Ist Freiheit die Einsicht in die Notwendigkeit?

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Die Frage erinnert mich an ein Zitat der Philosophie von Karl Marx aus dem Geschichts- oder Staatsbürgerkundeunterricht meiner Schulzeit in der ehemaligen DDR: "Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit."
Doch: "Marx ist Murks!" kann ich nicht uneingeschränkt zustimmen.
Unter Freiheit verstehe ich für mich alles zu tun oder zu unterlassen, was ich im Ergebnis meiner individuellen Willensbildung vor habe. Doch leider stelle ich fest, völlig unfrei zu sein (und das sogar noch nach dem Ende der DDR als dem Hort der Unfreiheit und einem Teil des "Reiches des Bösen":-)!
1. Die individuelle Willensbildung ist beschränkt durch Gesetze in Staat und Gesellschaft (Recht und Gerechtigkeit). Wirkung mittelbar: Was darf ich?
2. Etwas zu tun oder zu unterlassen wird durch Naturgesetze eingeschränkt (dazu zähle ich auch, eine verschlossene Gefängniszelle nicht zu verlassen). Wirkung unmittelbar: Was kann ich?
Nur im Rahmen der verbleibenden Möglichkeiten die sich aus den Notwendigkeiten aus 1. und aus 2. ergeben und deren Einsicht kann ich und jeder andere frei sein. Insofern stimme ich dem Zitat zu.
Wegen der Notwendigkeiten aus 2. wird sich wohl niemand unfrei fühlen. Verbleibt noch die Uneinsichtigkeit wegen der Beschränkungen aus 1.
Staatliche Gesetze unterliegen in einer Demokratie der Willensbildung des Volkes, siehe Art. 21 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Das Ergebnis wird allerdings nicht genau mit der individuellen Willensbildung übereinstimmen. Und trotzdem reklamier(t)en beide deutschen Staaten die Freiheit für sich und warfen den anderen die Unfreiheit vor.
Daher wird es immer Leute geben, die sich aus Mangel an Einsicht unfrei fühlen, egal wo, egal wann. Die Frage nach der Freiheit ist also eine politische!

Gorbalock  15.08.2017, 09:19

Sorry, aber das Zitat "Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit" stammt ursprünglich von Hegel und wurde dann von Engels und nicht Marx aufgegriffen:)

Liebe Grüße

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„Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit.“ ist ein Zitat von Hegel.

Und Engels schrieb dazu:

»Blind ist die Notwendigkeit nur, insofern dieselbe nicht begriffen wird.« 

"Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen. Es gilt dies mit Beziehung sowohl auf die Gesetze der äußeren Natur, wie auf diejenigen, welche das körperliche und geistige Dasein des Menschen selbst regeln - zwei Klassen von Gesetzen, die wir höchstens in der Vorstellung, nicht aber in der Wirklichkeit voneinander trennen können. Freiheit des Willens heißt daher nichts andres als die Fähigkeit, mit Sachkenntnis entscheiden zu können (also nicht, wie es hier diverse Apologeten dieser "freiheitlichen Demokratie" behaupten)  Je freier also das Urteil eines Menschen in Beziehung auf einen bestimmten Fragepunkt ist, mit desto größerer Notwendigkeit wird der Inhalt dieses Urteils bestimmt sein; während die auf Unkenntnis beruhende Unsicherheit, die zwischen vielen verschiednen und widersprechenden Entscheidungsmöglichkeiten scheinbar willkürlich wählt, eben dadurch ihre Unfreiheit beweist, ihr Beherrschtsein von dem Gegenstande, den sie grade beherrschen sollte. Freiheit besteht also in der auf Erkenntnis der Naturnotwendigkeiten gegründeten Herrschaft über uns selbst und über die äußere Natur; sie ist damit notwendig ein Produkt der geschichtlichen Entwicklung (und nicht einer Gesetzgebung eines angeblich freiheitlich-demokratischen Staates!)  Die ersten, sich vom Tierreich sondernden Menschen waren in allem Wesentlichen so unfrei wie die Tiere selbst; aber jeder Fortschritt in der Kultur war ein Schritt zur Freiheit. An der Schwelle der Menschheitsgeschichte steht die Entdeckung der Verwandlung von mechanischer Bewegung in Wärme: die Erzeugung des Reibfeuers; am Abschluß der bisherigen Entwicklung steht die Entdeckung der Verwandlung von Wärme in mechanische Bewegung: die Dampfmaschine. - Und trotz der riesigen befreienden Umwälzung, die die Dampfmaschine in der gesellschaftlichen Weit vollzieht - sie ist noch nicht halb vollendet -, ist es doch unzweifelhaft, daß das Reibfeuer sie an weltbefreiender Wirkung noch übertrifft. Denn das Reibfeuer gab dem Menschen zum erstenmal die Herrschaft über eine Naturkraft und trennte ihn damit endgültig vom Tierreich. Die Dampfmaschine wird nie einen so gewaltigen Sprung in der Menschheitsentwicklung zustande bringen, so sehr sie uns auch als Repräsentantin aller jener, an sie sich anlehnenden gewaltigen Produktivkräfte gilt, mit deren Hülfe allein ein Gesellschaftszustand ermöglicht wird, worin es keine Klassenunterschiede, keine Sorgen um die individuellen Existenzmittel mehr gibt, und worin von wirklicher menschlicher Freiheit, von einer Existenz in Harmonie mit den erkannten Naturgesetzen, zum ersten mal die Rede seinkann.“ (Friedrich Engels, Anti-Dühring, MEW 22, 106).

„Die Freiheit besteht darin, den Staat aus einem der Gesellschaft übergeordneten in ein ihr völlig untergeordnetes Organ zu verwandeln, und auch heute sind die Staatsformen freier oder unfreier in dem Maß, worin sie die Freiheit des Staates beschränken.“ (K. Marx, MEW 19, 27)

„... jetzt können wir die ganze Richtigkeit der Bemerkungen von Engels einschätzen, in denen er unerbittlich die Verbindung der Wörter 'Freiheit' und 'Staat' als unsinnig verspottete. Solange es einen Staat gibt, gibt es keine Freiheit. Wenn es Freiheit geben wird, wird es keinen Staat geben.“ (W.I. Lenin, LW 25, 393ff.)

„Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei - mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der 'Gerechtigkeit', sondern weil all das Belehrende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die 'Freiheit' zum Privilegium wird.“ (Rosa Luxemburg, "Die russische Revolution. Eine kritische Würdigung", Berlin 1920, S. 109)

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Besser kann man diesen hier allenthalben anzutreffenden Schwachsinn hinsichtlich "Freiheit" nicht beantworten!

PeVau  28.09.2015, 19:44

Ich hoffe, die Frage und diese Antwort überleben. Hervorragend!

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Umgekehrt wird´s eher richtig. (Unfreiheit ...)

Wir haben die Freiheit, zu denken was wir wollen. Nur beim Tun gibt es Einschränkungen durch die Naturgesetze, durch die staatlichen Gesetze, durch Anstandsregeln.

Es gibt Menschen die das auch so sehen und sich dagegen nicht auflehnen, sich den höheren Gewalten beugen.

Andere rebellieren gegen alles und jedes, meistens aus Prinzip. Sie sehen oder wollen die Notwendigkeit nicht sehen.


Nein, Freiheit ist nur ein Trugschluss.