Sigmund Freud, Glück

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Dass der Mensch nach „Glück“ strebt, ist eine Grundüberzeugung aller antiker Philosophie. Dass nicht nur der Mensch sondern alle Kreatur nach „Glück“ strebt, ist die Grundeinstellung vor allem des Epikureismus, den Freud hier indirekt zitiert. Freud setzt hier die ganzen Diskussionen voraus, die es in der Antike um die Interpretation gegeben hat, was Glück ist.

Genau genommen legt sich der Epikureismus nicht fest, was für das einzelne Individuum Lebensglück bedeutet. Gemeint ist nur die positive Gestaltung des Überlebensdrangs auf ein menschliches Dasein hin bezogen in gesellschaftlichem Umfeld. Epikur schließt die Lust körperlicher Freuden – anders als die Idealisten - per se nicht als schlecht aus. Dabei geht es im Epikureismus sehr stark um die Frage, welche Fallen sich der Mensch selbst stellen kann, um vom Pfad eines gelingenden Lebens abzuweichen.

Hier wird die Interpretation Freuds deutlicher. Das „Programm des Lustprinzips“ ist keine Naturgarantie („daß der Mensch »glücklich« sei, ist im Plan der »Schöpfung« nicht enthalten“) sondern ein Programm des Antriebs, ein Lebens-Unruheprinzip. Wie Epikur unterscheidet er drei Bewährungsbereiche, in denen ein gelingendes Leben gefährdet ist: Die körperliche Gesundheit, die Auseinandersetzung mit der Natur und, mit zunehmender Tendenz, die Gefährdung durch gesellschaftliche Fehlentwicklungen. Mit dem letzten Punkt ist er dann im Thema, denn sein Buch heißt ja: "Das Unbehagen in der Kultur".

Wie gut zu erkennen ist, interpretiert Freud das „Programm des Lustprinzips“ nicht statisch, als auf ein Glück ausgerichtet, das dann von möglichst langer Dauer sein soll, sondern dynamisch als Antriebskraft, als eine Ausprägung der Lebensdynamik überhaupt. Überleben heißt, immer wieder die befriedigende, glücklich machende Variante des Lebenswegs zu suchen. Diese ist nicht ein für alle Mal festgelegt und schon gar nicht „von Natur aus garantiert“. Erst recht gesellschaftlich und kulturell ist es eine Gestaltungsaufgabe, womit die Nähe auch zum Kernthema des Existentialismus deutlich wird.

Mehr dazu in:

http://www.gkpn.de/AuK_So14_08.pdf

Dr. Günter Gödde: "Askese als Lebensform, therapeutisches Prinzip und Axiom der Lebenskunst bei Freud" ab Seite 163 - 176

SirBanane 
Fragesteller
 29.05.2013, 13:13

Wunderschöne Antwort, vielen Dank. Hat mir sehr geholfen, auch wenn es über das von uns in der Schule Behandelte etwas hinaus ging.

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Er knüpft Glück an das Lustprinzip, was (also hier Lustbefriedigung) per definitionem aber eben nur vorübergehender Natur und nicht dauerhaft sein kann, Unglück knüpft er an das Versagen der Unlustvermeidung, weil die Welt und das Leben eben so ist, wie es ist, so dass eine dauerhafte Abwesenheit von Unlust und Schmerz nicht erreicht werden kann.

Ich glaube.... Dieser Textpassage nach ist Glueck bereits das Streben (Unterschied Glueck und Schmerz/Unlust) danach. Dieses Streben wird unterschieden zwischen dem allg. Gluecksverstaendnis was Familie, Kinder, etc beinhaltet und dem wahren Gluecksgefuehl der Beduerfnisse und Sehnsuechte die u.a./v.a.jegliche Form der Sexualitaet enthalten...

SirBanane 
Fragesteller
 28.05.2013, 22:41

Vielen Dank für die schnelle Antwort.

Kannst du mir vielleicht die Textpassagen nennen, die zu deiner Aussage führen? Das Leiden, von dem Freud am Ende spricht, folgt das auf das Glück oder das Unglück? Was ist seine Kritik am Glücklichsein?

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