Erkenntnistheorien von Kuhn und Feyerabend?

2 Antworten

Kuhn:

  • entwickelte seine Theorie zeitlich nach und inhaltlich gegen Popper (später kam dann Feyerabend)
  • Wissenschaft ist nicht kummulativ. Wissen häuft sich nicht an, denn beim Paradigmenwechsel wird das alte Paradigma zum großen Teil zerstört (und stirbt mit seinen Befürwortern aus)
  • In der Geschichte der Wissenschaft wechseln sich Phasen der Normalwissenschaft mit Phasen wissenschaftlicher Revolution, während der ein Paradigmenwechsel stattfindet, ab.
  • Die Normalwissenschaft ist eine puzzelnde (oder bastelnde) Wissenschaft. Sie löst kleine Problemchen innerhalb des bestehenden Rahmens, entdeckt noch ergänzende Fakten, liefert genauere Messwerte, die das während der letzten Revolution entstandene Paradigma bestätigen und präzisieren, stellt immer bessere Möglichkeiten auf, das bestehendende Paradigma, besser zu artikulieren. Während der Phase der Normalwissenschaft ist Wissenschaft kummulativ.
  • Mitnichten ist es so, dass eine Theorie bzw. ein Paradigma fällt, wenn sie einmal falsifiziert wird (gegen Popper). Sondern, wenn Beobachtungen mit Theorie nicht übereinstimmen, werden Hilfstheorien erfunden, die den ein oder anderen Widerspruch erklären.
  • Wenn eine neue Theorie auftaucht, die die beobachteten problematischen Fakten besser erklärt, dann findet eine Revolution statt. Die alte Theorie, das alte Paradigma wird ersetzt. Auch der alten Rahmen wird gesprengt.
  • Meistens ist es nicht so, dass Anhänger der alten Theorie sich durch Argumente überzeugen lassen. Sie sterben irgendwann und mit ihnen die alte Theorie.
  • Aufeinanderfolgende Theorien sind nicht vergleichbar (Inkommnsurabilität), weil die Vertreter sprechen quasi unterschiedliche Sprachen. Selbst wenn sie die gleichen Begriffe verwenden, meinen sie etwas anders. 
  • Wenn ein Wissenschaftler im Laufe seines Lebens ein Paradigma wechselt, dann ist das mit religiöser Bekehrung vergleichbar. Mit Einsicht in bessere Argumente hat das nichts zu tun, denn Argumente können ja nicht wirklich ausgetauscht/ in die alte Paradigmasprache übersetzt werden.
  • Kuhns Theorie sieht Wissenschaft somit sehr relativistisch. Feyerabend ist, glaube ich noch relativistischer. Den kenne ich aber kaum. Feyerabend betont sehr die Gleichwertigkeit aller möglichen Paradigmen, seien sie nun wissenschaftlich oder angeblich unwissenschaftlich. Über Wertigkeit trifft Kuhn keine Aussagen.
  • Für mich hat Kuhn keine Erkenntnistheorie aufgestellt. Er hat eine historische Arbeit geliefert. Er beschreibt, wie die Geschichte der Wissenschaft in den letzten Jahrhunderten abgelaufen ist, eben im Wechsel von Normalwissenschaft und Revolution.
  • Zu Erkenntnis meinte Kuhn noch: Kontext der Entdeckung und Kontext der Rechtfertigung hängen zusammen (er sortiert sie also nicht so auseinander wie seine Vorgänger)
  • Vorläufer im Sinne von Kuhn sind Gaston Bachelard, Alexandre Koyree, Ludwik Fleck und eigentlich auch Michel Foucault (der schrieb gleichzeitig sehr ähnliche Ansichten, aber vollkomen anders in Worte gefasst)
Blaugraut  26.06.2015, 19:22

Meine Quelllen: Kuhns Buch; Ian Hackings Buch "Representing and Intervening" (=Einführung in die Philosophie der Naturwissenschaften) und zwar nur! das erste Kapitel; Rheinbergers Buch "Historische Epistemologie"

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