Lebenslange Mobbingfolgen möglich?

21 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Clarasticious,

ich finde es beachtlich, dass Du die 10 Jahre Mobbing überhaupt überstanden hast und jetzt sogar Dein Abitur machst! Darauf kannst Du stolz sein! Manche hätten sich vielleicht schon längst umgebracht oder wären in tiefen Depressionen versunken.

Ich finde es toll, dass Du so hart an Dir arbeitest und nicht aufgibst! Es wäre allerdings unrealistisch zu glauben, dass die schlimme Zeit, die Du hinter Dir hast, ohne Folgen geblieben wäre. Du schreibst z.B. von Deinem niedrigen Selbstwertgefühl. Diesen Punkt möchte ich einmal aufgreifen und Dir ein paar Tipps an die Hand geben, wie Du Dein Selbstbewusstsein Stück für Stück aufbauen kannst.

Versuche doch einmal stärker Deine guten Eigenschaften und wertvollen Fähigkeiten zu sehen und wahrzunehmen! Vielleicht musst Du erst eine Weile nachdenken, um Deine Vorzüge zu entdecken. Doch ich bin mir sicher, dass es auch bei Dir ein paar Dinge gibt, die Dich zu einem besonderen Menschen machen!

Ein Schlüssel für ein größeres Selbstwertgefühl liegt auch darin, Dich selbst zu akzeptieren und anzunehmen. Könnte das vielleicht genau Dein Problem sein? Ein Schlüssel für ein größeres Selbstwertgefühl liegt auch darin, Dich selbst zu akzeptieren und anzunehmen.

Könnte das vielleicht genau Dein Problem sein? Könnte es sein, dass Du Dich öfter mal wegen Deines Aussehens, Deiner Leistungen oder Deiner Fähigkeiten kritisierst oder runter machst? Falls ja, dann tu das bitte nicht weiter! Selbstkritik kann zwar grundsätzlich hilfreich sein, doch wenn man wie Du wenig Selbstvertrauen hat, sollte man damit erst einmal sehr zurückhaltend sein.

Sich immer wieder selbst irgendwelche Vorwürfe zu machen, wirkt sich auf Dein Inneres zerstörerisch aus! Wie wäre es denn, wenn Du auf Deine Fehler vielmehr verständnisvoll und wohlwollend reagierst? Je mehr Du Dich auf Deine Stärken und guten Eigenschaften konzentrierst, desto mehr Selbstvertrauen wirst Du aufzubauen. Wenn Du aber mehr auf Deine Fehler und Unzulänglichkeiten schaust, entsteht mit der Zeit ein verzerrtes Selbstbild.

Sehr leicht kann es auch passieren, dass man sich durch andere verunsichern lässt. Wenn Dich daher jemand heruntermacht oder sonst wie respektlos behandelt, dann brauchst Du das nicht hinzunehmen. Du kannst Deinem Gegenüber in sachlichem aber bestimmtem Ton erklären, was Dir an seinem Verhalten nicht gefällt und was Du von ihm erwartest. So verlierst Du nicht so leicht Deine Selbstachtung!

Ein guter Schritt in Richtung zu mehr Selbstvertrauen wäre, wenn Du in Dir selbst, statt in anderen Sicherheit suchst. Ansonsten machst Du Dich allzu leicht von dem Urteil anderer abhängig. Warum sollte denn immer das stimmen, was andere sagen? Vergiss nicht: auch Deine Meinung zählt!

Besser wäre es, wenn Du lernst, auf Dein eigenes Können und auf Dein eigenes Urteilsvermögen zu vertrauen und Dich nicht von anderen verunsichern lässt! Damit übernimmst Du mehr Eigenverantwortung, was sich wiederum positiv auf Dein Selbstbewusstsein auswirken kann. Natürlich solltest Du für sachliche Kritik immer offen sein und diese als Möglichkeit sehen, Dich zu verbessern.

Manchmal legen es andere darauf an, Dich persönlich anzugreifen oder schlechtzumachen. Damit es Dich nicht in Deinem Inneren trifft, könntest Du das, was der andere sagt, als seine persönliche Meinung sehen. Und nur weil er seine Meinung äußert, muss er ja nicht Recht haben! Andere nehmen Dich wahrscheinlich ganz anders wahr.

Ein guter Tipp, um das Selbstbewusstsein zu stärken ist es, den Mut aufzubringen, auch einmal nein zu sagen. Man kann es unmöglich allen recht machen, ohne selbst dabei auf der Strecke zu bleiben! Außerdem macht man sich dadurch, dass man hin und wieder einen Wunsch abschlägt oder auf eine Forderung nicht eingeht, nicht unbedingt unbeliebt. Wenn Du grundsätzlich als ein hilfsbereiter Mensch bekannt bist, ändert auch ein zeitweiliges Nein überhaupt nichts daran!

Hier noch ein letzter Tipp: Auch Deine Körperhaltung bestimmt darüber, wie Du Dich innerlich fühlst. Gehe nicht gebeugt einher, sondern richte Dich auf! Dadurch strahlst Du Selbstbewusstsein auf andere aus, was Dir ein gutes Gefühl und mehr innere Sicherheit gibt.

Du siehst also, es gibt eine ganze Anzahl an Möglichkeiten, an seinem Selbstvertrauen gezielt zu arbeiten. Sei nicht entmutigt, wenn sich Fortschritte nicht so schnell einstellen, wie Du es Dir wünschst. Mehr Selbstvertrauen zu entwickeln gleicht einem Training, an dem man ausdauernd und hart arbeiten muss.

Falls Du an Gott glaubst, könnte Dir auch folgender Gedanke helfen: Gott hält Dich persönlich für wichtig! Ja, jeder Einzelne bedeutet ihm etwas und er nimmt sich gern derer an, die niedergeschlagen und bedrückt sind. Das wird an einigen Stellen in der Bibel sehr schön zum Ausdruck gebracht.

Hier sagt Gott selbst: "Ich wohne an dem hohen und heiligen Ort, aber auch bei den Zerschlagenen und im Geist Niedergedrückten, um den Geist der Niedergedrückten und das Herz der Zerschlagenen zu beleben“ (Jesaja 57:15). Tut es nicht gut, zu wissen, dass Gott für Menschen da ist, die niedergeschlagen und bedrückt sind? Außerdem kann es sehr erleichternd sein, Gott im Gebet alles zu sagen und sein Herz auszuschütten!

Ich wünsche Dir, dass es Dir gelingt, nach und nach mehr Selbstwertgefühl aufzubauen! Gib nicht auf, auch wenn es immer mal wieder Rückschläge gibt. Jede Entwicklung braucht Zeit, und je mehr Du lernst, in die richtige Richtung zu denken, umso besser wirst Du Dich fühlen!

LG Philipp

Philipp59  17.04.2021, 11:36

Vielen Dank für den Stern! :-)

LG Philipp

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Ich (m/17) bin in der 5. und 6. selber gemobbt worden, allerdings hat das bei mir nicht wirklich ernsthafte Folgen hinterlassen.

Aber an sich klar, Mobbing kann langfristige Folgen haben, also auch z.B. Panikattacken, Soziophobie (vor allem bei fremden Menschen), Depressionen, etc. Lebenslang leidet man, soweit ich weiß, nie an solchen Störungen, aber das hängt immer vom jeweiligen Fall ab. Wenn man diese Störungen nicht behandeln lässt, können die, wenn man Pech hat, auch schonmal mehr als 10 Jahre dauern.

Ich würde an deiner Stelle mal zu einem Psychologen damit gehen. Mobbing ist ne fiese Geschichte und einfach nur mal drüber reden führt da nicht immer zum Ziel. Auch solltest du, soweit es nicht ärztlich abgeklärt ist, die Finger von Stimmungsmitteln oder frei verkäuflichen Antidepressiva lassen, letzten Endes beeinflussen sie deine Psyche, was gewaltig nach hinten los gehen kann.

Also wie gesagt, mit einem Psychologen mal drüber reden, der kann dir da wahrscheinlich am besten helfen.

Hoffe ich konnte dir weiterhelfen, viel Glück :)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Clarasticious 
Fragesteller
 14.04.2021, 09:57

Ich glaube nicht dass ich mir da therapeutische Hilfe holen werde. Ich bin bei einer Beratungsstelle um die Sachen aufzuarbeiten, aber ich glaube man sollte selbst entscheiden wann man sich in ärztliche Hilfe begeben will und ob man das möchte, erst recht wenn man damit schlechte Erfahrungen gesammelt hat. Ich verstehe auch irgendwo nicht wieso ich in Therapie muss und als Psycho abgestempelt werde, obwohl ich die bin die unter den Attacken leiden musste.

Von Medikamenten lasse ich selbstverständlich die Finger

Vielen Dank für deine tolle und ausführliche Antwort

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Borddoktor  14.04.2021, 10:07
@Clarasticious

Na klar liegt das bei dir, ob du eine Therapie machen möchtest. Wenn du es lieber nicht möchtest, ist das komplett ok.

Aber nur weil du zu einem Psychologen gehst, bist du noch lange kein Psycho. Ich geh selber seit mehr als 1,5 Jahren zu einem und ich hab das auch persönlich noch nie von nem Freund oder nem Lehrer gehört.

Ich würde dir da einen Psychologen ans Herz legen, weil du geschrieben hast, dass du ein niedriges Selbstwertgefühl und Panikattacken hast. Mir gehts dabei nicht um die Symptome an sich, sondern um die Kombination von beiden. Denn diese Kombination trifft oft am Anfang einer depressiven Episode, bzw Depressionen auf, was eine psychische Hauptkrankheit ist. Bei mir hat es mehr oder weniger ähnlich angefangen, deswegen wäre ich da vorsichtig.

Ich will jetzt auch nicht den Teufel an die Wand malen, aber das einfach mal bei einem Psychologen abchecken zu lassen, ist da schon sinnvoll. Aber wie gesagt, wenn du das nicht möchtest, kann ich das auch komplett verstehen. Achte vlt nur mal darauf, wie sich das entwickelt :)

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Hallo Clarasticious

Dein Freund hat Unrecht. Mobbing kann man nicht einfach so wegstecken; die Folgen treten meistens sowieso erst im Erwachsenenalter auf, wenn die ursprüngliche Gewaltsituation längst nicht mehr besteht. Es ist wichtig, dass du dir therapeutische Hilfe holst, denn auch Freunde und Familie sind mit diesem Thema überfordert. Gut zu wissen ist, dass man trotz Mobbing ein erfolgreiches und erfülltes Leben führen kann. Beispiele sind Menschen, die viel mehr als gemobbt wurden, nämlich die Holocaust-Überlebenden, die jahrelang den grausamsten Schikanen ausgesetzt waren, all ihr Hab und Gut sowie ihre gesamte Familie im KZ verloren haben und nach ihrer Befreiung eigentlich nichts mehr hatten, wofür sie hätten leben wollen. Dennoch haben viele "es" geschafft, gewissermassen als Trotzreaktion, um ihren Peinigern zu zeigen, dass ihre Gewalt keine Macht über sie hatte. Gewalt lässt sich nur mit Liebe überwinden. Viele, wie z.B. Eva Kor, haben ihren Peinigern auch vergeben und auf diesem Weg zu einem erfüllten Leben gefunden. Es gibt viele Wege, die Vergangenheit zu bewältigen und es gibt Hilfe dafür. Du bist nicht allein und solltest, falls nötig, diese Hilfe in Anspruch nehmen.

Ich glaube an dich.

Hattest Du je eine nachhaltige Psychotherapie? Die dürfte notwendig bei Dir sein, damit Du Deine Ängste bewältigt bekommst.

Clarasticious 
Fragesteller
 14.04.2021, 09:25

ja, die hat alles nur noch schlimmer gemacht.

Aber um Therapie geht es hier nicht. Sondern darum ob Mobbing Langzeitfolgen möglich sind.

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X3CHO  14.04.2021, 09:27
@Clarasticious

Klar sind sie möglich. Deswegen auch der Tipp zur Psychotherapie, damit sich die Angst nicht immer mehr verfestigt. Man darf da nicht aufgeben, wenn mal der erste Versuch schiefging.

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Clarasticious 
Fragesteller
 14.04.2021, 09:29
@X3CHO

Naja also ich habe durch meine „Therapie“ 2 nachhaltige Störungen entwickelt. Ich glaube dass es meine Entscheidung ist ob ich mir Hilfe suche oder nicht. Ich wollte einfach nur wissen ob ich recht mit der These hab dass sowas Folgen haben kann. Danke für deine Antwort

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Turbomann  19.01.2022, 08:28
@Clarasticious

Du bist der Meinung, es geht hier in deinem Fall nicht um Therapien, vielleicht könntest du dich irren?

Warum wurdest du denn so lange gemobbt? Das konnte nur gelingen, weil du kein ausgeprägtes gutes Selbstbewusstsein hattest, warum auch immer, das bei dir nie wachsen konnte.

Nur schwache Menschen werden gemobbt, weil sie nicht die Kaft haben - aus welchen Gründen auch immer - sich von Anfang zu wehren. Vielleicht auch, weil sie noch wenig Menschenkenntnisse haben, um zu erkennen, wann Mobbing anfängt.

Es gab schon immer eine Art von Mobbing, da sagte maneben, dass Leute intrigien und andere schikanieren, aber heute hat man "feinere" Methoden, was auch durch das Umfeld, das Internet noch leichter möglicher wird.

Bei starken Menschen haben Mobber weniger Chancen, weil die sich wehren können und Mobber erkennen auch, wer schwach ist und wer nicht.

Wer Mobbing hinter sich hat, der braucht Hilfe, um sich ein starkes Selbstbewusstsein zu erarbeiten und eine Beratungsstelle kann hilferich sein, aber sie wird keine Therapie ersetzen, sondern sie kann nur Ratschläge geben und dir Anlaufstellen geben für die Hilfe..

In einer Therapie lernst du zu erkennen, warum Mobber überhaupt gerade Dich ausgesucht haben? Weil du damals zu schwach warst.

Eine Therapie kann aber nur erfolgreich sein, wenn man zulässt, dass man an die Sachen herangeht, die man bearbeiten muss,welche man vielleicht jahrelang verdrängt hat und d a n n, wenn man die Punkt erreicht, wo es weh tut, weil man sich dem stellen muss, d a n n hat eine Therapie Erfolg.

Mobbing kann man nie vergessen, aber wenn man erkennt, was man heute tun muss, damit einem das nie wieder passiert, dann kann man das "alte" Kapitel zumachen und dann wird es einem auch wieder besser gehen.

Mobbing hat so viele Nebenwirkungen, die sich tief in die Psyche eingraben,was dann auch sich mit körperlichen Symptomen zeigen kann.

Welche das sind, das kann man gut im Internet nachlesen. Solange man die Grundursache nicht behandelt, so lange werden auch die psychischen Probleme nicht verschwinden.

Deine Psyche und dein Körper, die arbeiten Hand in Hand und wenn eines gestört ist, funktioniert beides nicht. Wenn das dann jahrelang so geht und die psychischen Probleme, wie Panik, Ängste und und dann chronisch werden, dann ist es doppelt so schwer, dagegen was zu tun.

Nicht umsonst leiden viele unter Umständen ihr ganzes Leben unter Mobbing, dem sie ausgesetzt waren.

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TheKain  06.04.2022, 18:29
@Turbomann

Gemobbte Menschen sind nicht "schwach". Es kann jeden treffen.

Allerdings kann z.B. ein Freundeskreis helfen, Mobbing fernzuhalten. Mobber bevorzugen Menschen, die einen schlechten sozialen Anschluss haben - dafür reicht bereits ein Umzug in einen anderen Stadtteil.

Gemobbt und angefeindet werden Menschen, wenn sie wenige soziale Kontakte haben, ein schlechtes Umfeld oder nicht den Anforderungen anderer Menschen entsprechen, aus welchen Gründen auch immer. Es liegt hier, das muss ich ganz klar und deutlich kommunizieren, nicht an mutmaßlichen Schwächen, welche Gemobbten angedichtet werden. Das ist ein ganz wichtiger Fakt. Eine Schuldzuweisungen wegen eines angeblich schlechten Selbstwertgefühls ist Victim-Bashing - also nicht nur falsch, sonden absolut schädlich und ineffizient in der Rehabilitation der psychischen Gesundheit.

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kali01  07.04.2022, 09:00
@TheKain

Das hast du sehr gut beschrieben. Wurde selber jahrelang in der Schule gemobbt und ich bin mit Sicherheit kein schwacher Mensch. Es ist einfach fernab der Realität zu glauben, dass sich eine einzelne Person gegen die Täter und zahlreiche Mitläufer wehren kann, während das restliche Umfeld von Mitschülern und Lehrern nur tatenlos zusieht oder das ganze sogar noch befeuert.

Es liegt immer am sozialen Umfeld, ob solche Mobbingkonstellationen begünstigt werden. Würden Lehrkräfte sofort durchgreifen gegenüber den Tätern und die Mitschüler sich solidarisch gegenüber Betroffenen zeigen, würde es nicht über Jahre hinweg regelmäßig zu Schikanen kommen. Niemand schafft es da alleine raus, das hat nichts mit Schwäche zu tun.

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Du bist eine unglaublich starke Person wirklich. Du hast meinen tiefsten Respekt. Viele hätten sich schon längst umgebracht. Ich bin "nur" ein Jahr lang gemobbt worden, kaum körperlich und nach über 8 Jahren belastet es mich noch immer schwer.

Natürlich sind lebenslange Folgen möglich, ich denke die meisten Leute die gemobbt worden sind haben das. Ich kenne Menschen, die wären vielleicht komplett anders wenn sie nicht gemobbt worden wären. Ich kenne welche, die wirklich böse und selbst zu Mobbern wurden.

Jedenfalls bist du unfassbar stark, dass du stetig an diesen Sachen arbeitetest! Vielleicht solltest du dir psychologische Hilfe suchen, um es komplett zu bewältigen.

Liebe Grüße 💓