Interpretation: Stimmen aus dem Massengrab (Erich Kästner)

2 Antworten

Erich Kästner beschreibt m.E. die Sinnlosigkeit des I. Weltkrieges mit seinem millionenfachen Sterben (Damals waren 90% der Opfer übrigens Soldaten und keine Zivilisten). Dann kritisiert er die in der Tat unerträgliche nationalistisch-pompöse Verbrämung dieser Schlächterei durch die Kirchenleute auf allen Seiten, die versuchten, dem noch einen Sinn zu geben- und überlebten, denn sie standen "oben" am Rand des Massengrabes.

Es klingt sehr hart, aber im I. Weltkrieg, der wirklich auch politisch besonders absurd war, ging das alte Europa moralisch und kulturell zugrunde, nicht im II. (Mussolini, der Gröfaz, Stalin und die anderen waren schon reine Fäulnisprodukte dieses Untergangs). Diese Trauer und auch die Verzweiflung an Gott und der Welt bringt er auf den Punkt. Er will die Lebenden aufrütteln, nicht an einen "Heldentod" zu glauben und dem Krieg so noch einen Sinn zu geben- es ist eine große Gefahr für Hinterbliebene, so zu denken, weil das vordergründig den Verlust mindert. Viel mehr sollen die Lebenden von den Toten lernen, derlei in Zukunft zu vermeiden.

Daß man die Worte von Pastoren durchaus kritisch sehen darf, finde ich ok, aber wo hat Jesus denn solche Kriege "angeordnet"? Hier geht doch ein bißchen die Galle mit ihm durch. Kriege entstehen doch immer, wenn Menschen sich selbst zu Richtern und Göttern machen und sind deswegen Sünde. Aber vielleicht konnte er damals nicht anders.

SnowWhite 
Fragesteller
 08.05.2010, 11:06

Vielen, vielen Dank! Das hat mir sehr weiter geholfen :)

0

Vers 3 hat mich zunächst sehr unangenehm berührt. Es ist nicht einfach sich als Christ gerade mit diesem Teil auseinander zusetzen...und dennoch wichtig. Mag sein, dass Kästner mit "lieber Gott" tatsächlich Gott gemeint hat. Für mich aber hat die Institution Kirche einen anderen in dieser Zeit zum Gott erhoben: Hitler und NS-Gedankengut.

Anfügen würde ich hier gern ein Gleichnis, dessen Quelle mir leider unbekannt ist:

Ein Seifenfabrikant sagte zu einem Priester:

"Das Christentum hat nichts erreicht. Obwohl es schon über 2000 Jahre gepredigt wird, ist die Welt nicht besser geworden. Es gibt immer noch Böses und böse Menschen."

Der Priester wies auf ein ungewöhnlich schmutziges Kind, das am Straßenrand spielte, und bemerkte:

"Seife hat nichts erreicht. Es gibt immer noch Schmutz und schmutzige Menschen in der Welt."

"Seife", entgegnete der Fabrikant, " nutzt nur, wenn sie angewendet wird."

Der Priester antwortete:

"Christentum auch."