Grenzabstand nicht einghalten kann neuer Nachbar Abriss verlangen?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Schön wäre natürlich gewesen, wenn die damalige Absprache schriftlich festgehalten worden wäre. Ich würde aber davon ausgehen, dass man bei so alten Gebäuden von Bestandsschutz ausgehen kann. Soll heißen: Wenn der Eigentümer des einen Grundstücks sich über 40 Jahre lang nicht an dem Gebäude auf dem Nachbargrundstück gestört hat, kann er nach so langer Zeit nicht auf einmal damit ankommen. Ich denke nicht, dass der Eigentümerwechsel an diesem Bestandsschutz etwas ändert. Hieraus abzuleiten, dass die Bauvorschriften bei einem Neubau beliebig verletzt werden können, halte ich für abwegig.

An Stelle des alteingesessenen Nachbarn würde ich darüber mal mit dem Amt reden. Wahrscheinlich lohnt da auch mal 200 € für ein längeres Gespräch mit einem Fachanwalt in die Hand zu nehmen, damit er seine Optionen genau kennt.

Aber auch wenn er komplett im Recht ist (wovon ich ausgehe), beneide ich ihn nicht, denn mit dieser Nachbarschaft wird er mit einiger Wahrscheinlichkeit noch eine Menge Ärger haben. Nachher ist dann eine Beule in seinem Auto oder was auch immer, wenn er sein Recht durchsetzt.

VictorPrinzim 
Fragesteller
 20.04.2021, 17:57

Das ist ja schonmal sehr hilfreich. Vielen Dank für so eine ausführliche Antwort.

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Die Sache ist ziemlich einfach:

Im Baurecht gibt es einen ganz harten Bestandsschutz. Allerdings nur für offiziell genehmigte Gebäude und für Gebäude, die an dieser Stelle ohne Genehmigung oder Erlaubnis errichtet werden dürfen. Es gibt NIEMALS einen Bestandsschutz für illegal errichtete Gebäude ("Schwarzbauten"), nur weil das Gebäude schon lange da steht!

Wenn für die damalige Grenzbebauung eine offizielle Erlaubnis zur Abweichung vom Bebauungsplan (wenn es den damals schon gab) beim Bauamt der Stadt oder Gemeinde beantragt und genehmigt wurde (dass die Nachbarn sich einig sind, ist eine der Voraussetzungen dafür, dass so eine Abweichung genehmigt werden kann), dann gilt das. Ein neuer Grundstücksbesitzer ist an solche Zustimmungen des Vorbesitzers gebunden.

Außerdem steht in vielen Bebauungsplänen auch drin, dass kleine Nebengebäude (z. B. Gartenhütten oder Garagen) direkt an der Grundstücksgrenze errichtet werden dürfen. Das ist zum Beispiel bei uns zu Hause der Fall. Da geht das Bauamt von genau dem Fall aus, der bei Euch vorliegt: Jeder errichtet sein Nebengebäude auf der Grundstücksgrenze, direkt am Nebengebäude des Nachbarn, dann sind sich alle einig. Auch dann wären Eure Nebengebäude nicht zu beanstanden, wenn sie die Vorgaben (maximale Höhe etc.) laut Bebauungsplan einhalten.

Wenn die beiden alten Grundstücksbesitzer allerdings (wie es besonders früher häufig der Fall war ...) sich keine offizielle Genehmigung / Erlaubnis zur Grenzbebauung geholt haben, und im Bebauungsplan auch keine entsprechende Klausel für Nebengebäude auf der Grundstücksgrenze drinsteht, dann sind diese Nebengebäude "Schwarzbauten", und das Bauamt der Stadt oder Gemeinde könnte jederzeit den Abriss verfügen - egal, ob ein Nachbar sich beschwert oder nicht.

Ein "Schwarzbau" kann nachträglich noch genehmigt werden, wenn er genehmigungsFÄHIG ist - wenn man dieses Gebäude also nach heutigem Recht auf dem normalen Weg als Neubau genehmigt bekommen könnte. Nicht, wenn einer Genehmigung wichtige sachliche Gründe entgegenstehen. Wenn der Grenzabstand nicht eingehalten ist, und der (heutige!) Nachbar auch einer Abweichung vom Bebauungsplan nicht zustimmen würde, dann wäre das so ein sachlicher Hinderungsgrund.

Das ist also wieder mal so ein Beispiel dafür, wie es einem später "auf die Füße fallen" kann, wenn man sich aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit um offizielle Regelungen herummogelt.