Scheinkonstitutionalismus in Russland

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Russland blieb bis zur Revolution 1917 de facto eine absolute Monarchie. Alle drei Gewalten waren vom Zaren kontrolliert. Das Parlament, die Duma, gab es zwar, doch war nicht wirklich handlungsfähig und auch nicht representativ. Daher spricht man vom "Scheinkonstitutionalismus", weil es in Wirklichkeit keine konstitutionelle Monarchie gab.

Zum Konstitutionalismus (Herrschen eines Monarchen unter Beschränkung durch eine Verfassung) gehören normalerweise:

  1. eine gewählte (und nicht vom Herrscher ernannte)Kammer bzw. ein Rat oder ein Parlament (das im russ. Fall "Duma" heißt)

  2. bestimmte Kompetenzen dieses gewählten Organs:

    a) Entscheidung über den Staatshaushalt (also im wesentlichen die Verwendung der Steuermittel);

b) Entscheidung oder Mitentscheidung (falls es eine zweite Kammer - wie das engl. Oberhaus - gibt) über die Gesetze;

c)Anspruch darauf, die Politik der Regierung von Ministerpräsidenten/ Kanzler etc. erläutert zu bekommen; ggf. Abstimmung über diese Politik (aber nicht: Wahl der Regierung; sonst wäre es schon eine parlamentarische Monarchie wie etwa in England)

Von "Scheinkonstitutionalismus" müsste man dann reden, wenn wichtige politische Entscheidungen nicht per Gesetz, sondern per Regierungserlass zustande kommen oder wenn ein großer Teil der Staatausgaben gar nicht vom im Parlament beratenen Haushalt erfasst, sondern einfach von den Ministerien verplant wird (Zolleinnahmen, Einnahmen aus Staatsbetrieben bzw. königlichen Domänen, Kapitalanleihen). Der Zar hat z. B. nach 1907 des öfteren über Notverordnungen an der Duma vorbei regiert/ regieren lassen.

Es kann im Einzelfall alles noch verzwickter sein, aber das sollte für den Anfang genügen.

Eine konstitutionelle Monarchie, besagt, daß der Kaiser (Zar) oder König der Verfassung unterworfen ist.

In diesem Fall war das zwar so beschlossen worden, aber der Zar hielt sich nicht daran, deshalb Schein.........

In der Verfassung wird die dominante Stellung des Zaren betont, in der Folgezeit bemüht Nikolaus II. sich, die gemachten Zugeständnisse wieder zurückzunehmen.
1907 wird das Wahlrecht zugunsten eines Zensuswahlrechts geändert, was große Teile der Bauern und Arbeiter von politischer Repräsentanz ausschließt, auch wenn dies einen Verfassungsbruch darstellt.
Max Weber prägte hierfür den Begriff "Scheinkonstitutionalismus".


http://de.wikipedia.org/wiki/Russische_Revolution