Metaphysische Schuld nach Karl Jaspers - Erklärung, Stellungnahme?

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Zur den vier Schuldbegriffen von Jaspers:

https://www.zum.de/Faecher/G/BW/abbl/nationalsozialismus/jaspers.htm

Für meine Begriffe ist diese metaphysische Schuld des Karl Jaspers das Theodizee-Problem heruntergebrochen auf uns Menschen und genauso unlösbar, schon allein, weil wir nicht allwissend, nicht allmächtig sind und aus Unwissenheit auch nicht All-überall-gut sein können.

Schuld zuzuweisen ist nach den zunehmenden Erkenntnissen der Humanwissenschaften immer schwieriger. Da hat man sich früher leichter getan - was vielen Unschuldigen zum Verhängnis wurde. Wie schlimm, wenn das gut gemeinte aus Unfähigkeit und Selbstüberschätzung schlecht gemacht wird und zum Ende Ursache des Bösen wird. Je abstrakter die Schuldfrage wird, desto größer ist diese Gefahr.

Was hab ich von Leuten, die am PC jede Menge Petitionen zur Rettung von diesem und jenem Weltproblem unterschreiben oder dazu aufrufen, aber keine Zeit haben, in einem Heimatverein konkret mitzuwirken und im eigenen Umfeld das gesellschaftliche Leben angenehmer, friedlicher zu machen. Sie kommen mir vor wie Leute, die von Bochum aus Steine um die halbe Welt werfen wollen, um im Amazonas eine heilende Wellenbewegung auszulösen, doch einen Stein in den Teich vor der Nase zu werfen, dass überhaupt mal eine KONKRETE Welle in Gang gesetzt wird, fällt ihnen nicht ein.


Dichter1Denker  02.01.2018, 14:48

Schuld zuzuweisen ist nach den zunehmenden Erkenntnissen der Humanwissenschaften immer schwieriger. Da hat man sich früher leichter getan

Ach wirklich??? Da wäre ich mir in deinem Fall nicht so sicher:

Das aber entschuldigt nicht, dass andere Länder das EURO-Gebilde ausnutzend bewusst über ihre Verhältnisse leben.

Schulden bedeutet in andern Sprachen Debita, was sinngemäß so viel wie Pflicht bedeutet. Die Deutschen wollen selber keine Pflichten mehr eingehen und drücken diese Last auf andere Länder ab.

Das ist die internationale Meinung zu Deutschland. Auch von den Ländern, die von der Eurokrise gar nicht betroffen sind.

Die Südeuropäer sind auch mit diplomatischer Gewalt von Deutscher Seite her in die Schuldnerposition gedrängt worden. Da es ohne Auslandsschulden uach keinen deutschen Sparwahnsinn geben kann Punkt

Nebenbei bermerkt, kann ich nicht nur Texte auf Englisch lesen, sondern auch auf Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Italienisch. Da kriegt man im Netz einiges mit von der Welt.

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berkersheim  02.01.2018, 16:56
@Dichter1Denker

Du solltest mal Deutsch lernen! In diesem Fall, auch in fremden Sprachen bezieht sich Schulden als Pflicht auf die Schuldenmacher, die in der Pflicht sind, ihre Schulden zu begleichen und nicht umgekehrt. Wie man sieht, verhilft Mehrsprachigkeit nicht unbedingt zu klarerem Denken.

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Dichter1Denker  02.01.2018, 18:24
@berkersheim

Wieder einmal eine haltlose Behauptung ohne empirische Grundlage:

Es ist klar und erwiesen, dass man in einer Fremdsprache Informationen viel rationaler Verarbeitet als in der Muttersprache. Dort verläuft das Denken eher emotional und offensichtlich holst Du dir deine Infos nur auf Deutsch. (Da es anscheinend die einzige Sprache ist, die Du wirklich beherrschst, sonst hättest Du jetzt nicht einfach so komplett irrational über die internationale Meinung hinweg argumentiert.)

Es ist natürlich viel leichter jemanden von seiner Pflicht zu entbinden, als jemanden von seiner Schuld frei zu sprechen. Außerdem ist es auch eine internationale Kritik, dass Deutschland nach dem Krieg einen Schuldenschnitt bekommen hat, obwohl diese den Krieg angezettelt haben und diese es heute umgekehrt nicht mit anderen machen wollen.

Die Saldemechanik nach Stützel ist wieder einmal nicht deine Stärke. Hier extra noch mal für Dich: Die Deutschen wollen selber keine Pflichten mehr eingehen und drücken diese Last auf andere Länder ab. Stützel hätte dies ebenfalls so gesehen, da dies seiner Lehre widerspricht:

Der Saldo der Haushalte liegt bei +6%, die Unternehmen bei +2% und der Staat bei +1%. Das ergibt eine gesamte Bilanz von +9%.

Komischerweise ergibt sich daraus der Exportüberschussanteil von +9% des BIP der Bundesrepublik Deutschland und diese Überschüsse sind die Schulden der anderen. Der Auslandssaldo liegt für die BRD bei -9%.

Kleiner Tipp: Es gibt einen bestimmten Punkt, wo Neoliberale und Keynesianer sich einig sind: Nämlich unter welchen Umständen eine Volkswirtschaft im Gleichgewicht ist. Was stimmt hier an der deutschen Saldenmechanik nicht:

PS: Die Frage ist in ein paar kuzen Sätzen beantwortbar, aber stattdessen kommen wahrscheinlich wieder nur ellenlange Ausreden von Dir nicht antworten zu müssen, weil Du es nicht weißt

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Haldor 
Fragesteller
 03.01.2018, 11:58

Ich beschäftige mich seit langem mir Jaspers Begriff „Metaphysische Schuld“. Mal sehe ich diesen Begriff in der vorchristlichen, heidnischen Welt angesiedelt (s. Ödipus-Sage: schuldlose Schuld) – für einen Christen also nicht mehr relevant, mal denke ich, er beruht auf einem unzulässigen „Hineinloten“ in den metaphysischen Bereich; der Repräsentant dieses Begriffs (Jaspers) behaupte also, er kenne Gottes Absichten genau, dass er Menschen, die frei sind von moralischer Schuld, auch eine metaphysiche Schuld auferlege (was eigentliche eine Anmaßung ist; ich meine das „Hineinloten“).

Die Buddhisten, auch Konfuzius und Laotse, sind bzw. waren sehr kritisch, was übersinnliche oder metaphysische Dinge angeht.... Daher lehren bzw. lehrten sie, dass es auch unbeantwortbare Fragen gibt, die nicht mit dem menschlichen Verstand zu lösen sind; ein ständiges Nachgrübeln über diese Dinge sei letztlich zwecklos. Für das Christentum jedenfalls gibt es nur eine moralische Schuld.

Natürlich hat man manchmal das Gefühl, es gebe eine ewige Gerechtigkeit, die ständig am Werk sei und die Menschheit bestrafe. Siehe z.B. Schopenhauer, der das Walten der ewigen Gerechtigkeit vom Schicksal der Menschen (im ganzen und allgemeinen) ableitet. „Dieses ist Mangel, Elend, Jammer, Qual und Tod. Die ewige Gerechtigkeit waltet: wären sie nicht, im ganzen genommen, nichtswürdig, so würde ihr Schicksal, im ganzen genommen, nicht so traurig sein.“ (Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 4).

Von ähnlichem Kaliber ist m. E. auch Jaspers „Metaphysische Schuld“, d.h. ähnlich spekulativ. Spekulativ könnte man auch sagen: Jeder, der sich in allzu großer Nähe des Bösen aufgehalten hat, kommt, wie die moralisch Schuldigen, nicht ungeschoren davon, obwohl er sich nichts hat zuschulden kommen lassen - moralisch gesehen).

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berkersheim  03.01.2018, 14:34
@Haldor

Das Thema der Schuld ist sehr komplex. Wir kennen Erfahrungen, die zeigen, dass man jemandem Schuld durchaus bei unverantwortlichem Handeln zuweisen kann. Ich denke da z.B. an den Buddhismus und seine Lehre von der Aufmerksamkeit. Ähnliches gibt es im Epikureismus, doch in den knapp überlieferten Texten muss man sie aus dem Zusammenhang lesen. Aufmerksamkeit bedeutet, sich seiner Verantwortung bewusst zu sein, Teil einer Gesellschaft zu sein, Teil der Welt und im Rahmen unseres Wissens sich möglichst verantwortlich zu verhalten. Doch dabei darf man nie vergessen, dass wir keine Götter sind und ein Geflecht von Leid entsteht oft dadurch, dass wir lokal handeln und denken, doch die Wirkungen global sein können. In der Antike, z.B. den Tragödien, haben wir oft das gute Wollen und das schlechte Tun aus Nicht-Wissen und Ahnungslosigkeit über die wirklichen Zusammenhänge. Das wird auch gern als Schicksal bezeichnet. Es ist auch ein Unterschied, ob man sich selbst Vorwürfe der Schuld macht oder ob sie ein anderer einem zuweist. Dann zumindest ist es Pflicht des Anklägers, seinen Vorwurf nachzuweisen, sonst gerät er selbst in die Position eines üblen Nachredners. Mir ist in der Frage wichtig, ob die Zuweisung oder gar Ahndung von Schuld eine bessere Zukunft eröffnet, sonst ist es nur ein Nachtreten. Verhilft uns die Klärung eines falschen Verhaltens zu einem besseren Handeln in der Zukunft? Oder ist es nur Wundenlecken ohne positiven Nährwert. An dieser Frage hat auch das Christentum seine Probleme: Was ist in den 2000 Jahren besser geworden, dass ein unschuldig Hingerichteter angeblich unser aller Schuld auf sich genommen hat? Wird ein Alkoholiker gebessert, wenn man ihm das Alkoholtrinken erleichtert? Die Frage ist immer, ob aus dem richtigen Umgang mit Schuld ein besseres Morgen kommt.

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Dichter1Denker  03.01.2018, 15:42
@berkersheim

Dann zumindest ist es Pflicht des Anklägers, seinen Vorwurf nachzuweisen, sonst gerät er selbst in die Position eines üblen Nachredners.

Das sagt genau der Richtige. Im Vergleich zu Dir weise ich die Schuld der Deutschen an der Eurokrise nach und weise diese nicht einfach auf Griechenland ab, so wie Du übler Nachreder:

In den Maastricht-Verträgen wurde festgelegt, dass die Inflationsrate in jedem Euro-Land genau 2% zu betragen hat. Damit die Preise in jedem Land auf lange Sicht gleich sind. Das wäre die alleinige Bedingung gewesen, dass jedes Euroland sein Import-Export-Gleichgewicht hält (David Ricardo lässt grüßen, da Du schon lange nichts mehr von ihm gehört hast.)Um dieses Ziel zu erreichen, hätte jedes Land seine Arbeitszeiten und Löhne so anpassen müssen, dass eine Inflation von 2% raus kommt. Die Stundenlöhne hätte also um den Produktivitätsfortschritt plus 2% steigen müssen, um dieses Ziel zu erreichen.

Es war aber nur Frankreich, welches dieses Ziel wirklich eingehalten hat. In Südeuropa war die Inflation über 2%.

Und in Deutschland unter 2%. Deutschland hat also gegen die Regeln der Marktwirtschaft und unter seinen Verhältnissen gelebt, was nach den Regeln der Marktwirtschaft genau so verboten ist, wie über seinen Verhältnissen zu leben.

Es war nämlich 1997 schon absehbar, da hatte Heiner Flassbeck im einem Essay, die Euro-Krise bereits in ihrer heutigen Form vorhergesagt. Damit Du mal merkst was für eine verschrobene Wahrnehmung Du hast.

Damals hatte er davor gewarnt, die Agenda 2010 durchzuführen, um die Löhne und Preise mit Absicht gering zu halten, weil die übrigen Euro-Länder sich durch Abwertung nicht mehr hätte wären können. Das war damals schon vorsächtlich so geplant. Dafür gibt es sogar knallharte Beweise.

Außerdem haben die Südländer auch nicht freiwillig die Schuldnerposition angenommen. Von einem mit Absicht über den Verhältnissen leben kann keine Rede sein. In Italien lag die Inflation füher bei 8%. In der Währungsunion lag sie bei 2,4%. Somit war man schon gewillt das Ziel einzuhalten, das von Deutschland ohne Rücksicht auf andere bei 2% festgelegt wurde. (In Deutschland betrug diese früher immer 2%)

Um dieses Ziel dann hinterhältig zu unterwandern. Der Sparwahnsinn der Deutschen war nur möglich, weil Deutschland die anderen auch mit diplomatischer Gewalt in diese Schuldnerposition gedrückt hat. Da es ohne Schulden auch kein Sparen gibt.

Der Fehler lieg also in Deutschland. Punkt.

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DerSchopenhauer hat erklärt, was zu erklären war. Es fehlt die Stellungnahme. Die könnte ein wenig länger ausfallen.

Abstrakt gesehen hat Jaspers Recht. Wie schön er das formuliert hat !!! Der Teufel steckt im Detail, bei solchen Formulierungen meist in dem Detail, das etwas unklar ist. Das ist in diesem Fall der Relativsatz "was ich kann". Ich bin konkret niemals imstande, alles zu leisten, was ich abstrakt kann. Die Wahrheit aber ist immer konkret (W.I.Uljanow).

Zwischen dem Ich-Ideal, dass mir sagt, was ich abstrakt alles leisten können sollte, und dem Selbst, dessen Kräfte begrenzt sind, wird immer eine Kluft bleiben. Sie ist ungefähr das, was einst im Christentum "Erbsünde" hieß und bei Jaspers "metaphysische Schuld". Ich kann davon nicht frei sein, ich bin nicht Jesus, ich möchte nicht gekreuzigt werden.

Jaspers tat gut daran, diese "Schuld" "metaphysisch" zu nennen.Viele Menschen verspüren sie unbewusst, manche nehmen sie bewusst war, erkennen aber nicht ihren metaphysischen Charakter und halten nun sich und andere für akut schuldig.

Damit umzugehen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich kenne Gutmenschen, die ständig am Rödeln sind, um gegen alle Mängel dieser Welt anzugehen, auch noch in hohem Alter und ständig am Rande eines Herzinfarktes, innerlich getrieben. Gesund ist das nicht, und man macht sich dadurch auch nicht unbedingt beliebt, weil man dadurch ja auch allen anderen Menschen ständig ihre Schuld vor Augen und Ohren hält.

Manche Menschen werden fromm, suchen sich Patres, die sie von ihrer Schuld freisprechen. Es bleibt etwas heuchlerisch, denn die Patres können das in Wirklichkeit auch nicht. "Der Mensch ist zugleich Sünder und gerechtfertigt" (Luther) - gerechtfertig durch Gott allein aus Gnade.

Aber nicht alle glauben an Gott. Was können sie tun? Ich denke, es geht darum, den richtigen Mittelweg zu finden, wie es Aristoteles lehrte: dazwischen nämlich, im zumutbaren Rahmen an der Beseitigung der Übel dieser Welt mitzuarbeiten einerseits, und andererseits der Fähigkeit, sich selbst seine Unvollkommenheit selbst zu vergeben,

Freilich, das Problem bei Aristoteles besteht darin, zu erkennen, welches denn das richtige Mittelmaß ist.

Karl Jaspers - 4 Schuldbegriffe

metaphysische Schuld aus der Mitverantwortung für alles Unrecht und alle Ungerechtigkeit in der Welt

Beantworte Deine Frage nach dem Leitmotiv zur Verhinderung der methaphysischen Schuld:

"Wenn ich nicht tue, was ICH KANN, um es [z. B. Umweltzerstörungen, Ausbeutungen, Völkermord, Ausländerfeindlichkeit, Diskriminierungen etc.] zu verhindern, so bin ich mitschuldig"


Haldor 
Fragesteller
 01.01.2018, 21:45

"die metaphysische Schuld aus der Mitverantwortung für alles Unrecht und alle Ungerechtigkeit in der Welt (Wenn ich nicht tue, was ich kann, um es zu verhindern, so bin ich mitschuldig.). - So steht es bei Google. Das aber ist eindeutig moralische Schuld, nicht metaphysische Schuld. Ich könnte es (das Unrecht) verhindern, tue es aber nicht!

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