cloelia?

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Nach römischer Überlieferung hat sich die dem König von Clusium, Lars Porsenna, gegebene Geisel Cloelia durch große Tapferkeit ausgezeichnet, indem sie durch den Tiber floh. Dieses Ereignis hat nach der gängigen Chronologie in der Zeit der späten römischen Republik 508 v. Chr. (damals durch Nennung der Konsuln des Jahres oder Zählung ab urbe condita angegeben) stattgefunden.

Eine Cloelia, die als Beispiel weiblicher Tapferkeit berühmt geworden ist (René Bloch, Cloelia [1]. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 3: Cl - Epi. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1997, Spalte 42 – 43), hat nach dieser Überlieferung also am Ende des 6. Jahrhundert v. Chr. gelebt, in der Zeit ein wenig vor 500 v. Chr. Als sie Geisel wurde, war sie Jugendliche/Mädchen/Jungfrau. Ihre Geburt lag also den Erzählungen zufolge wohl etwas mehr als 10 Jahre vor 508 v. Chr. Wie alt sie geworden sei, wird nicht erzählt. Da kein baldiger Tod erwähnt wird, könnte (die grundsätzliche Frage der geschichtlichen Echtheit der Überlieferung ausgeklammert) für sie eine Lebenszeit auch noch ein Zeit lang nach 500 v. Chr. angenommen werden, in der ersten Zeit des 5. Jahrhunderts v. Chr. Cloelia hat nach der Überlieferung den Übergang von der römischen Königszeit zur frühen römischen Republik erlebt.

Was die Überlieferung erzählt, ist nur ein angebliches Ereignis. Die Formulierung „gelebt haben soll“ zeigt einen berechtigten Zweifel, ob tatsächliches geschichtliches Geschehen vorliegt.

Bei der Cloelia-Geschichte gibt es stichhaltige Gründe, sie für eine spätere Erfindung zu halten.

Irgendeine Cloelia hat dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit in der Zeit kurz vor 500 v. Chr. gelebt. Es hat die gens Cloelia, eine patrizische Familie gegeben. Mehrere Leute mit dem Familiennamen (nomen gentile) Cloelius sind für das 5. Jahrhundert v. Chr. in Quellen erwähnt. Nach dem römischen Namenssystem hieß die Tochter von jemand, der Cloelius hieß, Cloelia.

Bei der Cloelia-Geschichte handelt es sich um eine aitiologische Sage und um eine patriotische Legende/einen patriotischen Mythos.

Die Erklärung von Erscheinungen der Gegenwart durch eine Erzählung über einen Ursprung (αἴτιον [aítion]) in der Vergangenheit wird Aitiologie genannt. Im Fall der Cloelia-Geschichte wird ein Reiterstandbild in Rom erklärt.

Eine patriotische Legende/ein patriotischer Mythos ist die Cloelia-Geschichte (unter anderem bei Livius 2, 13, 6 – 11 erzählt), indem sie (wie die Horatius Cocles-Geschichte [Livius 2, 10, 2 – 11] und die Mucius Scaevola-Geschichte [Livius 2, 12]) eine Niederlage der Römer gegen Etrusker und die Eroberung Roms durch Lars Porsenna verdeckt, und einen Eindruck römischer Unterlegenheit durch Darstellung einzelner (angeblicher) römischer Heldentaten abschwächt.

Lars Porsenna (bzw. Laris Porsenna), ein Etrusker, war nach der Überlieferung König von Clusium (heute Chiusi) am Ende des 6. Jahrhunderts. Lars Porsenna (Porsena bei Horaz, Epode 16, 4; Macrobius, Saturmalia 2, 412; inschriftlich Porsina, CIL VI 32919; griechisch Πο�?σίνας: Dionysios von Halikarnassos Ῥωμαϊκὴ Ἀ�?χαιολογία/Antiquitates Romanae/Römische Altertümer 5, 21, 1; wohl etruskischer Eigenname, vielleicht auch abgeleitet von zilath purthne, der Bezeichnung für das oberste Amt in etruskischen Städten) wollte nach römischer Überlieferung (Livius 2, 9, 1 – 2, 14, 9; Dionysios von Halikarnassos Ῥωμαϊκὴ Ἀ�?χαιολογία/Antiquitates Romanae/Römische Altertümer 5, 21 , 1- 5, 34, 5) den zu ihm geflüchteten Tarquinius Superbus wieder als König in Rom einsetzen, zog aber beeindruckt vom heldenhaften Widerstand der Römer wieder ab und überließ den Römern sein Lager mit allen Vorräten.

Der geschichtliche Kern ist eher, daß Lars Porsenna an der Spitze einer Kriegergruppe stand, die Lucius Tarquinius Superbus – vielleicht im Einverständnis mit der römischen Oberschicht – vertrieb und dann selbst Rom als Basis für Raubzüge nach Latium oder die Eroberung von Latium nutzen wollte, Lars Porsenna wurde demnach der »achte König Roms«. Er überließ die Stadt seinem Sohnes Arruns und zog sich nach Clusium zurück. Erst Niederlagen des Arruns gegen ein Bündnis zwischen Latinern und dem Stadtherrscher (»Tyrann«) Aristodemos von Kyme bei Aricia (505/4 v. Chr.; vgl. Dionysios von Halikarnassos Ῥωμαϊκὴ Ἀ�?χαιολογία/Antiquitates Romanae/Römische Altertümer 7, 3 – 11) setzen etruskischen Vorhaben ein Ende und erlaubte die Entwicklung der römischen Republik.

Albrecht  13.09.2013, 07:27

Eine Erinnerung an die Niederlage gegen Lars Porsenna (Tacitus, Historiae 3, 72: Porsenna dedita urbe, die Stadt Porsenna übergeben/ausgeliefert/unterworfen; Plinius, Naturalis historia 34, 139: nach dem Vertrag mit Porsenna durften die Römer kein Eisen verwenden außer in der Landwirtschaft) ist in einer Tradition enthalten, die über Timaios auf eine Stadtchronik von Kyme zurückgeht und nicht patriotischer Umformung unterlag (Walter Eder, Porsenna. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 10: Pol - Sal. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2001, Spalte 182).

Die Römer schließen nach der gewöhnlichen römischen Überlieferung, durch die Belagerung Roms bedrängt, mit Lars Porsenna einen Frieden, nach dem Lucius Tarquinius Superbus nicht als König eingesetzt wird, die Römer aber ein von Veii erobertes Gebiet wieder abgeben müssen. Zur Einhaltung des Friedens stellen die Römer Geiseln (nach einigen Autoren 10 Jungen und 10 Mädchen aus vornehmen Familien).

Cloelia ist eine junge Geisel des Lars Porsenna (Livius 2, 13, 6 – 11; Dionysios von Halikarnassos Ῥωμαϊκὴ Ἀρχαιολογία/Antiquitates Romanae/Römische Altertümer 5, 35; Plutarch, Poplicola 18 - 19; Plutarch, Γυναικῶν ἀρεταί/Mulierum virtutes/Tugenden von Frauen 14; Plinius, naturalis historia 34, 28 – 29; Seneca, Dialogi 6 [Ad Marciam de consolatione] 16, 2; Florus 1, 4, 7 bzw. nach anderer Zählung 1, 10, 7; Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 3, 3, 3; Sextus Aurelius Victor, De viris illustribus 13, 1 – 4; Polyainos 8, 31) im Lager der Etrusker nahe des Tiberufers. Sie entkommt, schwimmt durch den Fluß (bzw. überquert ihn auf einem Pferd) und rettet sich (oder auch noch eine Gruppe vom Mädchen, die trotz feindlichen Beschusses ebenfalls durch den Fluß schwimmen) nach Rom Cloelia muß dem König zurückgegeben werden. Dieser ist zuerst zornig, dann besteht bei ihm Bewunderung. Er droht, eine Nichtrückgabe der Geisel als Bruch des Friedensvertrages zu werten, bietet aber bei Rückgabe an, Cloelia unberührt und unverletzt freizulassen. Zum Teil wird erzählt, Cloelia habe dann einen Teil der Geiseln mit in die Freiheit nehmen dürfen und Lars Porsenna habe ihr ein Pferd geschenkt.

Auf dem höchsten Punkt der Via Sacra wurde Cloelia ein Standbild errichtet (nach Livius 13, 11 von den Römern gestiftet; nach einer genaueren Angabe bei Dionysios 5, 35 von den Vätern der Geiseln; nach Lucius Calpurnius Piso bei Plinius, Naturalis historia 34, 29 von den Geiseln selbst; nach Servius zu Vergil, Aeneis 8, 646 auf Antrag Porsennas), das ein Mädchen auf einem Pferd darstellte.

Plutarch, Publicola18 – 19 und Plutarch, Γυναικῶν ἀρεταί/Mulierum virtutes/Tugenden von Frauen 14 enthält mehrere Fassungen, darunter auch eine Überlieferung, die Frau auf dem Pferdestandbild sei nicht Cloelia, sondern Valeria, eine Tochter des Konsuls Publius Valerius Publicola/Poblicola/Poplicola. Valeria sei, als die Geiseln zu Porsenna zurückgeschickt wurden, einem von Tarquinius gestelltem Hinterhalt entflohen (vgl. Plinius, Naturalis historia 34, 29).

Als Cloelia Geisel gewesen ist, waren nach Livius 2, 9, 1 Publius Valerius Publicola/Poblicola/Poplicola (zweites Mal) und Titus Lucretius Tricipitinus Konsuln, nach Dionysios von Halikarnassos Ῥωμαϊκὴ Ἀρχαιολογία/Antiquitates Romanae/Römische Altertümer 5, 21, 1 Publius Valerius Publicola/Poblicola/Poplicola (drittes Mal) und Marcus Horatius Pulvillus (zweites Mal).

Am Anfang der Liste der römischen Konsuln gibt es (neben einer allgemeinen Unsicherheit) einige Unstimmigkeiten und abgesehen von der Erfindung der Cloelia-Geschichte ist wohl das Jahr 505/4 v. Chr. eher zutreffend als das bei den antiken Römern traditionell gewordene Jahr 509/8.

zur Darstellung, die Livius zu Cloelia gibt:

Barbara Kowalewski, Frauengestalten im Geschichtswerk des T. Livius. München ; Leipzig : Saur, 2002 (Beiträge zur Altertumskunde ; Band 170), S. 51 – 57

Andreas Alföldi, Das frühe Rom und die Latiner. Aus dem Englischen übersetzt von Frank Kolb. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977, S. 149:
„Die hübsche Anekdote von der mutigen römischen Jungfrau und dem ritterlichen König von Clusium wurde zusammen mit den sie begleitenden Geschichten erfunden, um „die Schmach der Unterjochung Roms durch die Etrusker“ zu verschleiern. Diese Tarnung hat der erste römische Annalist für seine griechischen Leser konzipiert. Es ist kein bloßer Zufall, daß die Tapferkeit der Cloelia wieder mit den künstlerischen Mitteln und malerischen Motiven der hellenistischen Literatur geschildert wird.“

1

Sie lebte etwa 500 vor Christus

arbutus 
Fragesteller
 12.09.2013, 10:56

Super... Danke :-)

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