Rettungsphantasien?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Menschen in sozialen Berufen stehen häufig vor dem Problem, dass sie wissen, dass die Hilfe, die sie beruflich als Teil des sozialen Systems geben können, nicht ausreicht, um ihre Patienten/Klienten zu einem dauerhaft normalen Leben zu verhelfen. In vielen Fällen wissen sie auch, dass man bestimmen Personen gar nicht mit vertretbarem Aufwand helfen kann.

Um sich selbst und ihre Familie zu schützen, müssen sie lernen, dies zu akzeptieren und einen emotionalen Abstand zu halten.

Der Begriff "Rettungsphantasie" beschreibt die Situation, in der man diesen Abstand soweit verloren hat, dass man emotional wünscht und glaubt, die betroffene Person durch persönlichen Einsatz über das Berufliche hinaus retten zu können. Wider besseres Wissen. (daher "Phantasie")

Der Film zeigt sehr gut, dass der Versuch ein hohes Risiko darstellt. Der Rettungsphantasie nicht nachzugeben ist aber für die eigene Psyche eine hohe Belastung, so dass der einzige Ausweg darin besteht, den Abstand durch Aufgabe der Betreuung wieder herzustellen.

Das ist weder keineswegs zynisch, abwertend, naiv, verachtend oder böse. Das ist notwendiger Selbstschutz.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Moin,

in dem konkreten Fall ist gemeint, dass er das Mädchen in Pflege nimmt oder adoptiert.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – gesunder Menschenverstand und Lebenserfahrung für Drei

Das bedeutet, dass er mit dem Gedanken spielt, unprofessionelle Maßnahmen zu ergreifen, um dem Mädchen zu helfen. Wie zum Beispiel, sie unerlaubter Weise bei sich aufzunehmen, was er ja im Laufe des Films nochmal tut.

01052009 
Fragesteller
 21.02.2020, 17:25

Als die beiden von der Waldhütte zurück fahren nimmt er sie ja das erste mal die eine Nacht mit nach Hause, ist das nicht erlaubt ? Er hatte ja sowieso die ganze Zeit die Aufsicht über sie und das war ja praktisch noch im gleichen zug mit dem Ausflug.

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MadXAM  21.02.2020, 17:56
@01052009

Nein, das ist nicht erlaubt. Zum einen weil sie ja kein „normales“ Kind auf einem Ausflug ist, sie hat bestimmte Orte und Personen die sie aufsuchen darf. Und zum anderen ist sie nunmal „nur“ als Klient zu betrachten, es ist sehr wichtig Simeon Arbeitsverhältniss nicht mit seinem Privatleben zu kombinieren. Nicht grundlos nennt Benni zu Beginn des Filmes alle Fachkräfte nur „Erzieher“, und nicht bei ihrem richtigen Namen.

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01052009 
Fragesteller
 21.02.2020, 19:08
@MadXAM

Oben steht das du Erzieher bist, hattest du schon Erfahrungen mit so einem Kind machen können ? Falls ja, kann man das nach Feierabend einfach ausblenden (weil ja so oft von Distanz die Rede ist) ? Ich kann mir nicht vorstellen das ich da so einfach den Kopf frei bekommen würde, ich meine allein der Film hat mich sehr ergriffen oder muss man da einfach ein Mensch sein der emotional abgehärtet ist?

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MadXAM  21.02.2020, 21:40
@01052009

Also ganz so krasse Kinder gibt es nicht. Die Autorin des Buches/Filmes hat auch mal gesagt, dass sie Benni nach mehreren wahren Fällen von Kindern und Jugendlichen zusammengewürfelt hat. Die Figur an sich ist schon etwas übertrieben dargestellt.

Aber klar, so ähnliche Kinder gibt es definitiv, und leider auch so schlimme, wenn nicht sogar schlimmere Familienverhältnisse. Und ja, ich würde auch sagen dass man emotional abgehärtet sein sollte. Mich selbst würde ich zwar als sensiblen Charakter beschreiben, aber trotzdem kann ich mich emotional von solchen Fällen distanzieren. Es gibt nur ein paar wenige sehr schlimme Fälle an die ich manchmal denken muss. Aber auch das ist ja nur menschlich.

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Haha, den Film habe ich auch gerade geguckt & ich wollte auch wissen, was mit ,,Rettungsphantasien“ gemeint ist.

Dahinter steht die unausgesprochene Erkenntnis, dass die ganzen Hilfesysteme den Menschen niemals wirklich helfen werden. Also pädagogische Einrichtungen den Kindern niemals geben werden, was sie von Eltern bräuchten.

Und die somit ihre Probleme auch immer behalten werden.

Jemand, der glaubt, wirklich helfen zu können und das will, wird als naiv eingestuft und in verachtender Sprache eben z.B. als "Retter" abqualifiziert.

Der Erzieher in dem Film bekommt ja Gefühle der Art, dass er nicht mehr nur Erzieher, sondern Vater des Kindes sein möchte.

In der Art, wie er das gelernt hat, soll er solche Gefühle ja verdrängen und verachten. Mit demselben Zynismus wie seine Kollegen. Sein Wissen darüber, wie zynisch er sein sollte, drückt er eben mit solchen abwertenden Bezeichnungen für seine Gefühle aus.

Da kein Mensch Gefühle abschalten kann, müssen Professionelle in solchen Berufen ihre Gefühle irgendwie verdrängen. Solche bösartigen Bewertungen erscheinen ihnen dafür am geeignetsten.

Das Ganze bekommt dann das Label "professionelle Distanz".