"Es gibt keine Freiheit ohne gegenseitiges Verständnis" von Camus, aus welchem Werk stammt dieses Zitat?

2 Antworten

Das Zitat stammt aus: Albert Camus, Défense de l'intelligence (Verteidigung der Intelligenz; deutscher Titel im Werk »Fragen der Zeit«: Den Geist hochhalten)

Dies ist eine Rede, die Albert Camus bei der von l'Amitié française organiserten Versammlung im Saal des Maison de la Mutualité in Paris am 15. März 1945 gehalten hat.

Sie ist in einer veröffentlichen Sammlung politischer Beiträge enthalten:

Albert Camus, Actuelles I. Écrits politiques (Chroniques 1944 - 1948). V. Pessimisme et tyrannie. Défense de l'intelligence (Allocution prononcée au cours de la réunion organisée par l'Amitié française à la salle de la Mutualité, le 15 mars 1945.). Paris : Gallimard, 1950

Der in Übersetzung zitierte Satz ist der letzte Satz des vorletzten Absatzes :

„Maintenant encore l'intelligence est maltraitée. Cela prouve seulement que l'ennemi n'est pas encore vaincu. Et il suffit qu’on fasse l'effort de comprendre sans idée préconçue, il suffit qu'on parle d'objectivité pour qu'on dénonce votre subtilité et pour qu'on fasse le procès de toutes vos prétentions. Eh bien non ! Et c'est cela qu'il faut réformer. Car je connais comme tout le monde les excès de l'intelligence et je sais comme tout le monde que l'intellectuel est un animal dangereux qui a la trahison facile. Mais il s'agit d'une intelligence qui n'est pas la bonne. Nous parlons, nous, de celle qui s'appuie sur le courage, de celle qui pendant quatre ans a payé le prix qu'il fallait pour avoir le droit d'être respectée. Quand il arrive que cette intelligence s'éteigne, c'est la nuit des dictatures. C'est pourquoi nous avons à la maintenir dans tous ses devoirs et tous ses droits. C'est à ce prix, à ce seul prix, que l'amitié française aura un sens. Car l'amitié est la science des hommes libres. Et il n'y a pas de liberté sans intelligence et sans compréhension réciproques.“

Auf der folgenden Internetseite ist der französische Satz auf S. 84 zu finden:

http://classiques.uqac.ca/classiques/camus_albert/actuelles_I/Camus_actuelles_I.pdf

Frankreich war im zweiten Weltkrieg 1940 vom nationalsozialistischen Deutschand niedergeworfen worden. In dem danach nicht militärisch besetzten Gebiet regierte das Vichy-Regime, unter dem es Kollaboration gab. Dieses endete 1944 mit einer Befreiung durch die USA und Großbritannien sowie durch die französische Widerstandbewegung (Résistance). Albert Camus hatte sich der Résistance angeschlossen und Beiträge für die (zunächst verbotene, im Untergrund erscheinende) Zeitung »Combat« geschrieben. In der Rede wendet sich Camus dagegen, sich blind der Leidenschaft des Hasses hinzugeben. Dies bedeute, das Gesetz der Feinde zu übernehmen. Camus tritt für eine Gesprächskultur ein, die unvoreingenommen verstehen will, sachlich Kritik übt und nicht einfach nur beleidigt. Das politische Denken erneuern heiße den freien Geist bewahren. Exzesse der Intelligenz seien bekannt, der Intelektuelle sei ein gefährliches Lebewesen, das leicht zum Verrat neige. Dabei handle es sich aber um eine Intelligenz/einen Geist, der nicht gut ist, während sie selbst, die vier Lahre lang mit Mut einen Preis entrichtet hätten, ein Recht auf Respekt hätten. Wenn diese Intelligenz/dieser Geist erlösche, sei es in der Nacht der Diktaturen. Freundschaft sei die Fertigkeit freier Menschen. Und es gebe keine Freiheit ohne Intelligenz/Geist und gegenseitiges Verständnis/Verstehen/Begreifen.

Eine zuerst 1960 erschienene deutsche Übersetzung der Rede steht in:

Albert Camus, Fragen der Zeit. Deutscch von Guido G. Meister. Neuausgabe. 63. - 71. Tausend. Reinbek bei Hamburg : Rowohlt (Rororo ; 22195), 1997, S. 58 – 64 (Pessimismus und Tyyrannei. Den Geist hochhalten)

Der Satz steht im rororo-Büchlein: Albert Camus, Fragen der Zeit, eine Sammlung von Essays, Briefen, Reden und Aufzeichnungen. Darin ist ein wunderbarer Artikel: Brot und Freiheit. Ich werde ihn mal wieder lesen müssen. Vielleicht ist da Dein Satz dabei. Mehrheitlich geht es Camus aber immer wieder um die politische Freiheit, nicht um eine losgelöste Freiheit des Willens, die oft nur eine dumme Ausrede für politische Unterdrücker und Feiglinge ist: Was juckt euch die politische Freiheit, die können wir doch nach Brüssel abgeben. Ihr habt ja immer noch die Freiheit des Willens. Hahaha...

berkersheim  06.02.2016, 11:16

Im rororo-Büchlein steht es auf Seite 61. Aber auch auf Seite 60 stehen zweis Sätze, die aktuell zu überdenken wären:

„Als die Nazis eben an die Macht gekommen waren, vermittelte Göring eine treffende Vorstellung von ihrer Philosophie, indem er erklärte: «Wenn ich das Wort Kultur höre, ziehe ich meinen Revolver.» Diese Philosophie griff über Deutschlands Grenzen hinaus. ….
Überall triumphierten die Philosophien des Instinkts im Verein mit jener üblen Romantik, die Fühlen über Verstehen stellt, als wäre das eine ohne das andere möglich. Seither ist der Geist unablässig angeklagt worden.“

Hier müsste es heute heißten: Seither ist der kritische Geist unablässig angeklagt worden, der sich nicht ohne Nachzudenken dem Rausch der Gefühle und moralischen Rechthaberei ergeben hat.

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