin - mal wieder - ziemlich enttäuscht. Wie auch schon in anderen Inszenierungen von Hamlet (Hamburg, Berlin u.a.) ist alles mit Gewalt auf "modern" und "cool" getrimmt. Der König wirkt wie ein Zuhälter, alle Akteuere wie Prostituierte (Ophelia) oder Nerds (Hamlet). Die Geschichte ist entstellt, die Texte "modernisiert" und völlig übertrieben mit plumpen Pointen überhäuft.
Ich gehe nicht allzu häufig ins Theater, aber wenn es mich zwei, drei Mal im Jahr dorthin treibt, sehe ich immer nur klassische Stücke, die modern verschandelt wurden. In der "Gute Frage" - Community gibt es doch bestimmt einige Theaterkenner, die mir sagen können, ob das eigentlich mittlerweile an allen größeren Bühnen der Standard ist.
Gibt es noch Intendanten, die z.B. den Hamlet klassisch inszenieren? Gibt es Bühnen, die dafür bekannt sind? Ich würde weit dafür reisen, mal wieder einen König auf der Bühne zu sehen, der eine Krone und einen Hamlet, der einen Degen trägt. Stattdessen hampeln die Darsteller mit E-Gitarren und Dildos auf der Bühne rum. Oh man!
3 Antworten
Das "Problem" ist, dass viele Theaterschaffende der Meinung sind, sie müßten etwas Neues, Einmaliges und noch nie Dagewesenes schaffen. Weil, zugegebenermaßen, immer das Gleiche zu wiederholen langweilig ist. Außerdem hat Shakespeare ja in seiner Zeit und für sein Publikum geschrieben. Deswegen ist es natürlich erstmal völlig legitim die Handlung in die heutige Zeit zu übertragen. Und ehrlich gesagt, ich finde Shakespeare in Originalkostümen, meistens viel herumstehend, tapfer Text aufsagend und 4 Stunden dauernd, auch langweilig. Leider braucht es dafür ziemlich viel Intelligenz. Und aus meiner Zeit als Regieassistent habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich viele Regisseure dabei überschätzen. Ich sehe übrigens gerade nebenbei "Schneewittchen" auf Arte. O.K. Film mit Theater zu vergleichen geht gar nicht, aber das "ist" intelligent und ungeheuer spannend in die heutige Zeit übertragen. Nur leider gibt es nicht viele Regisseure, die das können.
Danke für die Antwort.
Ich finde ja "moderne" Shakespeare-Inszenierungen auch legitim, würde aber halt auch gerne einmal eine klassische Inszenierung sehen. Klar "Originalkostüme, viel rumstehen, tapfer Text aufsagen" ist nicht jedermanns Sache, verstehe ich voll und ganz. Aber das Theater sollte doch auch (nicht ausschließlich!) diese Form der Darbietung anbieten. Das wäre auch ein gutes Fundament, um "moderne" Shakespeare-Inszenierungen vielleicht besser würdigen zu können. ...?
In London habe ich ein Stück von Shakespeare gesehen, was seehr klassisch war und sogar nicht gekürzt war, sodass es über 4 Stunden ging. Gibt es in Deutschland zu 100% auch noch. Man muss nur vorher nur informieren wo und wann solche Stücke gespielt werden. Aber ich denke dass viele nicht mehr klassisch aufgeführt werden, weil es vielen Leuten nicht (mehr gefällt). Ich habe zb auch Respekt wenn ich klassische Theaterstücke sehe und erkenne es auch an, dass richtig gut gespielt wurde, trotzdem fällt es mir echt schwer zuzuschauen, weils einfach nicht mein Ding ist (bin 18 Jahre alt)
Der Hamlet betrifft aber uns und unsere Zeit auch dann, wenn Hamlet einen Degen statt eines Dildos trägt und nicht jede zehnte Zeile eine Anspielung auf Internetpornografie, Becks-Bier oder die aktuelle BILD-Schlagzeile enthält.
Langweilige 4-Stunden Aufführungen will man natürlich auch nicht. Aber mal gaaaaaanz ehrlich: Man kann sich doch auch eine klassische, leicht gekürzte, Hamlet-Aufführung vorstellen, bei der Schauspieler, Kulisse etc. einen überzeugen und einen spannenden Theaterabend schaffen. "Klassisch" ist ja nicht gleichbedeutend mit "öde" - sollte es zumindest nicht sein, wenn die Leute ihr Handwerk verstehen...
Die Frage könnte von mir sein... z.B. Mitsommernachtstraum ohne Feen, gehts noch?
Auf grossen Bühnen wird man da eher nicht mehr fündig, wohl aber bei kleineren Theatertruppen und - gruppen in Kleinstädten...die sind oftmals gar nicht schlecht.
... das stimmt, auch an Universitätsbühnen habe ich schon überrraschend gute "klassische" Inszenierungen gesehen.
Kann ich absolut nachvollziehen. Wenn man nicht erkennt, dass es mich und unsere Zeit betrifft ist es nur "Bildungstheater".