Ist Philosophieren sinnlos?

9 Antworten

Ich bezweifle, dass die großen Denker der Antike nichts anders taten als zu philosophieren.

Sie dürften in aller Regel recht vermögend gewesen sein, waren aber ganz sicher recht gebildet (was allein schon beweist, dass sie eher in großen Villen umgeben von guten Lehrern und vielen Sklaven aufgewachsen sein müssen denn in kleinen Verhältnissen).

Sie waren die ersten Wissenschaftler, die es gab (weswegen wir nicht zuletzt auch ihnen unseren heutigen Lebensstandard verdanken -- und das allein schon zeigt, wie nützlich ihr Philosophieren letztlich war).

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Du liegst da falsch. Was ist philosophieren anderes als sich Gedanken zu machen über die Welt und die Menschheit? Manche der Gedanken mögen vielleicht auf Irrtümern beruhen, das ist aber kein Grund abschätzig von ihnen zu denken. Wenn wir auf sie herabblicken, dann ist das nur möglich, weil wir auf ihren Schultern stehen.

Unsere Wissenschaft und die ganze Zivilisation ist auf Gedanken frühzeitlicher Philosophen aufgebaut. Es gibt keinen Grund, ihre Denktätigkeit für sinnlos zu halten.

Auch jetzt ist Philosophieren nicht sinnlos. Wir haben zwar massenhaft Experten, die sich in Teilgebieten gut auskennen, aber es braucht auch Menschen mit Überblick, die bemerken, wohin die ganze Maschinerie läuft.

Die Menschen hatten schon immer den Drang, die nicht immer augenscheinlichen Phänomene um sie herum irgendwie zu erklären. Sie haben es auf dem jeweiligen Stand ihrer kulturellen Möglichkeiten getan. Das gilt bis heute. Wenn wir keine Fragen mehr zu uns selbst, unserem Zusammenleben und zur Welt haben, wird auch das Philosophieren wie die ganze Wissenschaft aufhören. Ich fürchte aber, dass wir nie an diesen Punkt kommen.

Wenn man z.B. in dem Buch "Wirtschaftshistorische Studien" den Beitrag von Karl Hardach über die Verhältnisse zur Zeit Epikurs liest, muss man viel Phantasie aufbringen, um sich das vorzustellen. Nichts von alledem, was heute unser Leben ausmacht, gab es, nicht mal fließendes Wasser. Im Sommer war die Milch sauer, bis sie mit primitiven Fuhrwerken nach Athen kam. Kein Strom, also auch keinen Kühlschrank, kein Radio und TV usw.. Es gab einfache Elementarschulen. Reiche Leute engagierten für ihre Söhne Privatlehrer, die ihren Lebensunterhalt auch als Philosophen, Unterhalter und Diskussionsredner verdienten. Manche Philosophen waren selbst reich: Platon war Adliger und besaß große Güter. Der Bekannteste ist Marc Aurel, der war römischer Kaiser und hat z.B. Regensburg als röm. Militärlager gegründet.

Es war alles viel, viel einfacher und das Geldwesen war noch nicht sehr verbreitet. Vieles wurde noch mit Naturalien "bezahlt" - z.B. Sokrates bei seinen reichen Schülern zum Essen eingeladen. Da konnte er auch gleichzeitig für Unterhaltung sorgen. Aristoteles selbst war ja als Erzieher engagiert für Alexander den Großen. Seneca übrigens für Nero. Das war noch bis in die klassische Goethezeit so, dass sich Philosophen und Theologen und Rechtsgelehrte als Hauslehrer begüterter Leute und Fürsten ihren Lebensunterhalt verdienten.

Die Sophisten - so wird berichtet - (Sokrates war ja einer davon) - waren die ersten, die systematisch ihre Dienste als Unterhalter und Lehrer und Problemlöser anboten. Was das reale Leben angeht sind die Berichte von Xenophon über Sokrates viel interessanter als die kunstvollen Dialoge des Platon. Da erfährt man, dass Sokrates dem Archedemos geraten hat, eine Anwaltskanzlei aufzumachen, die systematisch Falschbeschuldiger kaltstellte. Damit beriet er auch den reichen Kriton, wie er sich vor falschen Anklägern schützen könne. Heute nennt man das Lebens- und Unternehmensberater. Sokrates war Problemlöser und Schlichter von Familienstreit. Er riet zum Zusammenhalt der Familie und zu Freundschaftskreisen. Denn das war damals die einzige Versicherung gegen Schicksalsschläge.

Als erste Philosophenschulen sind die Akademie Platons und der Peripathos des Aristoteles. In Nachbarschaft zur Akadem lag der Garten, die Schule Epikurs und mitten in Athen die Stoa. Aus diesen vier Schulen entwickelten sich so etwas wie private Hochschulen. Cicero z.B. hat an der Akademie in Athen studiert. Die hatten Niederlassungen in vielen Großstädten wie Rom, Alexandria, Ephesus, Karthago, Antiochia und vielen anderen. Ein wichtiges Hauptfach war immer Rhetorik und die Analyse der klassischen Schriften des Homer. Von Aristoteles und Epikur ist bekannt, dass sie systematisch begannen, wissenschaftliches Forschen zu entwickeln. Eigenständig hatte sich die Medizin entwickelt und viele Philosophen waren Mediziner oder auch Mathematiker. Darum nennt man auch die Philosophie die Mutter der Wissenschaften. Heute scheint es der Philosophie eher zuzuwachsen, eine Gesamtweltsicht zu erstellen aus den zersplitterten wissenschaftlichen Einzelerkenntnissen.

Die Philosophie stellt Modelle auf, die die großen Fragen der Menschheit beantworten sollen, mit der Gewissheit, dass niemals eine endgültige Lösung auf philosophischem Weg gefunden werden kann.

Die Philosophie benennt die Regeln, die zum Ziehen gültiger Schlüsse notwendig sind.

Die Ethik als Teilgebiet der Philosophie nimmt Weltpolitik eine praktische, beratende Rolle ein. Gerade in der heutigen Zeit wandert das Gewicht zur Disziplin Ethik, weil sie durch sich neu eröffnende Felder immer wichtiger zu werden scheint. (Kampfdrohnen, Neurologie, Genetik, Rechte Homosexueller, Globalisierung, ...)

Philosophie ist die Basis aller Wissenschaften, deswegen müsste man automatisch die ganze Wissenschaft als sinnlos betrachten, wenn man Philosophie für sinnlos hält.

Ich kenne die Werke von Aristoteles und Co nicht, deswegen kann ich nicht sagen inwiefern sie etwas "für die Menschheit geleistet haben", aber deswegen ist nicht automatisch Philosophie allgemein nutzlos.