Denker der Gedanken oder Beobachter Gedanken, steuere ich oder werde ich ferngesteuert, Esoterikblödsinn oder verdrängte Wahrheit?

15 Antworten

Das Problem mit allen Vereinfachern ist, dass sie einen einzigen Aspekt aus der komplexen Wirklichkeit herauslösen und als die erleuchtende Wahrheit hinstellen. Das wirkt geradezu magisch auf Menschen, die einfache Lösungen suchen. Soweit es sich um Vereinfachungen handelt, die uns Individuen von aller Verantwortung freisprechen, entsteht eine Sogwirkung auf alle, die gern ihre persönliche Verantwortung im Einzelfall los wären. Ein Trick dabei ist auch, uns Menschen generell als schuldig darzustellen, eigentlich nur noch zum Braten in der Hölle geeignet und dann kommt die große Erlösung: Peng - und wenn Du dies oder jenes befolgst und Dich unterwirfst bist Du alle Schuld los und erlöst, weil ein anderer diese diffuse Schuld bezahlt hat. Das sind alles einfach gestrickte Strategien der Verantwortungs- und Schuldbewältigung. Auf den Punkt gebracht haben soll es Herr Tetzel im Ablasshandel zu Luthers Zeiten: Wenn Du genug Taler in den Ablasskasten wirfst, bist Du wieder ein reiner Mensch, auch wenn Du vorher die Jungfrau Maria vernascht hast.

Ich empfehle das Buch von Richard David Precht zu lesen: Wer bin ich und wenn ja wie viele. Du wirst enttäuscht werden, weil er Dir keine eindeutigen Antworten gibt sondern nur Strukturen aufzeigt, in denen sich ein teils multiples Ich heranbildet. Das Richtige an der Gurulehre ist: Natürlich fallen wir nicht als Individuen vom Himmel sondern werden in eine Kultur und Gesellschaft hineingeboren mit Traditionen, Werten und einer prägenden Sprache. Falsch ist, dass wir dadurch bis in die letzte Faser determiniert wären. Dem steht die Behauptung des Existentialismus z.B. eines Jean Paul Sartre gegenüber: Wir sind zur Freiheit verdammt. Wir können uns der Freiheit von Handlungsentscheidungen nicht entziehen. Auch wenn wir nichts tun, tun wir etwas, was für Sartre in der Zeit der franz. Resistance besonders augenfällig war: Mancher, der geschwiegen hat, hat verraten. Wo die Wahrheit dazwischen liegt, hängt von der Persönlichkeit ab. Es gibt Mitläufer und Trendsetter, und schon das ist eine Vereinfachung.

Wir sind immer beides: Verursachte und Verursacher. Wir sind Teil eines riesigen Kommunikationsnetzes (wenn wir Handlungen auch mal als eine spezielle Form von Kommunikation ansehen) und wir zapfen nicht nur daraus ab, wir speisen auch ein. Lies mal die ersten Abschnitte von Kants "Was ist Aufklärung". Er sagt: "Habe den Mut, selbst zu denken." Feiglinge lassen denken und geben so den Herrschenden und Vordenkern aller Art einen Resonanzboden. Und die Bequemlichkeit des Mitschwimmens, der Trendanpassung ist eigentlich ein sich feige in der Masse verstecken. Nur nicht die eigene Nase in den Wind halten. Nur nicht widerspenstig auffallen! Wer keine eigene Meinung hat, muss auch zu keiner stehen und kann schnell mal auf den Guru zeigen: Der hat für mich gedacht und wer für viele Anhänger denkt, kann doch nicht falsch liegen. So entstehen z.B. Diktaturen, für deren Untaten hinterher keiner verantwortlich gewesen sein will.

TinoMino 
Fragesteller
 20.05.2016, 11:35

Hallo Herr Berkehrsheim. Dieser Text der durch Sie DURCH gedacht wurde von welcher Instanz auch immer versteht mein Verstand nicht. Ich schaue mir Ihren Text an und hoffe das in mir die richtigen Gedanken hochkommen mit denen ich mich identifizieren kann. Es passiert aber kein Verständniss. Daran bin nicht ichSchuld sonder mein Verstand da ICH ja nicht der DENKER BIN. Es versteht es nicht daher kann ich nicht eine Antwort durch mich durch lassen. Das ist was ich als Beobachter grade wahrnehme

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Solche esoterischen Sprüche braucht man nicht, vor allem haben die Esoteriker das nicht erfunden, sondern woanders abgeschaut. Was ist, wie es ist, ist so auch ohne Esoteriker.

"Ich werde gedacht" gefällt mir nicht. Aber "Es denkt in mir". Ich finde das richtig. Denn du steuerst wirklich kaum selbst, was du denkst. Denk mal an Unterbewusstsein, Triebe, Gelenktsein von äußeren Eindrücken.

Du entscheidest nicht, ob du Hunger und Durst hast. Du entscheidest nicht, wie du bei Gefahr für dein Leben handelst. Du entscheidest nicht, ob sexuelle Anwandlungen in dir aufkommen. Du entscheidest nicht, ob in dir Fürsoge für ein Baby aufkommt. Du entscheidest nicht, ob du dich bei 20 Grad Temperatur am wohlsten fühlst usw usw usw

Wir entscheiden nicht wirklich selbst viel.


TinoMino 
Fragesteller
 20.05.2016, 11:02

Du redest von Trieben, Gefühlen, Hunger. Davon rede ich nicht! Ich rede davon wer der Denker deiner Gedanken IST. Wer hat grade mir geantwortet? DU oder irgendwas anderes? Wessen Worte sind das? DEINE? Sicher? Hattest du das vollkommen unter Kontrolle? In dir geschah was und du hast es geglaubt und nennst es DEINE Meinung aber es ist nicht DEINE

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Nur Gedanken, bei denen du nicht über etwas nachdenkst, sind die deinen. 

Sobald du über etwas nachdenkst, hat das Objekt, über das du nachdenkst, einen Einfluss auf dein denken.

Es ist aber sehr schwer, zu denken, ohne über etwas nachzudenken. So stelle ich mir Meditation vor.

TinoMino 
Fragesteller
 20.05.2016, 11:08

Das ergibt keinen Sinn deine Antwort. Nachdenken bin nicht ICH aber denken bin ICH????

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Suboptimierer  20.05.2016, 11:12
@TinoMino

Ich probiere es, einmal anders zu formulieren. Das Schwierige ist, Gedanken vorm inneren Auge vorbeiziehen zu sehen, ohne sich darauf zu konzentrieren. Als Beobachter: "Oh, guck, da ist ein Gedanke." Aber nicht dran klammern, sich nicht am Gedanken festbeißen. Der Versuch, nur wahrzunehmen und sich zu ergründen. Keine Pläne für die Zukunft schmieden, keine Lösungsstrategien erarbeiten, die Vergangenheit ruhen lassen. Im Hier und Jetzt präsent sein. 

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TinoMino 
Fragesteller
 20.05.2016, 11:14
@Suboptimierer

Zack also sind wir Menschen nicht die Denker unserer Gedanken sondern nur Beobachter. Wir werden also alle gedacht. Das steckt in deiner Antwort drin.

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Suboptimierer  20.05.2016, 11:20
@TinoMino

Wir haben die Fähigkeit, zu reflektieren. Wir können auf verschiedene Weise denken. Immer wenn du eine Stimme im Kopf bewusst wahrnimmst, reflektierst du. Wir können aber auch denken, ohne darüber nachzudenken, dass wir denken.

"Bewusst" habe mich mal extra hervorgehoben, weil das ein entscheidendes Stichwort ist. Unabhängig von deiner Frage ist es ein progressiver Prozess, sich Dingen bewusst zu werden. Bewusstwerden vertreibt Unwissen. Bewusstwerden lässt einen entspannteren Umgang mit der Welt zu. Bewusstwerden schafft Möglichkeiten. Man ist weniger eingeengt. Man verliert sich nicht.

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TinoMino 
Fragesteller
 20.05.2016, 11:25
@Suboptimierer

Die Stimme im Kopf bist nicht DU. Du bist der BEOBACHTER. Es ist nicht deine Meinung die du hier niederschreibst sondern Gedanken die in dir auftauchen ohne deine Kontrolle und denen du glaubst, mit denen du dich identifizierst. Du kannst nichts anderes tun als nur beobachten und hoffen das in dir der richtige Gedanke hochkommt dem du nachsgehst.

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Suboptimierer  20.05.2016, 11:38
@TinoMino

Die Stimme in meinem Kopf ist Teil von mir, genauso wie der, der sie wahrnimmt. Bitte zieh das jetzt nicht ins Lächerliche, als hätten wir alle eine gespaltene Persönlichkeit, aber wir können mit uns selbst in den Dialog treten. Das sind alles wir.

Hmm :/ Womit könnte man das vergleichen? Kennst du dich etwas mit dem Christentum aus? Dort wird Gott als Vater im Himmel, als Jesus und als Heiliger Geist gesehen. Trotzdem sind alle Gott.

Dann hat man versucht, Parallelen zu ziehen. Seele, Geist und Körper sind du. Das aber nur nebenbei. Es geht hier jetzt um die innere Stimme, wie die einzuordnen ist.

Man kann sich der Antwort auch versuchen, aus der Gegenrichtung zu nähern. Wenn die innere Stimme nicht du bist, wer ist sie dann?

Ich finde das faszinierend. Selbst wenn man ein in der Leere schwebendes Gehirn ohne Kontakt zur Außenwelt wäre, so gäbe es eine Unterscheidung. "Das bin ich und ich denke gerade über mich nach."

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Für mich ist recht einfach "bewiesen", warum ich nicht Denker, sondern nur Beobachter "meiner" Gedanken bin:

Sobald ich auch nur einen Gedanken beobachte, entsteht eine Distanz zwischen mir als Subjekt und dem Gedanken als Objekt. Ich bin dann nicht mit dem Gedanken identifiziert, d.h. ich fühle mich damit nicht eins, ich BIN es nicht. Das ist so, wie wenn ich (als Körper) mit meinen Sinnen vorbeiziehende Wolken am Himmel beobachte oder vorbeirauschende Autos von einer Autobahnbrücke aus. Ich bin dann nicht die Wolken oder die Autos...

Und jetzt kommt der Clou: Das "Ich", das sich im gewöhnlichen Alltagsbewusstsein dür den Denker bzw. Macher und Kontrolleur hält, ist auch nur ein Gedanke, der beobachtet werden kann, wenn man sich mit ihm desidentifiziert, also "Selbstdistanz" gewinnt...

Deswegen muss ich aber nicht davon ausgehen, dass ich "ferngesteuert" werde. Die Gedanken (und andere Objekte) tauchen einfach aus dem Nichts auf und verschwinden wieder ins Nichts. Dieses Nichts ist "etwas", was der denkende Verstand nicht begreifen kann, weil er selbst ein Objekt ist, das vom Nichts beobachtet wird. Sogesehen bin ich selbst dieses Nichts bzw. wahrnehmendes, unbedingtes Subjekt und brauche keine Fernsteuerung von "außerhalb" zu befürchten. Alles erscheint "in mir", dem unbegrenzten Wahrnehmungs- und Beobachtungsraum...

Ich hoffe du verstehst jetzt noch weniger ;-)

Natürlich kannst Du "ich" einfach als Sammelbegriff für alle Gedanken und Gefühle, die sich in Deinem Körper abspielen, benutzen.

Wenn Du es allerdings mal genauer betrachtest, wirst Du feststellen, dass sich das, was da in Dir "ich sagt", nur sehr schwer (oder eigentlich gar nicht) fest machen lässt. Es huschen einfach verschiedene Gedanken, Eindrücke und Gefühle durch dich, jeweils aus einer ganz eigenen Perspektive - und nichts davon ist mehr "ich" als das Andere. Ja, mehr noch: es gibt in diesen ganzen wechselnden Perspektiven keine psychische Instanz "ich", die die ganze Zeit die Selbe bliebe. Das eine "Ich" gibt dem anderen die Klinke in die Hand.

Und dieser "Beobachter", von dem Du sprichst, ist genau so wenig das "ich", sondern auch nur eine Instanz, die mal kurzzeitig die Oberhand gewinnen kann.

Setzt Dich mal eine Weile hin, und versuche, zu beobachten, was da von ganz alleine in Deinen Gedanken passiert - dann verstehst Du vielleicht, was ich oder die ganzen Gurus meinen.