Ist das Erzählen von Halbwahrheiten als neutrale Person in Ordnung im Sinne der Diplomatie zwischen zwei emotional aufgeladenen Personen/Gruppen?
Manchmal steht man ja zwischen den Stühlen und weiß von beiden Seiten irgendwie ein bisschen was...
Findet ihr es in der Situation ethisch/moralisch vertretbar der einen Seite lediglich eine Halbwahrheit über die Gefühlswelt der anderen zu erzählen, um es der einen Seite zu erklären, sie aber gleichzeitig nicht zu verletzen, oder neue Konflikte zu schüren? (Angenommen, es wäre für die erste Seite in Ordnung überhaupt darüber zu sprechen).
Wäre man dann noch neutral?
Zu welcher der beiden Seiten wäre man mit so einem Verhalten unfairer? Der, die man damit indirekt anlügt, oder der, über die man indirekt lügt?
Bitte lasst in eurer Betrachtung die Möglichkeit, sich dieser Situationen einfach zu entziehen außer acht, ebenso die wenig diplomatische Reaktion, die ich vorziehen würde, nämlich beiden einfach meine Meinung vor den Latz zu knallen und ihnen zu sagen, dass sie das gefälligst klären und mich da nicht mit reinziehen sollen :-D.
Lasst auch bitte einfach außer Acht, wie unfair solche Situationen für die Person zwischen den Stühlen ist :-).
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Da ich aus Erfahrung weiß, dass solche ethisch-theoretischen Fragen oft schwer verständlich sind, einfach mal ein Praxisbeispiel:
Mutter fühlt sich von Vater verletzt, ist stinksauer und erwägt eine Scheidung, ärgert sich in dem Zuge aber auch über andere Verhaltensweise des Vaters - und ist dabei vielleicht unfair und sagt ebenso verletzende Dinge.
Vater versteht es nicht, sieht vielleicht die Situation seinerseits völlig anders, oder als nicht wirklich wichtig an. Erwachsenes Kind erzählt dem Vater aber nur eine Halbwahrheit, dass Mutter verletzt ist und weswegen - und lässt den ganzen restlichen Kram weg - um die Wogen zu glätten.
Ähnliche Situationen kann es ja auch unter Freunden, unter Arbeitskollegen, unter Bekannten geben und man gerät irgendwie dazwischen...
Da zum Beispiel:
Freund 1 hat gerade eine neue Freundin, Freund 2 ist sich daher nicht sicher, ob private Sachen wirklich noch von Freund 1 sicher behandelt werden und lädt sie daher nicht ein zu einer sehr privaten Feier. Freund 1 bekommt das mit, ist verletzt, und man stellt es dem gegenüber so dar, als wollte Freund 2 keine Loyalitätskonflikte in die Beziehung von 1 bringen...
Wie ist eure ethische/moralische Bewertung derartiger Halbwahrheiten?
Es handelt sich hier übrigens WIRKLICH um eine theoretische Frage, nach ethisch/moralischer Einschätzung solcher Situationen.
5 Antworten
Deine Eltern sollten sich zusammensetzen und mal offen alles ansprechen.. da würde ich mich nicht einmischen,sondern den Tipp geben… klärt das und ich kann dabeisitzen und vermitteln…
ansonsten würde ich weder mit Halbwahrheiten noch mit Lügen anfangen…
man klärt das mit der betreffenden Person
Meine Eltern kommen hervorragend miteinander klar - und sind ca 20 Jahren getrennt, es handelt sich hier lediglich um Beispiele, um zu verdeutlichen was ich eigentlich meine. Was ich übrigens im Text auch schrieb...
Die frag ist doch, was dich das angeht? Wollen die beiden nicht miteinander reden,,lass sie doch.. wieso willst du immer vermitteln?
Vielleicht weil es für einen selber problematisch, als Person, die zwischen beiden steht.
Das hinge vermutlich davon ab, ob die Wahrheit dadurch in einer Weise verzerrt wird, welche den Beteiligten Personen Unrecht tut.
Wenn ich bei der Übermittlung Teile herausfiltere, die angreifend sind (diese der Vollständigkeit halber aber evtl. abstrakt erwähne), dann tue ich dem Sender kein Unrecht, im Gegenteil lasse ich ihn sogar besser dastehen, und tue auch dem Empfänger kein Unrecht, denn diesem werde ich die Information so präsentieren, dass sie meinen eigenen Eindruck widerspiegelt, womit derartige Abänderungen erwartbar wären.
Ich denke im Endeffekt würde ich nicht wirklich als Bote agieren, sondern eben als ich selbst, der ich über das Gespräch mit dem Sender berichte.
Wäre man dann noch neutral?
Zu welcher der beiden Seiten wäre man mit so einem Verhalten unfairer? Der, die man damit indirekt anlügt, oder der, über die man indirekt lügt?
Deine Fragen sollten sich hiermit von selbst beantworten. Man ist nie neutral und hier tritt das noch einmal deutlicher zutage, da man explizit als man selbst auftritt.
Unfair ist das Verhalten niemandem gegenüber, da hier keine relevanten Informationen verheimlicht werden.
Werden allerdings relevante Informationen verheimlicht (und dadurch zum Beispiel die Handlungsmöglichkeiten der Beteiligten eingeschränkt), dann könnte es womöglich an Fairness mangeln, dann stellte sich allerdings die Frage, wie genau man Fairness hier definieren möchte (beispielsweise über die Wahrscheinlichkeit zum Zugang zu den Handlungsmöglichkeiten in vergleichbaren Szenarien).
Alle Menschen lügen. Warum jetzt die Apostel spielen?
Nun, ich finde Lügen fast immer unethisch und bin eher der direkte Typ (was nicht heißt, dass ich nie lüge...), aber mich interessieren durchaus die ethischen Einschätzungen von bestimmten Themen von anderen Menschen. Einfach, weil sie manchmal Sichtweisen und damit Möglichkeiten in Situationen oder moralische Betrachtungen bringen, die ich so nicht bedacht habe.
In wie fern? Welche fändest du besser? Warum?
Eine Frage der Situation.
Löst meine Wahrheit Tod und Verderben aus, lüge und beschönige lieber etwas.
Da stellt sich mir dann die Frage, die ich eben oben auch indirekt schon stelle: heiligt der Zweck da die Mittel? Für dich, wenn ich dich richtig verstehe: unter Umständen hier ja?
Klar.
Moralapostel spielen und vielleicht immense Schäden in Kauf nehmen und verteilen, das rechnet sich da nicht.
Um Frieden zu erhalten muss man manchmal die Wahrheit ein wenig verbiegen.
Letztendlich sind Halbwahrheiten für mich tatsächlich in einer Grauzone.
"Der Utilitarismus ist eine Form der zweckorientierten Ethik, die in verschiedenen Varianten auftritt. Auf eine klassische Grundformel reduziert besagt er, dass eine Handlung genau dann moralisch richtig ist, wenn sie den aggregierten Gesamtnutzen, d. h. die Summe des Wohlergehens aller Betroffenen, maximiert"
Ich denke das dürfte es auch ganz gut erklären. Lg :)
Zu Beispiel 1:
Dem Vater zu erklären, welches Verhalten seinerseits verletzend auf die Mutter wirkt und dabei unfaire Äußerungen der Mutter unerwähnt zu lassen, ist in meinen Augen keine Halbwahrheit.
Als Vermittler versucht man, beiden Parteien die Sichtweise des jeweils anderen verständlich zu machen, da wäre es kontraproduktiv, jede Äußerung, die in einem emotionalen Ausnahmezustand getätigt wurde, wortgetreu wiederzugeben.
In diesem Zusammenhang würde ich behaupten, das Verhalten des Vermittlers ist ethisch korrekt.
Zu Beispiel 2:
"...man stellt es dem gegenüber so dar, als wollte Freund 2 keine Loyalitätskonflikte in die Beziehung von 1 bringen...
Eine falsche Darstellung zu geben ist ebenfalls keine Halbwahrheit, sondern eine Verdrehung der Tatsachen und/oder ein Verschweigen der eigentlichen Problematik. Das würde ich eher als ethisch inkorrekt bezeichnen.
Manchmal spricht Person a. ja wegen Verletzungen nicht mit Person b. und man kriegt beide auch nicht zu einem Gespräch, in dem man ihnen sagt: Redet gefälligst miteinander darüber - aber durchaus damit, dass man ihnen etwas von dem anderen berichtet, damit er in Ruhe erstmal drüber nachdenken und dann ganz anders in ein Gespräch gehen kann - mit mehr Verständnis für die andere Person...