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Die Frage hat eine theoretische und eine praktische Seite.

Erst mal zur Theorie:

Es gibt ein Modell des Weltalls, das heute sviw kein Astronom oder Astrophysiker mehr benutzt. Nicht weil es falsch ist - es unterscheidet sich von dem in der Astronomie benutzten Modell nur durch eine Koordinatentransformation, die beiden Modelle sind also beide gleich richtig (oder ggf. gleich falsch).

Das Modell, ist: Von einem Zentrum rasen alle Galaxien einander weg, je weiter entfernt desto größer ist die „Fluchtgeschwindigkeit”. Da die schnellste Geschwindigkeit im All die Lichtgeschwindigkeit ist, entspricht der Durchmesser des Alls dem Alter des Universums.

Für viele Zwecke in der Astronomie ist das Modell nicht gut geeignet:

  • Angenommen, wir könnten durch ein Wunder von jetzt auf gleich an einen Punkt kommen, der genau halb so weit entfernt von uns ist wie der Rand des Universums. Wenn wir dort unsere Geschwindigkeit von hier (also praktisch Null) beibehalten, würde alles mit halber Lichtgeschwindigkeit von uns wegrasen, was nicht so gesund ist. Also werden wir uns an diese Fluchtgeschwindigkeit anpassen und ebenfalls mit halber Lichtgeschwindigkeit Richtung Rand des Universums rasen. Hier kommt nun die (spezielle) Relativitätstheorie zum Tragen …
  • … und das bedeutet, dass für uns andere Dinge gleichzeitig sind als auf der Erde. Der Rand, auf den wir (von der Erde aus gesehen) zurasen, liegt gewissermaßen in unserer Vergangenheit, bzw. was nach der neuen Gleichzeitigkeit „jetzt” der Rand dort ist, liegt entsprechend weiter weg. Umgekehrt: Richtung Erde ist das, was von der Erde "jetzt" der Rand ist, für uns nun Zukunft, und „jetzt” ist der Rand näher. Das führt dazu, dass wir nun (nach unseren Koordinaten) genauso im Mittelpunkt des Universums stehen, wie zuvor die Erde. Was der Mittelpunkt des Universums ist, ist somit genauso relativ wie der „Mittelpunkt” der Erdoberfläche.
  • Das lässt sich beliebig oft wiederholen: nach jedem Schritt »halbe« Entfernung zum Rand sind wir wieder im (relativen) Mittelpunkt, und die Sache geht von vorne los.
  • Statt zu einem Punkt zu gehen, der relativ zu uns (also unserer Bewegung) gleichzeitig ist, könnten wir auch zu einem Punkt mit halber Fluchtgeschwindigkeit gehen, bei dem für die Materie dort genauso viel Zeit seit dem Urknall vergangen ist wie für uns (von der Erde aus gesehen liegt der in der Zukunft). Auch dann werden wir natürlich wieder im (relativen) Zentrums des Universums landen, und können das beliebig oft wiederholen.
  • Ist nun das Universums endlich (weil der Rand, sagen wir mal, 13,8 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ist), oder unendlich (weil wir uns den Rand in unendlich vielen Schritten mit fester Länge nähern können, ohne ihn zu erreichen)? Das ist jetzt schon fast eine philosophische Frage …
  • Und jetzt noch ein Effekt, der die Astronomen besonders stört: Wie schon angedeutet, nimmt der zeitliche Abstand zum Urknall ab, je näher man dem Rand des Universums kommt. „Populärwissenschaftlich” vereinfacht: Am Rand des Universums findet der Urknall immer noch statt …

Astronomen benutzen ein Modell, bei dem "gleichzeitig" bedeutet, dass (im jeweiligen relativen Bezugssystem) gleich viel Zeit seit dem Urknall vergangen ist. Also das, was wir „gleichzeitig” nenne würde, liegt dann alles in der Vergangenheit, und was dort „gleichzeitig” ist, liegt nach „normalen” Koordinaten alles in der Zukunft. Und natürlich ändern sich auch die Abstände, wenn da umgerechnet wird. Dabei gibt es mehrere Effekte:

  • Die Fluchtgeschwindigkeit hat andere Eigenschaften als „normale” Geschwindigkeiten, insbesondere kann sie beliebig groß werden (größer als die Lichtgeschwindigkeit!), und addiert sich zu normalen Geschwindigkeiten direkt (nicht nach den Formeln der Relativitätstheorie). Sie wird deshalb nicht mehr als eine Bewegung der Objekte interpretiert (wie im obigen Modell), sondern als eine Eigenschaft des Raums, der sich ausdehnt.
  • Berechnet man jetzt, wie sich Winkel im Raum verhalten, wenn alle Messpunkte gleichzeitig (im oben erklärten Sinn!) sind, so zeigt sich, dass dieser Raum negativ gekrümmt ist.
  • Dazu kommt aber noch der Effekt, dass Materie laut (allgemeiner) Relativitätstheorie „den Raum krümmt”. Geht man vereinfacht von einer gleichmäßigen Materieverteilung aus, ergibt sich eine positive Krümmung, die sich mit der oben genannten negativen Krümmung überlagert.
  • In der Praxis ist die Krümmung lokal nicht gleichmäßig, weil die Materie lokal nicht gleichmäßig verteilt ist, aber das ist wie Berge und Täler auf der Erdkugel: diese Abweichungen könne für die Frage, ob das .Universum endlich oder unendlich ist, vernachlässigt werden).
  • Wenn die negative Krümmung überwiegt, ist das all unendlich, wenn die positive Krümmung überwiegt, ist es endlich, in erster Näherung wie die Ober„fläche” einer vierdimensionalen (Hyper-)Kugel. Diese Ober„fläche” ist natürlich dreidimensional …

Soweit die Theorie. Geht man also von dem Modell aus, dass die Astronomen benutzen, hängt die Frage, ob das Universum endlich oder unendlich ist, davon ab, von wie viel Materie es positiv gekrümmt wird, bzw. welche Gesamtkrümmung sich dadurch ergibt.

Über die Praxis schreibe ich besser in einem extra Kommentar hierzu.

helmutwk  20.07.2022, 18:10
Nun nur Praxis

Wie gesagt: Wenn man wissen will, ob das All endlich oder unendlich ist, muss man herausfinden, wie „dicht” (oder besser: wie dünn) die Materie im Universum vorhanden ist, oder ob das Universum positiv oder negativ gekrümmt ist (kennt man die Antwort auf eine der beiden Fragen, lässt sich die andere Antwort daraus berechnen).

Dummerweise wissen wir zu wenig über „dunkle” Materie, um auf Grund der Masse im Universum etwas schließen zu können.

Für die Frage, wie das Universum gekrümmt ist, gibt es eine naive „Messmethode”: man nehme zwei Objekte, deren Abstand voneinander bekannt ist, und deren Abstand zur Erde bekannt ist, und messe den Winkel zwischen beiden auf der Erde. Bei positiver Krümmung ist der größer als nach den Abständen zu erwarten, bei negativer Krümmung kleiner.

Warum bezeichne ich das als „naiv”? Weil da jemand davon ausgeht, dass der Abstand zur Erde bekannt ist. Aber wenn man überlegt, wie so ein Abstand gemessen wird …

Für nahe Objekte gibt es verschiedene Methoden, insbesondere Winkelmessungen und Laufzeit von Laserlicht, für weit entfernte Objekte (um die es hier ja geht) gibt es aber nur einen: Standardkerzen. So nennt man Objekte (z.B. bestimmte Sterne), deren absolute Helligkeit bekannt ist, also die Menge an Licht, die sie ausstrahlen. Und das vergleicht man damit, wie hell sie hier auf der Erde zu sehen sind. Da die scheinbare Helligkeit umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstand ist, erhält man so den Abstand dieser Objekte. Ist erst mal logisch …

Aber warum ist die scheinbare Helligkeit umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands? Nun: Das Licht breitet sich in alle Richtungen aus, wenn es die Erde erreicht ist es als über eine Kugel mit dem Abstand zur Erde als Radius verteilt. Streng genommen messen wir also die scheinbare Helligkeit, berechnen daraus, welcher Anteil des abgestrahlten Lichts im entsprechenden Messgerät angekommen ist, und welchen Bruchteil der Kugeloberfläche der „Lichtwellenfront” zur Messung herangezogen wurde bzw. wie groß die Oberfläche dieser Kugel ist, und dann können wir gemäß O=4πr² den Radius, also die Entfernung zur Erde bestimmen.

Dummerweise gilt O=4πr² nur im nicht gekrümmten Raum. Also müsstre man, wenn man die exakte Entfernung wissen will, noch einen Korrekturfaktor (ein Sinus oder Sinus-hyperbolicus, je nach Raumkrümmung) dazu nehmen. Sag mir, wie der Raum gekrümmt ist, und dich nenne die die Entfernung, die du brauchst, um die Krümmung des Raums zu messen. Klar so geht es nicht. Wer naiverweise von der unkorrigierten Entfernung zur Erde ausgeht, der setzt implizit voraus, dass das Universum flach ist, und misst denn auch Krümmung Null (weder positiv noch negativ, im rahmen der Messgenauigkeit).

Unter Astronomen scheint das Bewusstsein für dieses Problem nicht besonders ausgeprägt zu sein, denn wenn jemand so eine Messung veröffentlicht, wird das zur Kenntnis genommen, ohne den Mann auf seine Naivität hinzuweisen …

Man könnte die Hubble-Konstante benutzen, um eine Entfernung zu haben, die von Standardkerzen unabhängig ist: Wenn zwischen der Entfernung, die sich aus der Hubble-Konstanten ergibt, und der Entfernung, die sich aus der Benutzung von Standardkerzen ergibt, einen Unterschied auftaucht (insbesondere einer, der mit sin bzw. sinh beschrieben werden kann), dann ist das ein Hinweis auf ein gekrümmtes Universum.

Astronomen nehmen so was aber lieber als Hinweis auf eine „dunkle Energie” …

Begehe ich einen Denkfehler, oder bin ich nur der Erste, der darauf hinweist?

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helmutwk  20.07.2022, 18:24
@helmutwk

Ups: Es sollte Und nun zur Praxis heißen - alle möglichen Tippfehler korrigiert, und den in der Überschrift übersehen ;)

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mewlone  21.07.2022, 02:27
@helmutwk

Lol wieso ist das so komplizier, ich hab es mit immer so erklärt: Der Urknall war relativ punktförmig, und seit dem breitet sich das Universum mit einer endlichen geschwindigkeit aus, und da wir nun eine endliche Zeit weit weg von diesem Ereignss sind, kann die Entfernung nur endlich sein. Oder ist da ein massiver Denkfehler drinnen

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helmutwk  21.07.2022, 11:59
@mewlone

Das ist das zuerst genannte Modell. Aber die Astronomen arbeiten mit einem anderen Modell, in dem das Universum unendlich oder auch endlich sein kann … da wissen wir nicht genug, um das endgültig sagen zu können.

Die beiden Modelle lassen sich ineinander umrechnen, sind also zwei Betrachtungsweisen des gleichen Sachverhalts. Und das ist kompliziert, ich habe versucht, es möglichst einfach zu erklären, vielleicht kann ja jemand (z.B. Herr Kratzenberg-Annies?) das noch einfacher erklären. Oder du stellst konkrete Fragen und ich versuche, die einfach zu beantworten …

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Reggid  21.07.2022, 12:03
@helmutwk
Unter Astronomen scheint das Bewusstsein für dieses Problem nicht besonders ausgeprägt zu sein,

wie kommst du auf die absurde idee dass astronomen nicht bewusst wäre wie man verschiedene distanzen in abhängigkeit der globalen räumlichen krümmung misst??? das ist deren täglich brot. ungefähr so normal wie morgens die kaffeemaschine einzuschalten.

Begehe ich einen Denkfehler, oder bin ich nur der Erste, der darauf hinweist?

ich muss dich enttäuschen. du bist nicht der erste der entdeckt hat, dass eine globale räumliche krümmung auswirkungen auf verschiedene entfernungsmaße hat. das weiß man (und berücksichtigt man selbstverständlich) seit ca hundert jahren.

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helmutwk  21.07.2022, 12:32
@Reggid
wie kommst du auf die absurde idee dass astronomen nicht bewusst wäre wie man verschiedene distanzen in abhängigkeit der globalen räumlichen krümmung misst???

Wenn die Krümmung bekannt ist, ist das kein Problem. Ich sprach doch davon, dass man die globale Krümmung des Unversums durch Winkelmessung messen will. Dass das nicht funktionieren kann, habe ich ja ausführlich begründet. Da kommt bei naiver Anwendung immer „im Rahmen der Messgenauigkeit beträgt die Krümmung Null” heraus, egal wie stark das Universum tatsächlich positiv oder negativ gekrümmt ist.

Lokale Krümmungen kann man natürlich so herausfinden (Stichwort „Gravitationslinse”). Aber darum ging es ja nicht.

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helmutwk  21.07.2022, 12:40
@helmutwk
beträgt die Krümmung Null

Oder anders formuliert: „Krümmungsradius ist unendlich“.

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Reggid  21.07.2022, 13:17
@helmutwk

die räumliche krümmung wird meist über das spektrum der hintergrundstrahlung gemessen. und nein, da würde nicht immer null herauskommen wenn der krümmungsparameter einen anderen wert hätte. die leute sind - anders als das viele zu meinen scheinen - auch nicht blöd die das machen.

alternativ (aber weniger präzise meines wissens nach) über die kritische dichte des universums. vermutlich gibt es noch andere methoden.

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mewlone  21.07.2022, 14:01
@helmutwk

Aber wie kann das Universum überhaupt unendlich sein dann? Das erste schliest eine Unendlichkeit doch aus

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mewlone  21.07.2022, 14:04
@helmutwk

Naja wenn er gekrümmt wäre könnte man es doch mit der 180° Regeln bei Dreieclen rausfinden, wenn die krümmung nicht so klein ist

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helmutwk  21.07.2022, 19:32
@Reggid
die räumliche krümmung wird meist über das spektrum der hintergrundstrahlung gemessen

Also entweder hast du nicht verstanden, was ich geschrieben habe, oder du meinst, dass bei Methode, mit der die Entfernung der Hintergrundstrahlung bestimmt wird, Standardkerzen überhaupt keine Rolle spielen.

da würde nicht immer null herauskommen wenn der krümmungsparameter einen anderen wert hätte

Wenn für die Entfernungsmessung Standradkerzen benutzt werden, kommt ein anderer Winkel heraus, aber auch eine andere Entfernung, nämlich statt der realen Entfernung zur s Standardkerze der Radius r der Kugel der Lichtwellenfront, wenn diese Kugel in einem euklidischen Raum ist.

In einem ungekrümmten Universum sind s und r logischerweise gleich, andernfalls gilt: r=s*sin(s/R) bzw. r=sinh(s/R). Mit R = Krümmungsradius des Universums.

Also ein anderer Winkel und eine andere Entfernung (s statt r), und das gleicht sich aus: Die scheinbare Krümmung ist Null, egal wie die tatsächliche Krümmung ist.

Das ist reine Mathematik.

die leute sind - anders als das viele zu meinen scheinen - auch nicht blöd die das machen.

Blöd nicht - aber haben sie wirklich über das Problem der falschen Entfernung bei Standardkerzen und gekrümmten Raum nachgedacht? Könntest du ein entsprechendes Paper verlinken?

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helmutwk  21.07.2022, 19:40
@mewlone
Das erste schliest eine Unendlichkeit doch aus

Es kommt eben darauf an, wie man „unendlich” definiert. Ich habe ja darauf hingewiesen, dass auch im „endlichen” Universum jeder Beobachter sich im Mittelpunkt des Weltalls sieht.

Du kannst also nicht zum Rand den Universums reisen, weil jeder Punkt des Universums „gleich weit vom Rand entfernt” ist. Bezeihungsweise: Das was wir als ”nah am Rand” ansehen, ist nur deshlab nah, weil es näher am Urknall, also jünger ist. Nach unserem Bezugssystem natürlich gleichzeitig zu „jetzt”, aber unser Bezugssystem ist auch nur relativ und nichts Absolutes.

Die Astronomen rechne mit einem Modell, in dem „gleichzeitig” so viel wie ”gleich alt, gleicher zweitabstand zum urknall” bedeutet - und dann siehs das universum anders aus. Der „Rand” ist nun im Zeitpunkt Null (Urknall), und ob das Universum zu einem späteren Zeitunkt (z.B. jetzt) endlich oder unendlich ist, ist eine offene Frage.

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Reggid  21.07.2022, 19:52
@helmutwk
aber haben sie wirklich über das Problem der falschen Entfernung bei Standardkerzen und gekrümmten Raum nachgedacht?

ja

Könntest du ein entsprechendes Paper verlinken?

das kannst du in wahrscheinlich jedem einführungs text nachlesen. sogar in skripten, lehrbüchern,.... das ist anfänger material.

sogar wikipedia weiß wie die lumiosity distance vom krümmungsparameter abhängt. Distance measure - Wikipedia

(und du weißt es ja auch. wieso glaubst du das wäre geheimwissen dass nur du hast?)

du glaubst es steht sogar auf wikipedia, aber die astronomen haben noch nie davon gehört? nochmal, wovon wir hier sprechen ist das kleine 1x1 der kosmologie.

hast du EIN konkretes beispiel wo eine messung deiner meinung nach falsch durchgeführt wurde?

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helmutwk  21.07.2022, 20:21
@Reggid
hast du EIN konkretes beispiel wo eine messung deiner meinung nach falsch durchgeführt wurde?

Die Messungen sind nicht falsch durchgeführt, sondern falsch interpretiert worden.

Noch mal: Um eine Krümmung festzustellen, brauchst du u.a. die Entfernun g der entsprechenden Objekte. Wenn (wie im Wiki-Abschnitt) dunkle Energie ins Spiel kommt, heißt das, dass die Hubble-Konstante anhand von Messungen mit Standardkerzen „korrigiert” wurde. D.h. es wird davon ausgegangen, dass die Abstände gemäß Standardkerzen nicht korrigiert werden müssen, also dass scheinbare Helligkeit umgekehrt proportional zum Abstand der Standardkerze ist - und das heißt implizit, dass das Universum flach ist.

Wenn man in der Berechnung (implizit) davon ausgeht, dass das Universum flach ist, kommt heraus, dass es flach ist. Was denn sonst?

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Reggid  21.07.2022, 21:08
@helmutwk
also dass scheinbare Helligkeit umgekehrt proportional zum Abstand der Standardkerze ist

du bist nicht sehr spezifisch was du mit "abstand" meinst, aber die luminosity distance ist definiert über das verhältnis von absoluter und scheinbarer helligkeit. da steckt noch keine physik drinnen, das ist nur eine definition. das ist nur eine abkürzung für "wurzel-von-absoluter-helligkeit-durch-scheinbare-helligkeit-mal-4-pi".

in den zusammenhang zwischen luminosity distance und anderen messbaren größen wie z.B. rotverschiebung oder proper und comoving distance (auch wenn die letzten beiden nicht direkt messbar sind) geht der krümmungsparameter selbstverständlich ein. das "vergisst" niemand.

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mewlone  22.07.2022, 04:02
@helmutwk

Aber mit rand meine ich doch das was am weitesten weg ist vom Urknall weil es sich doch von dort aus ausbreitet.

Und wieso soll denn jeder Punkt in der Mitte sein, in einem Balon den man Aifbläst ist doch auch nicht jeder Punkt in der Mitte

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helmutwk  23.07.2022, 17:06
@Reggid
das ist nur eine abkürzung für "wurzel-von-absoluter-helligkeit-durch-scheinbare-helligkeit-mal-4-pi

… und diese Formel ergibt sich aus der Formel für die Oberfläche einer Kugel: O=4πr². Die Energie, die sich über die gesamte kugelförmige Wellenfront verteilt (absolute Helligkeit) wird mit der Energie verglichen, die das Messgerät erreicht (scheinbare Helligkeit), Daraus ergibt ich das Verhältnis der Gesamtoberfläche der Kugel zur Fläche, die das Messgerät abfängt, und dann muss man die Formel nur nach r auflösen und hat deine Formel.

Die Formel für die Oberfläche einer Kugel gilt aber so nur im euklidichen Raum, andernfalls musst du, wie oben gesagt, mit l=d*sin(d/R) bzw. l=d*sinh(d/R) korrigieren. Mit l als luminosity distance und d als den anhand der Raumkrümmung korrigierten Wert.

In der von dir angegebenen Formel versteckt sich also die implizite Annahme, dass das Universum euklidisch ist.

Oder anders gesagt: Wenn du diesen Korrekturfaktor in die Berechnungen mit einbezieht, stellst du fest, dass du per Vergleich von luminosity distance und Winkel zweier Objekte (deren Distanz senkrecht zur Sichtlinie bekannt ist) nichts über die Raumkrümmung herausbekommst. Bei negativer Krümmung sehn wir einen kleineren Winkel, messen eine größere Entfernung, und diese beiden Effekte heben sich sozusagen gegenseitig auf. Entsprechend bei positiver Krümmung.

in den zusammenhang zwischen luminosity distance und anderen messbaren größen wie z.B. rotverschiebung oder proper und comoving distance (auch wenn die letzten beiden nicht direkt messbar sind) geht der krümmungsparameter selbstverständlich ein

Das hilft mir aber noch nicht zu verstehen, wie der Krümmungsradius bestimmt wird. "Geht ein” klingt ja so, als ob der bekannt ist. Woher?

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helmutwk  23.07.2022, 18:32
@mewlone
Und wieso soll denn jeder Punkt in der Mitte sein

Weil der Rand sich von der Mitte entfernt. Und laut spezieller Relativitätstheorie sind für bewegte Beobachter andere Dinge gleichzeitig als für unbewegte. Also halb so weit vom Rand entfernt bewegen die sich mit halber Lichtgeschwindigkeit, und deshalb ist der Teil des Randes, auf den sie sich zubewegen, für die weiter entfernt (denn wie weit er „jetzt” nach irdischer Gleichzeitigkeit entfernt ist, ist für die Vergangenheit, und der Rand hat sich seitdem weiter weg bewegt). Entsprechend in der Gegenrichtung, da sind wir für diese Beobachter die Leute, die sich auf halbem Weg zum Rand mit halber Lichtgeschwindigkeit entfernen … Bewegung ist nun mal „relativ”, und Gleichzeitigkeit auch, abhängig von der Bewegung.

in einem Balon den man Aifbläst ist doch auch nicht jeder Punkt in der Mitte

Niemand bläst einen Ballon so schnell auf, dass da relativische Effekte einen Rolle spielen.

Wie gesagt: Jeder Beobachter kommt zunächst mal zum Schluss, dass seine Galaxie im Mittelpunkt des Universums steht.

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Reggid  23.07.2022, 20:32
@helmutwk
und diese Formel ergibt sich aus der Formel für die Oberfläche einer Kugel: O=4πr². Die Energie, die sich über die gesamte kugelförmige Wellenfront verteilt (absolute Helligkeit) wird mit der Energie verglichen, die das Messgerät erreicht (scheinbare Helligkeit)

ja, die luminosity distance ist definiert als jene entfernung, die sich ergeben würde, wenn man die entfernung aus absoluter und scheinbarer helligkeit unter annahme eines statischen und euklidschem universums berechnet. das ist nicht dummheit, das ist nur die definition einer größe. entscheidend ist was man damit macht. und NIEMAND sagt dass das einfach "der abstand" ist. sondern einfach nur dass diese größe (die in der tat keinen anderen informationsgehalt hat als bloß das verhältnis von absoluter zu scheinbarer helligkeit) eine interessante (und vor allem messbare!) größe ist, die man mit anderen messbaren größen in zusammenhang stellen kann um etwas über das universum zu lernen.

der zusammenhang zwischen dieser simplen größe und einem anderen abstandsmaß (z.B. rotverschiebung) lässt sich dann ableiten und ist natürlich komplizierter, weil das universum in wirklichkeit natürlich nicht statisch ist sondern expandiert, und weil die räumliche geometrie des universums (möglicherweise) nicht euklidisch ist.

Das hilft mir aber noch nicht zu verstehen, wie der Krümmungsradius bestimmt wird

schau dir z.B. nochmal das an:

Distance measure - Wikipedia

luminosity distance dL (und wenn dich der name "distance" hier stört, dann denke dir hier einfach "verhältnis von absoluter zu scheinbarer helligkeit") hängt von transverse comoving distance dM ab. dM hängt schon mal direkt direkt von Omega_k (das worum es dir geht) ab, und von comoving distance dC. dC hängt von E(z) ab, was wiederum direkt von Omega_k abhängt.

wenn du also die luminosity distance dL (=verhältnis von absoluter zu scheinbarer helligkeit) als funktion der rotverschiebung z ausdrückst, dann hängt diese funktion wie du siehst ganz eindeutig vom parameter Omega_k ab (ebenso von den anderen Omegas, und H_0). wenn du jetzt von ganz vielen supernovae dL (= verhältnis von absoluter zu scheinbarer helligkeit) misst und dazu noch die rotverschiebung z, und das ganze in einen plot dL(=verhältnis von absoluter zu scheinbarer helligkeit) vs z einträgst, dann kannst du davon die parameter H_0, und die Omegas bestimmen die diesen gemessenen zusammenhang beschreiben. denn für ein anderes Omega_k sieht diese funktion dL(z) (=verhältnis von absoluter zu scheinbarer helligkeit als funktion der rotverschiebung) nämlich anders aus und beschreibt damit die experimentellen daten besser oder schlechter. so kann man dann einen fit machen.

(das ist ein möglichkeit die tatsächliche die luminosity distance (=verhältnis von absoluter und scheinbarer helligkeit) und standardkerzen verwendet, um die es dir ja scheinbar geht. tatsächlich kommen die präzisesten messungen des krümmungsparamter aus der hintergrundstrahlung. die anzahl und die position der peaks im angular power spectrum der temperatur anisotropien hängen nämlich von der räumlichen geometrie ab. aber das hat dann nichts mit supernovae, standardkerzen und luminosity distance (= verhältins von ..... du weißt schon) zu tun)

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helmutwk  24.07.2022, 10:41
@Reggid

Wir reden immer noch aneinander vorbei. Du verweist auf Umrechnungen für verschieden definierte Abstände, also wie sie mit der Rotverschiebung zusammenhängen, aber darum gehts mir nicht. Ich rede von der proper distance, und wie sie bestimmt wird.

Also fange ich von vorne an, und benutze einen anderen Weg. Vergleichen wir zwei hypothetische Universen. In beiden gibt es (u.a.) eine Erde mit Beobachtern, und zwei weit von der Erde entfernte Objekte. Der transversale Abstand t der beiden Objekte ist bekannt, ebenso ihre Absolute und relative Helligkeit, und somit die luminal distance, sowie der Winkel w, unter dem sie von der Erde aus gemessen werden. Alle diese Werte sind in beiden Universen gleich. Außerdeem nehme ich der Einfachheit halber an, dass beide Universen statrisch sind, also die von dir verlinkten Formeln bei Wiki irrelevant sind.

Ein Universum ist euklidisch. Dann kann die proper distance aus der luminosity distance berechnet werden. Die ist die Wurzel aus der Oberfläche der Kugel, in der sich das Licht ausgebreitet hat, wenn es die Erde erreicht, geteilt durch , wegen O=4πr².

Außerdem kann die proper distance aus dem Winkel berechnet werden, denn er ist ja der Bruchteil eines Großkreises aus einer Kugel um die Erde, deren Radius die proper distance ist. Und gemäß U=2πr ist es das gleiche r.

Das andere Universum ist nicht euklidisch, da gelten O=4πr² und U=2πr nicht. Je nach Krümmung des Universum ist die proper distance größer oder kleiner als r. Aber der Winkel zu dem Objekten hat die gleiche Größe im Verhältnis zum Großkreis, auf dem der Winkel liegt, und aus der luminosity distance folgt der gleiche Wert für die Oberfläche der von der Lichtwellenfront gebildeten Kugel, folgt aus beiden das gleiche r wie im euklidischen Universum. Nur das ist nicht die proper distance. Die ergibt sich aus r=R*sin(d/R) bzw. r=R*sinh(d/R) - ich habe einen Fehler in den oben angegebene Formeln korrigiert - also

d=R*asin[h](r/R)

und ob da asin oder asinh benutzt werden muss, hängt natürlich davon ab, wie das Universum gekrümmt ist.

Die Benutzung von Standardkerzen entspricht der Messung von r anhand der luminosity distance. Aber wenn ich diesen Abstand r zugrunde lege (statt des wahren Abstands d), um dann damit, sowie mit einem Winkel w und einem bekannten transversalem Abstand t eine Krümmung des Universums zu finden, dann habe ich im Grunde r mit r verglichen, und da kommt natürlich Gleichheit (”nicht gekrümmte Universum”) heraus, egal wie das Universum tatsächlich gekrümmt ist.

Das gilt für alle gleichmäßig (anisotrop) gekrümmten Universum, egal ob es da einen Rot- bzw. Blauverschiebung gibt oder ob das Universum statisch ist … die von dir verlinkten Formeln von Wiki tragen zum Thema nichts bei. Mir geht es um was Anderes, und ich hoffe, du hast jetzt verstanden.

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helmutwk  24.07.2022, 16:53
@helmutwk

Um jetzt noch auf die Formeln in Wiki einzugehen: Die sind ja anhand von Werten aufgesetzt, bei denen die proper distance aus Messungen der luminar distance berechnet wurde, und deshalb eine zeitlich veränderte Hubble-Konstante herauskommt (was mit „dunkler Energie” erklärt wird). Wenn die zeitliche Änderung der Hubble-Konstante als Artefakt der Raumkrümmung gesehen wird, brauchen wir keine dunkle Energie, haben eine andere Materiedichte … kurz so ziemlich alle Variablen haben einen anderen Wert. Weil eben nicht die Hubble-Konstante „korrigiert” wird, sondern die proper distance, wie sie bisher berechnet wurde.

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Die Frage kommt mehrfach vor. Kurze Antwort: Ich weiß es nicht und wirklich wissen tut das wahrscheinlich niemand. Es gibt lediglich viele sehr tiefgehende wissenschaftliche Überlegungen dazu.