Sind Partikel wirklich eine Wortart? Müsste es nicht umgekehrt sein?


28.04.2023, 17:23

Fort, aber wohin. (ganzer Satz)

Fort ist zu bestimmen.

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich halte die Angaben in Deiner Musterlösung für sinnvoll. Die folgende Gliederung der Wortarten finde ich am prak­tisch­sten und verwende sie deshalb selbst.

  • Verben kann man konjugieren.
  • Nomina kann man deklinieren, dazu gibt es Unterkategorien Substantive, Adjekti­ve und Pronomina
  • Partikel kann man nicht formverändern (bei einigen wenigen kommt Steigerung in Be­tracht), und es gibt sehr viele Untergruppen: Adverbien, Präpositionen, Kon­junk­tio­nen, Interjektionen …

Natürlich gibt es viele Alternativen zu diesem Schema. Ein fundamentaler Einwand ist es, daß die Formveränderung als primäres Kennzeichen nicht für alle Sprachen funk­ti­o­niert, sondern speziell auf indogermanische Sprachen zugeschnitten ist. In anderen Sprachen gibt es vielleicht gar keine Flexion (selbst einige indogermanische Sprachen wie Englisch haben sie zu gutem Teil verloren), oder sie funktioniert fundamental an­ders (im Türkischen z.B. sind z.B. Adjektive auch gut konjugierbar); das zeigt, daß die Unterteilung in Wortarten immer eine künstliche und willkürliche Einteilung sein muß. Noch schlimmer wird es, wenn man historisch vorgeht — Adverbien können z.B. oft von anderen Wortarten abgeleitet sein, aber man kann sie ja nicht gut als Untergrup­pe von allem betrachten. Zuletzt ist es gerade im Deutschen mit seinen „trennbaren Prä­fixen“ oft schwerig, zu sagen, was ein Wort ist und was nicht (ich gehe weg — sind das zwei oder drei Wörter?).

Praktisch fürs Deutsche verwendete Gliederungsschemata haben oft beachtliche Un­ter­schiede zu meiner Version:

  • Pronomina werden oft aus der Nomina-Kategorie herausgelöst und als primär an­gesehen.
  • Aus Gründen, die ich entweder für völlig verkehrt halte oder nicht verstehe, haben viele Grammatiken das Wort Nomen umdefiniert und verwenden es als Synonym zu Substantiv. In diesem Fall fällt die Kategorie die ich Nomen nenne, natürlich weg, und Verben, Substantive, Pronomina und Adjektive werden zu primären Kategorien.
  • Es gibt auch Einteilungen, die die Partikel-Kategorie aufzulösen und Konjunktio­nen, Adverbien und Präpositionen zu primären Kategorien hochzustufen. Was dann noch übrigbleibt, sind Wörter, die sich schlecht in eine Satzstruktur einfügen und kaum als echte Satzglieder bezeichnet werden können; die werden dann oft auch als Partikeln (oder Partikeln im engeren Sinn) bezeichnet.
  • Eine Einteilung, in der Partikeln als Untergruppe der Adverbien aufgefaßt werden, ist mir allerdings noch nicht untergekommen.

Du siehst, das ist verwirrend und wenig eindeutig. Für jede Art dieser Einteilungen kann man irgendwelche Pro- oder Kontra-Argumente anführen.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik
marmelade98 
Fragesteller
 28.04.2023, 18:33

unglaublich... was für eine ausführliche und gute Erklärung! Ich danke dir vielmals! :)

  • Partikel kann man nicht formverändern (bei einigen wenigen kommt Steigerung in Be­tracht), und es gibt sehr viele Untergruppen: Adverbien, Präpositionen, Kon­junk­tio­nen, Interjektionen …

genau so wurden die Partikel auch in der Musterprüfung unterteilt.

Ich dachte bis zum heutigen Tag immer : die deutsche Sprache ist wirklich logisch aufgebaut und daher auch 'einfach'. Aber je mehr ich mich damit auseinandersetze (tiefgründig), desto mehr wird mir bewusst, dass es doch nicht so einfach ist, wie ich immer dachte. Weil auch je nach Satz/ Kontext bestimmte Wörter eine andere Wortart annehmen... Da muss man aufpassen. Ein Teil der Prüfung am Montag (der erste Teil) ist genau so aufgebaut. Ich hoffe, ich krieg das irgendwie hin.

Vielen lieben Dank nochmals! :)

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marmelade98 
Fragesteller
 28.04.2023, 18:39
@marmelade98

vorallem was ich auch schwierig finde: es gibt noch viele Unstimmigkeiten auch unter der 'Lehrern'. Während mein Lehrer Partikel als eine einzelne Wortart sieht, die in verschiedenen Untergruppen unterteilt werden kann, sieht das ein anderer hingegen ganz anderst. Siehe da: https://m.youtube.com/watch?v=xjc5WggX2BQ

Ab 0:55

Hier wird gesagt, dass Partikel weder noch zu den Adverbien, Präpositionen oder Konjunktionen gehören... Zum Glück habe ich mir da noch weitere Meinungen eingeholt, sonst hätte ich an der Prüfung mehr als die Hälfte falsch.

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Ich möchte nur kurz anmerken, dass man "Partikel" zwar als Oberbegriff für alle nicht-flektierbaren Wortarten ansehen kann (wie anscheinend in deinem Buch), es meist - zumindest habe ich es so erlebt - aber nicht so gehandhabt wird. Würde man es als Oberbegriff sehen, müsste man wieder eine Binnendifferenzierung zwischen dem Oberbegriff "Partikel" und den 'echten' / der Wortart "Partikel" machen. Partikeln sind ja, so zumindest die verbreitete Definition fürs Deutsche, solche Wörter, die nicht flektierbar sind und nicht das Vorfeld besetzen können (also nicht alleine vor dem gebeugten Verb stehen können und somit nicht als Satzglied fungieren können).

Die Gruppe der Partikeln ist in sich durchaus heterogen - v.a. semantisch, aber oben angesprochener Punkt eint sie grammatisch. Gerade zur Unterscheidung von Adverbien finde ich die Nutzung als Oberbegriff problematisch. Die sind ja auch nicht flektierbar, aber können im Gegensatz das Vorfeld besetzen, sind u.U. also eigenständige Satzglieder.