Erfahrungen mit Antidepressiva?

7 Antworten

Ich bekam aufgrund meiner zeitweise schweren Depressionen und Panikattacken SSRI und SNRI Antidepressiva verschrieben. SSRI's und SNRI's ist die heute mit Abstand am häufigsten verordnete chemische Gruppe von Antidepressiva. Konkret probierte ich Escitalopram, Duloxetin, Sertralin und Venlafaxin.

Das Resultat war mehr oder weniger das selbe: Alle diese Medikamente wirkten sehr gut gegen meine Angstzustände, hatten jedoch keine antidepressive Wirkung. Ich probierte neben den oben erwähnten Präparaten unzählige weitere aus anderen chemischen Gruppen durch... ohne nennenswerten antidepressiven Erfolg. Erst nach 8 Jahren Krankeitsdauer fand ich ein Medikament das wenigstens ansatzweise half (und immer noch hilft).

Ich bin also kein sehr gutes Beispiel. Denn jeder Mensch reagiert auf jedes Antidepressivum etwas unterschiedlich. Dies betrifft sowohl der Grad der Wirksamkeit als auch die Ausprägungen der Nebenwirkungen. Es gibt durchaus Menschen, welche auf das erste Antidepressivum das ihnen verschrieben wird sehr gut ansprechen und nahe zu frei von Beschwerden sind.

Grundsätzlich sollten SSRI Antidepressiva antriebssteigernd wirken. Sedierend wirken sie jedenfalls nicht. Noch ein Tick antriebssteigernder wirken in der Regel SNRI Antidepressiva da sie zusätzlich zur Teilblockade der Wiederaufnahme von Serotonin auch die Wiederaufnahme von Noradrenalin hemmen. Bekannte SNRI's sind beispielsweise Duloxetin und Venlafaxin.

Sämtliche SSRI und SNRI Antidepressiva hatten bei mir eine libidohemmende Wirkung. Manche mehr (z.B. Duloxetin), manche etwas weniger (z.B. Sertralin). Bei allen SSRI's und SNRI's war ab gewissen (üblichen) Dosen fertig mit Sexualität... und zwar komplett. Heute nehme ich noch 25mg Sertralin aufgrund der angstlösenden Eigenschaften des Medikaments. 25mg ist die absolute Minimaldosis. Damit funktioniert meine Libido wieder, wenn auch nicht ganz so reibungslos wie ohne Medikation.

Gemäss Herstellerangaben sind rund 10% aller SSRI oder SNRI Konsument*innen von sexuellen Funktionsstörungen betroffen. Dieser Wert ist mehr als fraglich. Denn die Pharmakonzerne haben bei ihren Studien etwas geschummelt. Nach sexuellen Funktionsstörungen wurde nicht aktiv gefragt sondern diese nur notiert, wenn der Proband bzw. die Probandin sie von sich aus erwähnte. Je nach sozialer Schicht, Bildungsniveau, kulturellem Hintergrund und Geschlecht ist eine eigenständige Erwähnung jedoch eher unwahrscheinlich (z.B. wenn eine westliche Frau einen muslimischen Mann befragt etc.). Unabhängige Studien welche zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt wurden haben ergeben, dass rund 40-60% der Frauen und rund 50-70% der Männer von SSRI bzw. SNRI bedingten sexuellen Funktionsstörungen betroffen sind. Gegen diese kann man leider überhaupt nichts tun. Auch Männer nicht. Den Potenzmittel fördern zwar die Durchblutung des Gliedes, doch das Problem geht auf den Hirnstoffwechsel zurück. Kurz: Die Physis ist nicht das Problem, sondern die Psyche bzw. das fehlende Lustempfinden.

Hier eine Übersicht mit Detailinformationen über sämtliche SSRI und SNRI Antidepressiva.

Es gibt Antidepressiva welche nicht zu sexuellen Funktionsstörungen führen. Primär sind dies Mirtazapin, Bupropion und Tianeptin.

Mirtazapin ist ein tetrazyklisches Antidepressivum welches eine schlaffördende Wirkung hat. Seine Wirksamkeit ist in etwa mit den SSRI und SNRI Antidepressiva vergleichbar. Das Nachteil von Mirtazapin ist die häufig starke medikamentös bedingte Gewichtszunahme im Rahmen einer Behandlung. Zudem hat Mirtazapin keine angstlösenden Eigenschaften. Mehr dazu hier.

Bupropion ist ein NDRI welches stark antriebssteigernd wirkt. Seine Wirksamkeit gilt als etwas schlechter im Vergleich zu den SSRI's und SNRI's. Auch Bupropion hat keine angstlösenden Eigenschaften, führt aber auch nicht zu einer Gewichtszunahme. Mehr dazu hier.

Tianeptin weist einen nochmals völlig anderen Wirkmechanismus auf. Seine Wirksamkeit gilt als etwas schlechter oder gleich gut wie SSRI und SNRI Antidepressiva. Zu einer Gewichtszunahme kommt es in der Regel nicht. Tianeptin ist nicht offiziell zur Behandlung von Angststörungen zugelassen, hat jedoch einen angstlösenden Effekt. Mehr dazu hier.

Es gibt noch zahlreiche weitere Antidepressiva ohne Auswirkungen auf die Sexualität (z.B. Trazodon, Agomelatin, Moclobemid etc.). Diese werden jedoch selten als Primärmedikamente eingesetzt.

Testospiegel36 
Fragesteller
 14.03.2022, 15:51

Danke für die Info

was wäre für mich am besten geeignet?

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samm1917  17.03.2022, 07:29
@Testospiegel36

Leider kommt man bei der pharmakologischen Behandlung einer Depression fast nicht um Medikamente herum welche die Libido hemmen. Als Mittel der Wahl gelten SSRI und SNRI Antidepressiva. Bei Bedarf ergänzt durch sogenannte Zusatzmedikamente wie Ltihium, Lamotrigin, Quetiapin oder Aripiprazol.

Eine Alternative zu den SSRI und SNRI Antidepressiva wäre Mirtazapin oder Tianeptin welche die Libido nicht hemmen. Mirtazapin führt jedoch sehr häufig zu einer starken Gewichtszunahme was auch nicht sehr lustig ist. Tianeptin hingegen hat keine Nebenwirkungen welche das Gewicht oder die Libido betreffen, wirkt jedoch nicht ganz so zuverlässig wie SSRI's und SNRI's (allerdings reagiert jeder Mensch auf jedes Antidepressivum etwas unterschiedlich).

Manchmal muss man jedoch gewisse Nebenwirkungen zumindest vorübergehend in Kauf nehmen bis sie die Situation stabilisiert hat. Da die Nebenwirkungen auf die Libido oftmals dosisabhängig sind besteht die Möglichkeit (nach Absprache mit dem Arzt) nach der Akutphase die Dosis auf ein Minimum zu verringern. So besteht die Chance, dass die Libido wieder ansatzweise funktioniert.

Hier mehr zu Mirtazapin.
Hier zu Tianeptin.

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Testospiegel36 
Fragesteller
 17.03.2022, 07:40
@samm1917

Danke dir vielmals

was sagst du zu mucuna & gaba für dopamin & serotonin?

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Es gibt sehr viele verschiedene Antidepressiva Medikamente. Oft muss der Arzt einige ausprobieren bislang das richtige gefunden hat .

Unterschiedlich sind evtl Nebenwirkungen.

Nicht bei allen hat es eine Auswirkung auf die Libido.

Wenn man aber Antidepressiva nehmen muss, ist die Behandlung wichtiger als vorübergehend eine geringere Libido hat.

Süchtig wird man von Antidepressiva nicht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Testospiegel36 
Fragesteller
 14.03.2022, 15:53

Bei welchen antidepressiva hat es keine Auswirkungen auf die Libido

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Bei mir hat es sehr gut geholfen, PAs sind Weg, generalisierte Angststörung auch weg und Sozialangst hat sich auch gelegt, bin jetzt viel Kommunikativer als damals. Einzig die Höhenangst bzw. Die Angst des Runterfallens blieb (besonders auf Industriebrücken ohne Sicherung hab Ich richtig Bammel) Komischerweise wenn Ich im Seil hänge geht's wieder, Gut Bungee-Jumping muss Ich jetzt auch nicht.

Aber SSRI alleine erhöhen nur den Serotoninspiegel und ersetzen keine anhaltende Verhaltenstherapie oder möchtest du das Zeug dein Leben Lang nehmen müssen?

Thema Libido hat sich bei mir kaum was verändert, außer du liest vor der ersten Einnahme die Packungsbeilage dann bekommst du alles was bei "Nebenwirkungen" steht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Testospiegel36 
Fragesteller
 14.03.2022, 15:53

Okay also kann ich das Zeug nehmen oder lieber mucuna & dopamin steigernde Mittel nehmen?

ich merke halt dass es ohne Antidepressiva nichts wird ich sprich in der Depression bleiben werden wie es aussieht

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SSRI wirken gut und sind meist vergleichsweise gut verträglich. Leider killen sie die Libido mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit und sind sehr schwer abzusetzen. Ich nahm etwa 10 Jahre lang Citalopram und spürte keine antidepressive Wirkung, es wirkte bei mir hauptsächlich angstlösend, das ist ja auch was. Hinzu kommt, dass SSRI zu Schweißausbrüchen führen können, ich hatte das immer wieder sogar im tiefsten Winter. Und letzten Endes greifen sie in höherer Dosis das Herz an.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Testospiegel36 
Fragesteller
 14.03.2022, 15:54

Meine Tante ist daran gestorben

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Ich habe recht lange (10 Jahre) Citalopram genommen, was nur wenig wirkte, ich bin später auf Venlafaxin umgestiegen, das wirket dann besser, aber seither bin ich eben auch impotent - und nach wie vor depressiv.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung