Noam Chomsky: Nativismus?

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In aller Kürze: Chomsky geht davon aus, dass der Mensch eine angeborene Sprachfähigkeit hat, die es ihm ermöglicht, nach seiner Geburt jede beliebige natürliche Sprache problemlos als Muttersprache zu erwerben. Kern der Theorie ist die sogenannte Universalgrammatik, die auf der Idee beruht, dass sich alle natürlich-sprachlichen Sätze auf universelle Grundstrukturen zurückführen lassen. Universalgrammatik ist quasi eine biologische Grundausstattung, die das Kind dazu befähigt, am sprachlichen Input, den es als Säugling und Kleinkind bekommt, diese Strukturen zu erkennen, um daraus die spezifische Kerngrammatik seiner Muttersprache abzuleiten. Universalgrammatische Strukturen betreffen nach Chomsky deswegen nur die Syntax, den Satzbau.

Mit seiner Theorie wollte Chomsky erklären, warum Kinder ...

  • Sätze bilden können, die sie noch nie gehört haben.
  • selbst komplizierte grammatische Strukturen beherrschen, an denen erwachsene Sprachlerner oft verzweifeln.
  • und Erwachsene Urteile darüber fällen können, ob ein Satz in ihrer Muttersprache grammatikalisch korrekt ist oder nicht, selbst wenn sie oft gar nicht erklären können, warum ein Satz richtig oder falsch gebildet ist.

Ohne Universalgrammatik ist für Chomsky der Erstspracherwerb unerklärbar, denn ...

  • Kinder bekommen nur einen begrenzten sprachlichen Input.
  • Kinder bekommen in der Regel nur sporadisch und unsystematisch Feedback, ob die Sätze, die sie selbst produzieren, richtig sind oder nicht. Dieses Feedback ist zudem meist beschränkt und besteht nicht aus grammatischen Regeln, wie man sie etwa in der Schule lernt oder in Grammatiken nachlesen könnte.

Neben den universalgrammatischen Strukturen, die sich in allen natürlichen Sprachen finden lassen, gibt es noch einzelsprachliche grammatische Regeln.

Universalgrammatik ist demgemäß sehr abstrakt und unabhängig vom Lexikon der Sprache, das sich auch ohne Universalgrammatik lernen ließe.

Obwohl die Theorie heute als widerlegt gilt, haben Chomskys sprachwissenschaftliche Arbeiten viel zur Erforschung des Spracherwerb-prozesses beigetragen und Modelle hervorgebracht, mit denen sich viele sprachliche Strukturen erklären lassen.