Der Freischütz. Warum verspottet Max/Killian?

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Es ist Kilian, der in der Oper «Der Freischütz» (Musik: Carl Maria von Weber; Libretto: Johann Friedrich Kind) Max verspottet.

Der Grund steht im Libretto (Textbuch) der Oper, Erster Aufzug, Nr. 1 Introduktion.

Kilian, ein reicher Bauer, wird bei einem Schützenfest Schützenkönig. Er gewinnt beim Sternschießen (Wettschießen auf als Sterne gestaltete Ziele), während Max, zweiter Jägerbursche beim Erbförster Kuno, immer gefehlt (am Ziel vorbeigeschossen) hat.

Es bildet sich ein Zug (dahinziehende Gruppe) mit Kilian als gefeiertem Sieger und die an Max Vorbeikommenden deuten mit höhnischen Gesten auf ihn. Kilian singt danach ein spöttisches Lied, an dem sich Mädchen und Männer beteiligen und bei dem dann der ganze Chor der Landleute an zwei Stellen die letzten Zeilen wiederholt (Spottchor).

Kilian erklärt dies gegenüber Kuno als ein Herkommen (einen Brauch/eine Sitte/eine traditionelle Gewohnheit):  

„Alles in Güte und Liebe, werter Herr Erbförster, gar nicht böse gemeint! Es ist Herkommen bei uns, daß, wer stets gefehlt hat, vom Königsschuß ausgeschlossen und dann ein wenig gehänselt wird - alles in Güte und Liebe.“

Für Max ist sein Versagen eine schwere Belastung und das Verspotten trifft ihn hart. Er hat seit mehreren Wochen beim Schießen nichts getroffen und muß am nächsten Tag bei einem Probeschießen vor dem böhmischen Fürsten Ottokar treffen, um seine Verlobte Agathe, Kunos Tochter, heiraten und die Erbförsterei übernehmen zu können.

Die Angst, das Probeschießen nicht zu bestehen, droht ihn zur Verzweiflung zu bringen.

Max geht daher auf den Vorschlag des ersten Jängerburschen Kaspar ein, um Mitternacht in der Wolfsschlucht Freikugeln (durch Zauber/Magie „frei“ gemachte [= geschützte, zu sicherer Tüchtigkeit gebrachte] Kugeln, die immer das Ziel treffen; der Sage/dem Aberglauben nach gehört die siebente Kugel dem Teufel, der sie auf ein von ihm gewolltes Ziel hinlenken kann; »Sechse treffen, sieben äffen!«) herzustellen. Allerdings ist ihm das Ganze unheimlich und er weiß im Grunde, sich auf etwas Unrechtmäßiges und Schlimmes einzulassen.

Als Max bei der Wolfsschlucht erscheint und zögert, in die Schlucht hinabzusteigen, erklingt im Orchester als Erinnerungsmotiv etwas vom Chor der Landleute, die sich wiederholenden großen Sekunden (eine große Sekunde ist ein Intervall vom 2 Halbtönen) beim spöttischen Lachmotiv »He, he, he...«. Die Angst vor Versagen, Spott und Blamage, wie er sie erlebt hat, wird als Beweggrund deutlich, der Max antreibt.

Jacob de Ruiter, Der Charakterbegriff in der Musik : Studien zur deutschen Ästhetik der Instrumentalmusik 1740 – 1850. Stuttgart : Steiner, 1989 (Archiv für Musikwissenschaft, Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft ; Band 29), S. 249:  

„Als Max im Finale des zweiten Aufzugs zweifelt, ob er in die Wolfschlucht herabsteigen soll, erklingt das Lachmotiv aus dem Spottchor (Nr. 10, T. 182 ff.). Die Erinnerung an seine peinliche Niederlage vor den Bauern verdrängt daraufhin sein Grausen vor der gespensterhaften Wolfsschlucht. Das Erklingen des Lachmotivs, nicht der Text motiviert hier motiviert hier Max' Entscheidung.“

T. = Takt  

ff. = folgende