Gibt es ein schönes Natur,-oder Jahreszeitengedicht von dem Du Dich besonders angesprochen fühlst? Welches?

18 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Guten Morgen, dein Trakl-Gedicht mag ich sehr.
Meine Herbstfavoriten sind:

Rilke, Herbst
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Dann auch Hebbel, Herbstbild

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
die schönsten Früchte ab von jedem Baum.

O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält;
denn heute löst sich von den Zweigen nur,
was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.

Und Mörike, Septembermorgen

Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen,
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.

aekw11 
Fragesteller
 17.10.2019, 08:09

Guten Morgen, die mag ich auch sehr. Danke und liebe Grüsse

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Hier sind mal zwei eigene:

Herbst

Die letzten Blätter taumeln von den Bäume
und suchen auf dem Moos den nassen Tod,
Die Blumen, gestern noch blau, gelb und rot,
beginnt die Fäulnis braun und schwarz zu säumen.

Der Himmel ist schraffiert vom steten Regen,
hält seine Tränen nicht und weint enthemmt.
Und diese Flut, die gurgelnd fließt, sie schwemmt
die toten Blüten von den nassen Wegen.

Die grauen Wolken sind so schwer wie Blei,
und wer davongeht ist nur fort – nicht frei.
Er bleibt gefangen in den Friedhofsmauern.

Mich fröstelt. Und ich frage mich dabei,
ob Welken Abschied oder Heimkehr sei,
und Blumen auch um ihre Farben trauern.

Und jetzt noch eines, dass mit der gleichen Zeile beginnt wie eines von Nietzsche und eines von Morgenstern

Dies ist der Herbst

Dies ist der Herbst, der bricht dir noch das Herz...
Die Blätter braun und schwarz gesäumt
Sie stürzen bodenwärts.

Und an den kalten, nassen Mauern
Steh’n welke Blumen,
Die dort um ihre Sommerfarben trauern.

Bald ist das müde Jahr an seinem Ende
Und fällt ins Bodenlose der Vergangenheit.
Mancher legt jetzt in seinen Schoß die Hände
Und senkt den Blick und denkt: Es ist soweit!

Glücklich, wer jetzt das Lebensbuch nicht schließt!
Bald ist das Jahr herum, und bald beginnt
Ein neuer Frühling, der dann schüchtern grüßt

Und zu mir herfliegt mit dem lauen Wind.

Er hüllt mich tröstend in sein sanftes Wehen
So wie in einen bunten Mantel ein.
Ich werde schon von fern ihn kommen sehen
Und wieder lachen und voll Sonne sein.

aekw11 
Fragesteller
 18.10.2019, 10:24

Das erste Selbstgeschriebene hat mich am meisten angesprochen, weil es die Stimmung eines trüben, von nassen Blättern gesäumten Herbsttag, perfekt widerspiegelt. Herzlichen Dank für Deine Antwort!

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Winterweißer Tiger
Der die alten Herbstmänner fällt
Beute der Kinder des Frühlings

Das ist aus irgendeinem Buch, dass ich vor Jahren mal gelesen habe. Wer die Quelle kennt, darf sie gerne dazu schreiben.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit 20 Jahren im Bereich Rettungshunde tätig und Tierhalter
aekw11 
Fragesteller
 18.10.2019, 10:35

Dankeschön.

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booktolook  18.10.2019, 12:29

Winterweißer Tiger

Der die alten Herbstmänner fällt

Beute der Kinder des Frühlings

Ich verstehe diese Worte nicht. Sind das Titel für ein Gedicht, eine Redensart oder was soll das sein?!

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Jekanadar  18.10.2019, 13:20
@booktolook

Ich meine mich erinnern zu können, dass dies ein Haiku sein soll. Ich kenn mich mit japanischer Dichtkunst aber wirklich nicht aus. Möglich, dass ich es falsch aufgeschrieben habe - die Silben passen nicht zum Haiku. Oder es liegt an der deutschen Übersetzung...

Prinzipiell sagt es folgendes: Der Tiger (Winter), der die alten Männer (Herbst) tötet, wird widerum von den Kindern (Frühling) gejagt.
Wir haben hier also eine stark verkünstelte Abfolge von Herbst-Winter-Frühling

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booktolook  18.10.2019, 14:00
@Jekanadar

Danke für deine Antwort. Was es alles gibt. Ich hatte da noch nie von gehört. Glaube aber nicht, dass das 'meins' wird.

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Hallo liebe D. :-) Das Gedicht passt gut für diesen Monat (ich habe es schon längere Zeit auf meinem Profil stehen, da es für mich auch unabhängig einer bestimmten Jahreszeit bedeutsam ist): Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Einsam ist jeder Busch und Stein,

Kein Baum sieht den anderen,

Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,

Als noch mein Leben licht war;

Nun, da der Nebel fällt,

Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,

Der nicht das Dunkel kennt,

Das unentrinnbar und leise

Von allem ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Leben ist Einsamsein.

Kein Mensch kennt den andern,

Jeder ist allein.

(Hermann Hesse)

Danke für Deine lieben Worte und ein schönes WE wünscht Dir K. :-)

aekw11 
Fragesteller
 09.11.2019, 15:35

Ich mag es!

Vor allem weil dieses Gedicht eine Menge Raum lässt für Interpretation.

Schwermütig und wissend zugleich... wie leicht trübt sich doch unser Blick in Zeiten der Dunkelheit... trennt uns von dem was vertraut ist und lässt ein Gefühle von Alleinsein und Einsamkeit entstehen. Gleichzeitig ist es jedoch genau diese Zusammentreffen welches einem Charakter Tiefe zu verleihen vermag.

Eine Tiefe die uns klarer sehen lässt.

So erkennen wir das im Leben jeder seine eigene Last zu tragen hat, aber auch, das es mit Freunden an der Seite gleich leichter wird und die Welt gleich wieder ein Stückweit lichter scheint..

Sei herzlich bedankt meine Liebe. Mit vielen lieben Grüssen D.

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KatzenEngel  09.11.2019, 15:54
@aekw11

Deine Interpretation gefällt mir gut. - Danke dafür.

Gerne und liebe Grüße zurück von K.

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Mein eigenes Gedicht, welches ich vor etwa 10 jahren schrieb =

Die Natur und das Leben

.

Komm mit , ich will Dir etwas zeigen

Und Du sollst durch mein Auge sehn

Der Himmel hängt nicht voller Geigen

Und ist doch auch bei Regen schön

Der Regen lässt den Fluß anschwellen

Und Wellenkämme schäumen auf

Das Grundwasser und auch die Quellen

Brauchen den Regen , und wir auch

.

Der Wind kann sich zum Sturm aufbrausen

Er reißt die toten Zweige fort

Er wird den Wald , das Feld zerzausen

Und neues Leben bild´sich dort

Der Sturm , nach ewigen Gesetzen

Bereinigt auch in der Natur

Er kann dein Leben auch zerfetzen

Und das er schadet , glaubst Du nur

.

Die Sommersonn´, nicht immer milde ,

Sie sengt auch manchmal brennendheiß

Und macht aus lieblichem Gefilde

Ein Ort der Mühsal und des Schweiß

Und in der größten Sommerhitze

Wenn alles scheint tot und verbrannt

Quillt Leben doch aus jeder Ritze

Auch wir sind eng damit verwandt

.

Und auf vereisten Winterflächen

Wo alles Leben ist erstarrt

Wird es im Frühling hervorbrechen

Ein Jedes auf die eig´ne Art

Unter dem Eis schlafen die Fische

Sie sind nicht tot , sie schlafen nur

Wir sitzen nie an leerem Tische

Halten wir uns an die Natur

.

In der Natur , in Deinem Leben

Da gibt es stets ein Auf und Ab

Das hat es immer schon gegeben

Und das bleibt so bis an dein Grab

Du musst das Beste daraus machen

Was Dir das Leben mit sich bringt

Und es ist nicht nur Deine Sache

Du bist von Mit-Menschen umringt .

freieswort2  17.10.2019, 11:59

Vielen Dank für dieses schöne Gedicht. Hat mich sehr bewegt.

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aekw11 
Fragesteller
 18.10.2019, 10:01

Herzlichen Dank, mir ist als hätte ich es schonmal gelesen. Hast Du es hier auf GF andernorts schonmal eingestellt? Jedenfalls sehr gelungen!

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Yggdrasil3001  18.10.2019, 13:14
@aekw11

Ja, ich habe so einige meiner Gedichte hier schon eingestellt, da ich gerne mal gegutmenschenlöscht werde unter den aufeinanderfolgenden Accounts.

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