Könnte es sein, dass antiautoritäre Erziehung falsch ist?

29 Antworten

Ich würde sagen, du siehst ziemlich schwarz.

Ich für meinen Teil beobachte eher eine zunehmende Strenge bei jungen, überforderten Eltern. Eine Entwicklung, die mir Sorgen bereitet.

Ich persönlich bin eher anti-autoritär erzogen worden. Es gab durchaus Regeln und manchmal auch Ärger, aber im Großen und Ganzen hatten wir viele Freiheiten. Wir mussten z.B. auch nie im Haushalt helfen, weil das waren Erwachsenen-Sachen und wir mussten nur Kinder-Sachen machen.

Ich konnte mich mit meinem Bruder nahezu ständig verkleiden, wir haben sehr viel Fernsehen geschaut, waren aber auch sehr viel draußen und es gab eigentlich nie eine feste Uhrzeit. Wir mussten halt rein, wenn wir gerufen wurden.

Heutige politisch-korrekte junge Eltern würden Schnappatmung kriegen, aber wir haben mit Spielzeug-Gewehren gespielt, wir haben Indianer am Marterpfahl gespielt, wir haben afrikanische Ur-Einwohner gespielt, Ritter, Cowboy, Eskimo, usw.

Wenn ich mit meinem Opa in der Badewanne war, hat der mehr Überschwemmung gemacht als ich und er hat mit mir Sauf-Lieder gesungen.

Und heute studiere ich Theologie.

Ich sehe das Problem weniger in der Erziehungsmethode an sich, sondern darin, dass viele Eltern heute keine Zeit mehr für die Kinder haben. Natürlich ist Feminismus wichtig, aber es hat auch große Veränderungen in der Erziehung mit sich gebracht, die natürlich ihre Lücken hinterlassen haben. Kinder sind heute schon früh auf sich allein gestellt.

Aber mit Strenge, Strafen und Prügel wurde noch kein Kind gut erzogen. Liebe ist das Stichwort.

Im Gegenteil, meiner Meinung nach haben wir keine antiautoritäre Erziehung.

In der Schule lernen wir neoliberale Ideen, außer vielleicht im Philosophieunterricht wird die Macht des Staats nicht hinterfragt oder angezweifelt, und ständig ist man mit der Autorität der Eltern konfrontiert, was meist mit (in-)direkten Drohungen einhergeht, sprich: Noten, Briefe bei "schlechtem Benehmen", und bei sonstigen Verfehlungen.

Dass man der Oma erklärt, dass PoC Menschen sind, auch wenn sie nicht dieselbe Hautfarbe haben, hat nix mit antiautoritärer Erziehung zu tun.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Post-Linker Anti-Ziv Anarchist, lese mir gerne Wissen an.

Ich bin da ganz deiner Meinung, die meisten Kinder sind falsch bzw. gar nicht erzogen. Man darf sich daher auch nicht wundern dass lauter lebensunfähige Menschen rum laufen, leider geben sie dies auch wieder so an ihre Kinder weiter. Kinder die keine Rücksicht kennen keinen Respekt vor irgendwem oder irgendwas.Mit antiautorosierter Erziehung hat es begonnen.Das Ergenis ist erschreckend.

Autoritär wird fast immer gleich gesetzt mit "autokrativ".
Also despotisch, unterdrückend.
Dabei ist das Gegenteil richtig.
Eine "autoritäre" Erziehung beginnt IMMER bei dem Erzieher selbst.
Dieser wird niemals von seinem Kind, seinem "Trainee" oder seinem Schüler etwas erwarten, was er nicht selbst, aufgrund seiner Lebenserfahrung als positiv und gewinnbringend erfahren hat

Eine autoritäre Erziehung setzt Grenzen um dich in der Lernphase vor dich selbst zu schützen. Danach wird sie dich unterstützen, deine Grenzen selbst zu definieren.

Eine autokravite Erziehung setzt Grenzen um sich selbst zu schützen. Diese ist gar nicht an deiner Persönlichkeitsentwicklung interessiert.

Du darfst versichert sein, dass die Großelterngenerationen auch genug Menschen hatte, die tief verzweifelt waren. Aber da gab es noch nicht den "Tabubruch" von heute, auch darüber zu reden.

Es liegt nicht immer nur an lascher Erziehung, wenn Männer, Frauen und Kinder seelische Ausnahmezustände erlangen. Vielleicht beliest du dich mal zu den vielen möglichen Ursachen und Auslösern.

Was die Erziehung nun im Einzelnen angeht, vertrete ich die Meinung, dass weder ein zu streng, noch ein alles erlauben und durchgehen lassen zum Ziel führen.

Ich selbst war bspweise das sogenante Sandwichkind in meiner Familie und noch dazu das Vorzeigekind meiner Eltern. Was mir immer wieder sehr viel Druck gemacht hat. Viele Dinge, die für andere Kinder und auch deren Eltern normal waren, waren es für mich nicht. Und das beeinflusste meine Persönlichkeit sehr stark und das nicht zum Positiven.

Als junge Frau und Mutter wurde ich schwerst depressiv. Und die Gründe lagen nicht nur in der Lieblosigkeit meines Ex. Die Anfänge wurden in meinem Elternhaus gelegt, weil ich absolut angepasst erzogen wurde, ein Nein oder Widerworte von mir nicht gekannt wurden und ich immer das Gefühl hatte, nur wenn ich immer ganz lieb bin, werde ich auch geliebt. Sprich, das berühmte "funktionieren".

Mir ist das alles massiv auf die Füße gefallen. Meine eigenen Kinder habe ich freier erzogen. Und sie wussten und wissen das auch zu schätzen. Klare Regeln gab es bei mir trotzdem, ohne die geht es nicht in Familien. Aber Eltern sollten aus meiner Sicht nie vergessen, dass ihre Kinder auch eigene Persönlichkeiten mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen sind.

Erziehung bedeutet nicht Befehlsinhaber und Befehlsempfänger, auch nicht "du kannst machen, was du willst und bekommst zentnerweise Zucker in den Arsch geblasen". Erziehung bedeutet in erster Linie Liebe zum Kind, es mit klarer Linie ins Leben zu führen, es eigene Fehler machen zu lassen, seine Neugier zu wecken, seine Talente und Gaben zu erkennen und zu fördern und auch Konsequenzen aufzuzeigen.

Und Eltern sollten auch fähig sein zuzugeben, wenn sie mal falsch gehandelt haben. Keiner wird als Eltern geboren. Fehler machen alle mal. Das selbstkritische Hinterfragen und Erkennen hilft oft weiter bei Problemen.

Meine Eltern haben damals vielleicht gedacht, mir einen Gefallen zu tun, aber der Schuss ging nach hinten los. Und es fiel ihnen sehr schwer, das einzusehen. Zum Teil fällt es meiner Mutter bis heute schwer. Meine Kindheit war nicht insgesamt schlecht, ich habe auch viele schöne Erinnerungen. Aber gewisse Dinge an meiner persönlichen Erziehung haben mir sehr geschadet.

Deshalb meine eindringliche Bitte bei solchen Worten:

Jeder Dritte scheint heute depressiv zu sein oder dem Burnout nah oder ritzt sich, viele sind hyperempfindlich, sind SOFORT empört, verletzt, gemobbt und benachteiligt aus deren Sicht.

Ehe man darüber urteilt, erst mal die Geschichte dahinter anhören und den Menschen, die sie erzählen, dabei in die Augen schauen und auf deren Stimme hören. Dann werden viele Zusammenhänge plötzlich so klar wie ein wolkenloser Himmel.

Kuhlmann26  23.04.2021, 08:05
Erziehung bedeutet in erster Linie Liebe zum Kind

Ich glaube, genau das bedeutet sie nicht. Liebe zum Kind ist erst dann Liebe, wenn sie bedingungslos ist und nicht an ein bestimmtes Verhalten geknüpft wird.

Beispielsweise steht in allen Schulgesetzen etwas von Erziehung. Es bedeutet aber nicht Liebe, sondern Anpassung. Es bedeutet, die Erwartungen anderer Menschen erfüllen zu müssen. Man hat die Erziehung zwar von physischer Gewalt befreit, die psychische Gewalt aber verstärkt.

Es gibt seltsame Vorstellungen in der Schule. Man will Kinder beispielsweise zur Selbstständigkeit erziehen. Selbstständig wird man dann, wenn man ständig man selbst sein darf. Genau das darf man aber in der Schule auf gar keinen Fall. Man hat sein Verhalten an Klingelzeichen auszurichten und an Aufgabenstellungen, die einem von anderen Personen unaufgefordert vor die Nase gehalten werden.
Wenn man Menschen zur Selbstständigkeit erziehen wollte (was für ein Widerspruch!), würde man sie beispielsweise nicht mit Hausaufgaben belästigen, mit denen sie auch nach der Unterrichtszeit noch vom Selbstständigsein abgehalten werden.

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Niyaha22  23.04.2021, 08:15
@Kuhlmann26

Es gibt keine bedingungslose Liebe. Niemand ist Mutter Teresa, selbst Mutter Teresa war es nicht.

Und Erziehung zur Selbstständigkeit bedeutet nicht, alles, was einem nicht passt, zu verweigern. Hausaufgaben dienen der Festigung des Schulstoffes, so sinnbefreit er auch oft ist.

Man sollte Kindern mehr zutrauen, DAS verstehe ich unter Erziehung zur Selbstständigkeit. Sie müssen selbst ihre Erfahrungen machen dürfen.

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Kuhlmann26  23.04.2021, 08:25
@Niyaha22
Sie müssen selbst ihre Erfahrungen machen  dürfen.

Aber das können sie doch nur, wenn sie nicht ständig mit irgendwelchen Forderungen belästigt werden, wenn nicht ständig an ihnen gezogen wird.

Ist es tatsächlich Deine Erfahrung, dass Hausaufgaben der Festigung des Schulstoffes dienen? Und was ist am Schulstoff so wichtig, dass es seiner Festigung bedarf?
Man müsste sich um die Festigung bestimmten Wissens überhaupt keine Gedanken machen, wenn jeder selbst entscheiden dürfte, wann welches Wissen wichtig ist.

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Niyaha22  23.04.2021, 08:41
@Kuhlmann26

Eigene Erfahrungen machen dürfen schließt nie aus, sich auch gewissen anderen Dingen zu stellen. Man ist ja nicht alleine auf der Welt. Einordnen heißt das Zauberwort.

Und ja, gewisse Schulaufgaben dienen der Festigung. Erstklässler zum Beispiel lernen lesen, rechnen und schreiben. Und was sie zuhause nochmal wiederholen, ganz in Ruhe vor allen Dingen, können sie auch schneller im Wissen festsetzen.

Der Sinn des Schulstoffes im Allgemeinen ist wieder eine andere Frage. Nicht jeder interessiert sich in den höheren Klassen für alles. Mir waren bspweise höhere Mathematik, Chemie oder Physik immer Bücher mit 10 Siegeln. Meine Interessen lagen im Deutschen. Da wäre es sicher besser, nach Interessen zu beschulen und nicht nur steif nach Lehrplan.

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