Links-/rechtsseitiger Grenzwert

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in der mathematik müssen dinge immer wohldefiniert sein. d.h.: es kann nur einen wert geben, der grenzwert sein kann, wenn es denn überhaupt einen gibt.

=> wenn linksseitiger und rechtsseitiger grenzwert übereinstimmen, dann hat man schonmal eine wesentlich höhere chance, dass auch ein "normaler" grenzwert existiert.

benötigen brauchst du die linksseitigen und rechtsseitigen grenzwerte nicht! das sind nur hilfsmittel.

es kommt nun darauf an, wie man linksseitigen und rechtsseitigen grenzwert definiert. für mich macht nur die folgende definition sinn: alle folgenglieder sind strikt kleiner oder größer als der wert, dem man sich annähert (je nach "links-" oder "rechts-"seitigem grenzwert).

für die stetigkeit und differenzierbarkeit hast du jeweils auch eine auf folgen basierende definition, die es zu erfüllen gilt, und zwar für alle folgen. für jede folge muss die definition erfüllt sein. würde bei einer anderen folge etwas anderes herauskommen, d.h.: würde es einen unterschied machen, auf welche art und weise man sich einem punkt annähert, so wäre der grenzwert nicht wohldefiniert und die definition für stetigkeit oder differenzierbarkeit nicht sinnvoll.

grenzwerte der form limes x->x0 f(x) = a bedeuten immer:

lim k->unendlich f( x(k) ) = a für alle folgen x(k)

oft benötigt man zum prüfen der existenz eines grenzwertes abschätzungen, die die folge auf eine andere leichtere folge zurückführen. für diese abschätzungen ist es meistens ausreichend nur grundlegende eigenschaften der folgenglieder zu kennen, zB ob xx0 oder auch ob x=x0 ist.

man unterteilt nun den begriff "alle folgen" in 3 arten von folgen:

folgen, sodass x(k)0 für alle k. alle folgen der ersten kategorie definieren dann den linksseitigen limes. alle folgen der dritten kategorie bilden den rechtsseitigen limes. die verbleibende kategorie ist quasi ein sonderfall, von dem mit kein name bekannt ist.

nun ein beispiel, was das soll:

betrachte die funktion f(x)= überall 0, außer an der stelle 0. f(0)=1.

die funktion ist unstetig in der 0, weil da von 0 auf 1 gesprungen wird. das folgenkriterium für stetigkeit besagt: für alle folgen mit x(k)->0 soll gelten limes f(x(k)) = f( limes x(k) ) = f(0), damit f an der stelle 0 stetig ist.

wir überprüfen alle folgen aus der kategorie 1: ist x<0, so ist f(x) = 0. d.h.: f( x(k) ) = 0 für alle k. der linksseitige grenzwert ist also 0.

analog folgen aus kategorie 3: grenzwert ist auch 0.

nun aber die folge, die konstant 0 ist (0,0,0,.....): f( x(k) ) = 1 für alle k. d.h.: linksseitiger grenzwert = linksseitiger grenzwert UNGLEICH f(0). daher ist die stetigkeits-definition widerlegt.

man kann nun aber mithilfe des linksseitigen und des rechtsseitigen grenzwertes (im beispiel beide = 0) herausfinden, wie man die funktion hätte stetig fortsetzen können bis zur stelle 0. es soll gelten f( x(k) ) = f(0), also muss f(0) = 0 =linksseitiger limes= rechtsseitiger limes sein. dann wäre die funktion, die also wirklich überall gleich 0 wäre stetig.

nun betrachten wir die funktion: f(x) = 0 für x<0, und f(x)=1 für x>=0. also so eine "treppenstufe".

dann sind linksseitiger limes (=0) und rechtsseitiger limes (=1) bereits nicht gleich. den wert f(0) müsste man garnicht mehr ermitteln, da bereits vorher alles schief geht mit der stetigkeit.

zusammenfassung:

mit linksseitigem und rechtsseitigem limes hat man FAST den gesamten limes abgedeckt. man muss nur je nach anwendungszweck den sonderfall mit einbeziehen.

nochmal kurz zur differenzierbarkeit:

die funktion f(x)=|x| ist quasi so ein "V" von der form her. die frage ist die ableitung an der stelle 0. diese existiert nicht! aber wenn man von links kommt, so sieht es so aus, als ob die steigung an der stelle 0 dieselbe sein müsste, wie kurz davor. (-1) oder kommt man von rechts, so denkt man, dass die steigung sein müsste, wie kurz danach (1). es existiert sozusagen eine linksseitge und rechtsseitige ableitung. die beiden sind aber nicht gleich. ob die ableitung an der stelle 0 existiert ist aber nun nicht trivial. aufgrund der ungleichheit der linksseitigen und rechtsseitigen ableitung kann man leider nicht schließen, dass dazwischen die ableitung auch nicht existiert. das schließt man allein daraus, dass der grenzwert des differenzenquotienten auch nicht existiert. (davon existiert auch eine linksseitige und rechtsseitige variante).

seifreundlich2 
Fragesteller
 26.01.2014, 17:25

So, hab' jetzt mal alles durchgelesen. Etwas sehr lange, aber es hat mir geholfen. Am besten fand ich die Zusammenfassung, da sie das Wichtigste wiedergibt. Vielen Dank.

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seifreundlich2 
Fragesteller
 13.02.2014, 20:49

Als hilfreichste Antwort zeichne ich die deinige aus, da du mir einen ausführlich erklärten - jedoch sehr langen und somit auch etwas komplizierten - Text geschrieben hast.

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jinlvxincheng  16.01.2019, 00:34

Aber in meisten Büchern z.B. "Höhere Mathematik in Rezepten" von Christian Karpfinger wird der Grenzwert einer Funktion so definiert:

Der Grenzwert von f in a: Gegeben sind eine Funktion f : D → W und zwei Elemente a, c ∈ R ∪ {±∞}. Man sagt: Die Funktion f : D → W hat in a den Grenzwert c, falls für jede Folge (an)n in D mit an ≠ a, die gegen a konvergiert, die Folge (f(an)) n gegen c konvergiert und schreibt dafür limx→a f(x) = c .

Mit dieser Definition (mit zusätzlicher Bedingung an ≠ a) gilt: Der Grenzwert existiert genau dann, wann beideseitige Grenzwerte existieren und übereinstimmen.

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Beim grenzwert ist es wie beim Highlander:
"ES KANN NUR EINEN GEBEN!!"

will sagen, alle Grenzwerte, ob links, rechts und gesamt , müssen gleich sein.
Ansonsten kannst du schlicht von DEM Grenzwert sprechen.
und nur mit DEM Grenzwert wird gearbeitet, in 99% der Fälle.

Stetigkeit? links und rechts Grenzwert müssen gleich sein, sonst klappts nicht.

Differenzierbarkeit? ebenso.

links und rechts müssen gleich sein, sonst existiert der grenzwert nicht und damit ist dene funktion an der stelle nicht stetig oder differenzierbar.

bspw:
f(x)=1, wenn x>=0
0 wenn x <0

für x->0 ist der linke grenzwert 0, der rechte grenzwert 1.
ergo sind sie nicht gleich und der grenzwert x->0 existiert nicht.
Demnahc ist es nicht stetig.

und nebenbei bemerkt dann auch nicht differenzierbar

seifreundlich2 
Fragesteller
 18.05.2019, 22:53

Danke für deine 6 Jahre verspätete Antwort ;-)

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seifreundlich2 
Fragesteller
 19.05.2019, 22:23
@berndao2

... zumindest nicht für die halbe Wahrheit...

Differenzierbarkeit ist nicht gleich stetigkeit. Stetig <= differenzierbar, aus A folgt aber nicht B.

Z.B. ist die Betragsfunktion F(x)=|x| zwar stetig in x=0, da l-lim f(x) = r-lim f(x), doch differenzierbar ist f(x) in x=0 trotzdem nicht, denn die Ableitung könnte an dieser Stelle sowohl -1 wie +1 sein.

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berndao2  20.05.2019, 09:38
@seifreundlich2

Wohl dem, der in der Lage ist, auch mal bei f'(x) und nicht nur bei f(x) erwähnten Grenzwert zu bilden...

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