Ludwig Feuerbach: Gott ist eine Projektion?

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variierte Aussage in Zeile 57 – 58

Abgewandelt worden ist der lateinische Ausspruch homo homini lupus est („Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“) und eine Aussage des Staatstheoretikers Thomas Hobbes.

Thomas Hobbes erklärt in der Widmung zu seinem Werk »De cive« (1657):

 „Profecto utrumque vere dictum est, homo hominis deus est, et homo homini lupus est: Illud si concives inter se, hoc si civitates comparemus.”

„Nun sind sicherlich beide Sätze wahr: Der Mensch ist dem/für den Menschen ein Gott, und: Der Mensch ist dem/für den Menschen ein Wolf; jener, wenn man die (Mit-)Bürger untereinander, dieser, wenn man die Staaten untereinander vergleicht.“

In einem Naturzustand des Menschen sind die Menschen einander eine mögliche Bedrohung- Sie können von Gier getrieben mit Gewalt und List vorgehen. 

https://de.wikipedia.org/wiki/Homo_homini_lupus

ethische Bedeutung der Religionskritik

Die Religionskritik befreit von einer Art der Religion, die willkürlich etwas als gottgewollt begründet und statt einer Zuwendung zum Leben, zum Menschen seine Kräfte vergeudet, den Menschen einem Gottesglauben aufopfert und die ethische Gesinnung zerstört. Die Religionskritik hat das Ziel, den Weg zur Gottheit des Menschen als Zweck/Endzweck der Religion zu bereiten, mit Liebe und Wohltätigkeit zu Menschen und Dankbarkeit dafür

Ludwig Feuerbach vollzieht einen Versuch, geschichtlich-kulturelle Objektivierungen (Erscheinungsformen, in denen sich nach idealistischer Auffassung Geistiges entäußert) auf das menschliche Wesen als ihren wahren Ursprungsort zurückzuführen (z. B. den absoluten Geist auf den konkreten Menschen, die verselbständigte Vernunft auf die Sinnlichkeit, die Religion auf die Liebe).

Er versteht seine Anthropologie als Synthese (Verbindung) von Idealismus und Materialismus.

Feuerbach bestimmt Religion als ein Verhalten des Menschen zu seinem Gattungswesen (Verhalten zu seinem – subjektiven - Wesen als zu einem anderen Wesen; das göttliche Wesen ist nichts anderes das von den Schranken des individuellen Menschen gereinigte und befreite Wesen des Menschen, als ein anderes, von ihm unterschiedenes, eigenes Wesen angeschaut und verehrt). Damit versteht er Religion als ein Produkt des Menschen selbst. Der Selbstbezug im Bereich der Religion werde allerdings nur indirekt bewusst. Der Mensch vergegenständliche sein Wesen und mache dann wieder sich zum Objekt dieses vergegenständlichten, in ein Subjekt verwandelten Wesens.

In „Das Wesen des Christentums, Schlußanwendung“ wendet sich Feuerbach dagegen, Moral und Recht auf Theologie zu gründen, statt alle wesentlichen Verhältnisse wie Moral und Recht durch sich selbst zu begründen.

In der Schrift „Das Wesen der Religion“ (1845) erklärt Feuerbach die Religionsentstehung einerseits mit einem Abhängigkeitsgefühl (subjektiver Faktor), andererseits mit der Natur (objektiver Faktor). Der Mensch ist von der Natur abhängig und fühlt sich von ihr abhängig. Die Aufhebung der Abhängigkeit von der Natur, die gefühlte Abhängigkeit in Freiheit zu verwandeln, sei Sinn des Opfers, in dem sich das ganze Wesen der Religion versinnliche und konzentriere. Das Gefühl der Abhängigkeit, die Gottheit der Natur sei Grund der Religion, die Freiheit von der Natur, die Gottheit des Menschen Zweck/Endzweck der Religion.

Ludwig Feuerbach, Das Wesen der Religion : ausgewählte Texte zur Religionsphilosophie. Herausgegeben und eingeleitet von Albert Esser. 4., überarbeitete Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2005 (Bibliothek klassischer Texte), S. 215 – 216:

„Im Christentum werden die moralischen Gesetze als Gebote Gottes gefaßt; es wird die Moralität selbst zum Kriterium der Religiosität gemacht; aber die Moral hat dennoch untergeordnete Bedeutung, hat nicht für sich selbst die Bedeutung der Religion. Diese fällt nur in den Glauben. Über der Moral schwebt Gott als ein vom Menschen unterschiedenes Wesen, dem das Beste angehört, während dem Menschen nur der Abfall zukommt. Alle Gesinnungen, die dem Leben, dem Menschen zugewendet werden sollen, alle seine besten Kräfte vergeudet der Mensch an das bedürfnislose Wesen. Die wirkliche Ursache wird zum selbstlosen Mittel, eine nur vorgestellte, eingebildete Ursache zur wahren, wirklichen Ursache. Der Mensch dankt Gott für die Wohltaten, die ihm der andere selbst mit Opfern dargebracht. Der Dank, den er seinem Wohltäter ausspricht, ist nur ein scheinbarer, er gilt nicht ihm, sondern Gott. Er ist dankbar gegen Gott, aber undankbar gegen den Menschen. So geht die sittliche Gesinnung in der Religion unter! So opfert der Mensch den Menschen Gott auf!“

S. 219: „Wo die Moral auf die Theologie, das Recht auf göttliche Einsetzung gegründet wird, da kann man die unmoralischsten, unrechtlichsten Dinge rechtfertigen und begründen.“

„Etwas in Gott setzen oder aus Gott ableiten, das heißt nicht weiter als etwas der prüfenden Vernunft zu entziehen, als unbezweifelbar, unverletzlich, heilig hinzustellen, ohne Rechenschaft darüber abzulegen. Selbstverblendung, wo nicht selbst böse, hinterlistige Absicht, liegt darum allen Begründungen der Moral, des Rechts durch die Theologie zugrunde.“

S. 219 - 220: „Hat die Moral keinen Grund in sich selbst, so gibt es auch keine Notwendigkeit zur Moral; die Moral ist dann der bodenlosen Willkür der Religion preisgegeben.

Es handelt sich also im Verhältnis der selbstbewußten Vernunft zur Religion nur um die Vernichtung einer Illusion – einer Illusion aber, die keineswegs gleichgültig ist, sondern vielmehr grundverderblich auf die Menschheit wirkt, den Menschen, wie um die Kraft des wirklichen Lebens, so um den Wahrheits- und Tugendsinn bringt;“

JamilBS248 
Fragesteller
 07.11.2021, 08:50

Vielen Dank für deine ausführliche Rückmeldung

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