Interpretation des Gedichtes "Liebe" von Karoline von Günderode?
Liebe
O reiche Armut! Gebend, seliges Empfangen! In Zagheit Mut! In Freiheit doch gefangen. In Stummheit Sprache, Schüchtern bei Tage, Siegend mit zaghaftem Bangen.
Lebendiger Tod, im Einen sel'ges Leben Schweigend in Not, im Widerstand ergeben, Genießend schmachten, Nie satt betrachten Leben im Traum und doppelt Leben.
Also ich bin mir beim Metrum nicht sicher, habe es mal probiert und bei mir kam jetzt eine Mischung aus Jambus und Trochäus raus. Ist das richtig? Und ich verstehe den letzten Vers des Gedichtes nicht, was ist damit gemeint ? Wäre nett, wenn mir jemand helfen könnte.
1 Antwort
Metrum: Ist eigentlich ein Jambus, aber in den Versen 4, 5, 7 und 10 gibt es eine Akzentverschiebung. Das heißt, der erste Versfuß wird umgedreht, doch danach geht es jambisch weiter, also statt _^_^ erscheint ^_ _^. Dadurch ergeben sich zwei Senkungen hintereinander. Die Frage ist: Warum macht sie das? Ich denke, es hilft dabei, den etwas verworrenen Ausdruck in der ersten Strophe durch extrastarke Betonungen am Versanfang zu stärken, wie ja auch die verschiedenen Zeilenlängen dabei helfen.
Der letzte Vers: Wichtig scheint mir, dass am vorletzten kein Komma steh. Es müsste also eher so gelesen werden: Nie satt betrachten Leben im Traum (Pause) und doppelt Leben. Hier unterstützt die Akzentverschiebung die Verbindung von Vers 9 und 10 (wie auch Vers 5 und 6), weil der Jambus über die Versgrenze hinaus weiterläuft. Die einfache Deutung wäre, dass das Ich durch sein Traumleben der Liebe zwei Leben hat, das normale und das (tag-)geträumte.