Wie kann man die interpretieren?

2 Antworten

Die Karikatur ist im Original in der in Paris erscheinenden französischen satirischen Zeitschrift „Le Charivari“ am 25. Juli 1870 in einem mit der Überschrift „Actualités“ versehenen Teil erschienen (S. 160). Der Karikatur ist Amédée Charles Henri de Noé, der den Künstlernamen Cham führte.

https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k30532863/f3.item

Die französische Bildunterschrift heißt „- O mon bonhomme, cette fois tu trouveras des arètes!“ (wörtlich ungefähr: „Oh mein guter Mann, diesmal wirst du jemanden/etwas finden, der/das dich aufhält/zum Halten bringt!“). Dies ist auf der Abbildung in der Frage frei/sinngemäß überragen wiedergegeben worden: „Diesmal wirst du ein Haar darin finden.“ Die Redensart „ein Haar in der Suppe finden“ bedeutet, etwas Schlechtes/Nachteiliges/Unangenehmes finden.

Deutung

Die Intention ist gegen Preußen und Bismarck als Vertreter preußischer Machtpolitik mit Ausdehnung des Machtbereichs gerichtet.

Der Deutsch-Französische Krieg von 1870 - 1871 war am 19. Juli 1870 mit der Kriegserklärung Frankreichs an Preußen ausgebrochen. Die Karikatur ist wenige Tage danach erschienen. Große Schlachten hatte es noch nicht gegeben.

Von einem französischen Standpunkt aus wird die Politik Preußens seit den letzten Jahren (spätestens seit 1866) als aggressiv beurteilt, Frankreich in einer sich zur Wehr setzenden Verteidigungsposition gesehen und einer Erwartung Ausdruck gegeben, Frankreich werde sich (anders als Österreich 1866) nicht leicht von Preußen besiegen lassen und kein gleichsam leicht zu verspeisendes Opfer sein.

Bismarck, mit der Pickelhaube (»Helm mit Spitze») als Vertreter Preußens gekennzeichnet, sitzt in einem Anzug auf einem Stuhl an einem Tisch. Er hat eine Serviette umgebunden und hält Messer und Gabel in den Hände. Mit rollenden Augen und leicht geöffnetem Mund schaut er auf Figur eines französischen Soldaten, die auf dem Teller steht und ein Gewehr gegen ihn richtet. Sein Weinglas hat die Aufschrift „Sadowa“. In der Nähe des Ortes Sadowa (tschechisch: Sadová) hat die Entscheidungsschlacht im Krieg zwischen Preußen und Verbündeten gegen Österreich und Verbündete am 3. Juli 1866 stattgefunden. Die deutsche Bezeichnung ist Schlacht bei Königgrätz, die französische La bataille de Sadowa. Der schnelle preußische Sieg in diesem Krieg wurde von französischer Seite als politische Niederlage empfunden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_gefl%C3%BCgelter_Worte/R#Rache_f%C3%BCr_Sadowa!

„Rache für Sadowa!“ (frz. „Revanche pour Sadowa!“) forderte die französische Öffentlichkeit ab 1866, nachdem Preußen in der Entscheidungsschlacht des Deutschen Krieges, die zwischen den böhmischen Dörfern Sadová und Königgrätz ausgetragen worden war, die Armeen der Österreicher und Sachsen vernichtend geschlagen hatte. Frankreich konnte nicht mehr in den Krieg eingreifen, da Preußen schnell Frieden schloss, statt die günstige Situation für Eroberungen auszunutzen. Die Tatsache, dass sich nach Sadowa anstelle der gewohnten deutschen Zersplitterung mit dem Norddeutschen Bund ein mächtiger, geeinter Nachbar unter preußischer Vormachtstellung bildete, wurde von den Franzosen als ein preußischer Sieg über Frankreich angesehen, der zwar auf dem Rücken der Österreicher ausgetragen wurde, aber für die Grande Nation eine „blutige Demütigung und beispiellose Erniedrigung in unserer (d. h. der französischen) Geschichte“[1] sei.“

Das Glas ist für Bismarck eine Erinnerung an einen Sieg.

Bismarck erscheint wie ein Kannibale (Menschenfresser) und wirkt aggressiv, gierig und bedrohlich, aber auch beeindruckt vom zu erwartenden Widerstand.

https://www.dfi.de/pdf-Dateien/Ausstellung/KatalogDmini.pdf

Erbfeinde, Erbfreunde : die deutsch-französischen Beziehungen zwischen 1870 und 1945 im Spiegel zeitgenössischer Literatur ; eine Ausstellung des Deutsch-Französischen Instituts, Ludwigsburg. Redaktion des Katalogs: Franziska Lay, Sebastian Nix. Texte: Franziska Lay (Mitwirkung: Sebastian Nix. DFI, Deutsch-Französisches Institut. Dr.-Karl-Eisele-&-Elisabeth-Eisele-Stiftung. Ludwigsburg : DFI, 2007, S. 18:

„So wird Bismarck in der französischen Zeitschrift „Le Charivari“ vom Juli 1870 als Menschenfresser dargestellt. Bismarck, unschwer erkennbar an der preußischen Pickelhaube, sitzt mit einer Serviette um den Hals und einer Gabel in der Hand vor einem gedeckten Tisch. Vor ihm steht ein Teller mit einem französischen Krieger, der ein Gewehr auf Bismarck richtet, dazu ein Weinglas mit der Aufschrift „Sadowa“. Damit wird auf einen Sieg preußischer Truppen bei Sadowa im preußisch-österreichischen Krieg von 1866 angespielt. Dieser Sieg wurde zunächst von der französischen öffentlichen Meinung akzeptiert, später dann aber zunehmend als Beleg für den rapiden preußischen Machtzuwachs angesehen. Im deutsch-französischen Krieg dagegen soll, so der Karikaturist, Bismarck „ein Haar in der Suppe finden“. Die Botschaft der Karikatur lautet also: Frankreich wird sich den Preußen nicht so leicht geschlagen geben wie wenige Jahre zuvor die österreichischen Truppen.“

Antideutsche, Karikatur. Bismarck gefräßig und aggressiv, wohl nach den siegreichen Kriegen gegen Dänemark und Österreich und vor dem Krieg gegen Frankreich. Frankreichs Gewehr wird ein gefährliches "Haar", d.h. Bismarck/Deutschland werden scheitern an Frankreichs militärischer Macht.