Marx unterscheidet die Arbeit in der Fabrik von der Arbeit in Manufaktur und Handwerk ,Worin genau besteht diese Veränderung und welche Probleme sieht er?

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Der Unterschied zwischen der Arbeit eines Handwerkers und der eines Arbeiters in einer kapitalistischen Manufaktur entsteht nach Marx aus der kleinteiligen Zergliederung der Arbeit innerhalb der Produktionsstätte der Manufaktur. Diese Form der Arbeitsteilung fesselt die Arbeiter an einzelne, repetitive, vereinfachte Aufgaben, die den Wert der Arbeitskraft direkt vermindert. Sie beruht auf einem Prozess, der "den Arbeiter in eine Abnormität verkrüppelt". Mit der Manufaktur wird (nicht nur die Arbeit sondern) "das Individuum selbst geteilt (und) in das automatische Triebwerk einer Teilarbeit verwandelt". Eine einzelne Fähigkeit des Menschen wird auf Kosten aller anderen entwickelt. (MEW 23, 371; 374; 381; 383) Die daraus resultierende Organisation der Produktionsweise – die auf der größtmöglichen Effizienz der Vernutzung menschlicher Arbeit beruht, indem diese zunehmend spezialisiert und fragmentiert wird – ist despotisch und hierarchisch. (MEW 23, 376; 381) Immerhin gebrauchen die Arbeiter hier immer noch die Werkzeuge – und nicht umgekehrt.

Im Gegensatz dazu macht die Arbeit in der Industrieproduktion die Arbeiter zu bloßen Zahnrädern des produktiven Apparats, zu Anhängseln spezialisierter Maschinen. (MEW 23, 445) Die Arbeit wird weiter fragmentiert, Frauen und Kinder werden in eintönigen, schlecht bezahlten Jobs beschäftigt, das intellektuelle Niveau der Arbeit sinkt, und entweder wird der Arbeitstag verlängert oder die Intensität der Arbeit wird gesteigert. (MEW 23, 417 ff; 432) Diese Produktionsweise untergräbt die Sicherheit der Arbeiter und erzeugt eine verfügbare Arbeitsbevölkerung, die für die Belange der kapitalistischen Ausbeutung in Reserve gehalten wird (MEW 23, 454 ff; 477 ff; 512). Sie wirkt sich ungünstig auf die Gesundheit, das allgemeine Niveau intellektueller Fähigkeiten, das moralische Empfinden und das Familienleben der arbeitenden Bevölkerung aus (MEW 23, 417 ff). Die Produktion ist nicht länger eine Form von Handwerk, die letztlich auf der Arbeit der Arbeiter beruht. "Selbst die Erleichterung der Arbeit wird zum Mittel der Tortur, indem die Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit vom Inhalt." (MEW 23, 445 f) Die Logik der Produktion in der "großen" Industrie impliziert also eine langfristige Abnahme der Geschicke der Arbeiter (MEW 23, 455 ff).

"In der Manufaktur ... bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine. Dort geht von ihm die Bewegung des Arbeitsmittels aus, dessen Bewegung er hier zu folgen hat. In der Manufaktur bilden die Arbeiter Glieder eines lebendigen Mechanismus. In der Fabrik existiert ein toter Mechanismus unabhängig von ihnen, und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt." (MEW 23, 445)

Quelle: Moishe Postone, "Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft", 2003