Erfahrung mit Handwerkern?

8 Antworten

Nun schreibe ich das mal aus meiner Sicht. Unser junger Chef war zuvor mein Azubi, zwischen uns liegen rund 17 Jahre Altersunterschied, ich 44, er 27. Er stammt nicht aus der Familie des Senior Chef, sondern kam extern zu uns. Damals hab ich zu ihm gesagt, er solle alles vergessen, was Herr X zu ihm gesagt hat und solle auf mich hören, dann besteht er auch die Gesellenprüfung. So war es auch. Seit drei Jahren ist er jetzt der Boss, aber durch unsere Betriebsgröße mit insgesamt sechs Mitarbeiter sind wir sehr familär, was ich sehr schätze. Wir unternehmen privat auch zusammen einiges, was ich persönlich für ein gutes Betriebsklima sehr wichtig halte. Ich bin der älteste Geselle und auch am längsten dabei. Wenn es um Bewerber geht, ob Azubi oder Geselle, geht das durch meine Hände. Bei uns hat jeder einen Firmenwagen, der auch für die Fahrten von Wohnort zur Firma genutzt werden darf, auch für kleine Privatfahrten. Allerdings ist jeder für sein Fahrzeug verantwortlich. Bei der Auswahl an neuen Mitarbeiter liegt unser/mein Schwerpunkt auf Fachwissen, Rethorik, Auffassungsgabe und Kreativität. Die Sauberkeit am Arbeitsplatz ist ebenfalls ein sehr hohes Steckenpferd, ebenso die Kommunikation mit dem Kunde. Die Arbeitsweise bei uns ist sauber und gut, dafür braucht es jedoch vielleicht minimal länger als bei anderen, was unsere Kunden trotzdem honorieren. Größere Arbeiten werden grundsätzlich vorab besichtigt und mit dem Kunde schriftlich abgestimmt. Je nach Baustelle ergibt sich zwischenzeitlich auch andere Lösungen, was jedoch kommuniziert wird. Wenn wir zum Beispiel Schlitze fräsen, kann am nächsten Tag auch dieselbe Kleidung verwendet werden, weil man nach 10 Minuten eh dreckig wird. Meistens sind wir bei größeren Baustellen eh ohne Kundenkontakt. Aus Erfahrung schätzt der Kunde die Kommunikation, halbwegs auch den Preis laut Angebot und eine verständliche Erklärung der Arbeiten und/oder dessen Sinn, ebenso die Sauberkeit und minimalen Flurschaden auf der Baustelle. Da jeder Kunde sehr individuell ist, gehört auch einiges an Menschenkenntnis dazu, diesen einzuschätzen und dementsprechend den Umgang abzustimmen. Manche haben auch Extrawünsche, die gern erfüllt werden, wenn wir dazu die Kenntnisse haben. Wir alle im Handwerk haben mit schwierigen Umständen zu kämpfen, mangelnde Kräfte, eigenwillige Kunden, teils fehlendes Material, usw... Da geht es nicht umhin, auch mit den anderen Gewerken zu reden und Kontakt zu halten. Wie jeder andere Betrieb auch, könnten wir zwei Mitarbeiter mehr gut vertragen. Ich könnte da noch eine Stunde weiterschreiben... Als Nachtrag: wir sind Elektriker.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Toll, dass du das fragst!

Ich hatte schon viele Handwerker/Handwerksbetriebe sowohl privat, als auch beruflich erlebt. Als Auftraggeber und auch als Mensch, der das über sich ergehen lassen muss.

Ich zähle mal auf, was ich sehr gut finde:

Am Telefon eine freundliche Stimme

Gute zu findende Internetseite mit Beispielen des Arbeitsgebietes

Einen fixen Anprechpartner! Der am Anfang alles abspricht, zwischendurch nach dem Stand der Dinge schaut (bei längeren Auträgen) und der am Ende schaut, ob die Arbeit gut abgeschlossen ist. (Nicht bei Kleinauträgen)

Handwerker, die in relativ sauberer Kleidung kommen, am Morgen nicht nach Schweiß stinken und saubere Hände haben

Handwerker, die selbstbewusst und freundlich sind, ihre Werkzeuge schätzen und pflegen, gut sortiert und organisiert sind, in Ruhe ihre Arbeit leisten und ihren Arbeitsbereich vor- und nachbereiten

Handwerker, denen man eine Frage stellen kann und diese verständlich beantwortet wird

Handwerker, die mir sagen, dass sie keinen Kaffe wollen, sondern lieber xy

Handwerker, die auch einen kleinen Extrawunsch erfüllen (Beispiel ein ästhetischerer Türstopper in einem Kosmetiksalon als der vorgesehene)

Saubere gute Handwerksarbeit ist selbstverständlich.

Eine Rechnung, die dem Kostenvoranschlag entspricht, wenn nichts außergewöhnliches dawischen kam.

Handwerker, die sich etwas mit den Bedürfnissen der Kunden flexibel verhalten (bei Krankheit, konzentrativer Arbeit etc stark lärmende Tätigkeiten absprechen/abstimmen)

Also eigentlich nichts außergewöhnliches :-)

Ich persönlich beauftrage nur Firmen und erwarte Profis, die gut und schnell und sauber arbeiten. Ja, das bezahle ich gerne.

Alles Gute!

isilang  02.09.2022, 11:58

Der kleine "Extrawunsch" wird dann auch gezahlt? Meine Erfahrung mit Kunden zeigt nämlich, dass eine Bezahlung für solche kleinen "Extrawünsche" nicht unbedingt angedacht ist. Deshalb meine Frage.

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Labedenhasen  02.09.2022, 15:48
@isilang

Aber sicher! Wenn ich um etwas besseres oder schöneres bitte, muss mir als Kundd doch klar sein, dass das nicht umsonst sein kann!

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Meine Erfahrungen mit Handwerkern: Wir beauftragen öfters Handwerkerdienstleistungen rund um Immobilien.

Zum einen können sich viele Handwerker ihre Auftraggeber entsprechend aussuchen und bevorzugen entsprechend Kunden, die entspechend häufig Aufträge vergeben. Ist möglicherweise für einige Leute schwierig Projekte zeitnah umzusetzen.

Viele Handwerker verstehen unter Kunden/Service Orientierung hauptsächlich möglichst lange Arbeitszeiten.
Kommunikation, Erreichbarkeit, After Sales Service usw wird dabei oftmals außen vorgelassen.
mMn ist das auch einer der Gründe des Fachkräftemangels im (Bau-) Handwerk.

VIele Handwerker/Geschäftsführer im Handwerk haben keinerlei Ahnung von moderner Personalführung und moderner Technik. Ein Küchenplaner der behauptet ein Induktionsherd würde so funktionieren wie eine Mikrowelle erscheint auch nicht sonderlich kompetent. Genauso wenn er seine Mitarbeiter auf der Baustelle anschreit.

Ich weiß jetzt nicht, was für ein Handwerksbetrieb du übernimmst, aber ich hoffe, dass du hier einen moderneren Ansatz als viele deiner Handwerkskollegen fährst.
Und dabei wünsche ich dir alles gute!

Ich habe als Handwerker und Altgeselle mehr als einmal die Erfahrung gemacht und von Anderen die Bestätigung erhalten das wenn ein Junior die Firma übernimmt dieser die Altgeselle welche die Firma aufgebaut und getragen haben nicht respektiert und vermeint sich "Respekt verschaffen" zu müssen. Das ging nie gut und schadet stets der Firma. Du tust gut daran klar zu stellen wer nun der Chef ist - Du und niemand sonst - das Du aber sehr auf die alten Gesellen und ihren Rat achtest. Respekt der Alten wird Dir nicht geschenkt - Du Verdienst ihn Dir.

Ich habe es erlebt das ein Junior übernahm und den Betrieb innerhalb eines Jahres von 18 Gesellen auf 5 herunterwirtschaftete.

Viel Glück jünger Meister, sei klüger.

isilang  02.09.2022, 11:59

Ein kluger Rat! ☺

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Vielleicht mal einen Blick aus einer anderen Perspektive ...

Du bist kein Bittsteller, sondern bietest dein Wissen und Können. Du behandelst den Bauherren respektvoll, freundlich, also du erscheinst pünktlich und in gepflegter Arbeitskleidung und bist sehr gut vorbereitet. Du hast alle Werkzeuge und Materialien bei dir. Du hast dein Konzept im Kopf.

Aber du verkaufst dich nicht unter Wert und lässt dich auf Preisdrücken nicht ein. Wer sich den Kauf einer teuren und empfindlichen Edelstahlküche nebst Küchenblock für sein Eigenheim leisten kann, der kann sich auch den Einbau durch den professionellem Handwerker leisten. Aber genau an diesem soll dann oftmals gespart werden. Lass dich auf Jammern und Wehklagen "So teuer?" oder "Huch, das sprengt ja unsere Urlaubskassen" nicht ein. Du kannst nach deinen Möglichkeiten einen preislichen Schritt auf den Kunden zugehen, aber lass dich nicht verheizen.

Handwerk ist Können und Know-how. Und das hat eben seinen Preis, welcher absolut gerechtfertigt ist.

Es ist oftmals gut, Objekte im Vorfeld zu besichtigen. Fallstricke erkennt das geübte Auge so schneller. Außerdem kann man nur so einen seriösen Preis angeben. Viele Kunden wollen schon am Telefon einen Preis genannt bekommen. "Was kostet das?". Aber man kennt noch nicht die Gegebenheiten, die wichtig für die Kalkulation sind. Es erwarten einen manchmal sehr unvorhergesehene Dinge.

Biete immer an, Schuhüberzieher zu tragen!

Es gibt so tolle Kunden, die sind dankbar und freundlich ... Diese denken mit und bereiten ihrerseits schon Platz, dass du deine Arbeiten verrichten kannst. Dann gibt es auch Trinkgeld oder dir wird Kaffee angeboten ...

Es gibt ganz fürchterliche Kunden, die nur abfordern, noch während der Arbeiten versuchen, einen Mehrwert für ihr Geld zu erhalten, indem noch Kleinigkeiten hier und dort gratis mitgemacht werden sollen ... Das obliegt dir. Sie möchten dir am liebsten deine Arbeitsstunden für den Auftrag vorgeben. Sie behandeln dich wie ihren Angestellten. Lass dir nicht alles gefallen. Als Handwerker brauchst du ein dickes Fell.

Das sind Erfahrungwerte.

Viel Glück und viel Erfolg für dich.

14Alberich18  02.09.2022, 14:28

Sehr gute Antwort !

Aber du verkaufst dich nicht unter Wert und lässt dich auf Preisdrücken nicht ein.

Das bedeutet Du bietest Deine fachgerechte Arbeit nie auf "Myhammer" oder sonstigen Seiten an da sich Handwerker gegenseitig unterbieten. Kunden sollten begreifen das gute fachgerechte ARBEIT einen Selbstkostenpreis hat - vor Gewinn aus Arbeit. Wer zum Selbstkostenpreis Handwerk anbietet ist unseriös und pfuscht - weil er bei solchen Dumpingpreisen sonst gar nichts mehr vedient.

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isilang  02.09.2022, 14:35
@14Alberich18

Dankeschön. Der Tipp ist sicher sehr hilfreich für den FS.

Ich selbst bin nicht die handwerklich ausführende Kraft, sondern kenne das Thema als Büroperle ☺, die das alles so oft live miterlebt hat. Ich könnte auch schon Bücher schreiben...

Ich wollte mit meiner Antwort im Grunde u. a. das verdeutlichen, was du sinngemäß auch geschrieben hast: Fachlich gute Arbeit hat ihren Wert und sollte nicht verramscht werden. Der Wert wird leider nicht überall erkannt.

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