Aristoteles "Zoon Politikon" Zitat?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Zoon politikon

Bei der Frage einer Ersterwähnung des Zoon politikon bei Aristoteles ist das Fehlen einer sicheren und genauen Chronologie seiner Werke zu berücksichtigen.

Zuverlässig sind nur Angaben darüber möglich, wo innerhalb eines Werkes der Begriff ζῷον πολιτικόν (zoon politikon) zuerst vorkommt.

Der Begriff hat einen Bezug zur Polis (πόλις), ein Typ Staat der antiken Griechen, der eine Bürgergemeinschaft war.

Herangezogen werden kann:

Otfried Höffe, zộon politikon / politisches Lebewesen. In: Aristoteles-Lexikon. Herausgegeben von Otfried Höffe. Redaktion: Rolf Geiger und Philipp Brüllmann. Stuttgart : Kröner, 2005 (Kröners Taschenausgabe ; Band 459), S. 620 – 621

Aristoteles, Politika (Πολιτικά; Politik; lateinischer Titel: Politica) Buch 1, Kapitel 2, 1153 a wird der Mensch als seiner Natur/seinem Wesen (φύσις [physis] = Natur, Wesen) nach (ausgedrückt mit dem Dativ φύσει) politisches/auf eine politische Gemeinschaft ausgerichtetes/staatenbildendes Lebewesen bezeichnet (φύσει πολιτικὸν ζῷον).

Aristoteles, Politik. Übersetzt und mit einer Einleitung sowie Anmerkungen herausgegeben von Eckart Schütrumpf. Hamburg : Meiner, 2012 (Philosophische Bibliothek ; Band 616), S. 6:

„Daraus geht nun klar hervor, daß der Staat zu den Dingen zu zählen ist, die von Natur sind, und daß der Mensch von Natur ein Lebewesen ist, das zum staatlichen Verband gehört, und daß derjenige, der aufgrund seiner Natur, und nicht durch eine Schicksalsfügung, außerhalb des staatlichen Verbandes steht, entweder minderwertig - oder übermenschlich - ist, wie derjenige, der von Homer geschmäht wurde: «ohne Geschlechterverband, ohne Recht, ohne Herd». Denn wer von Natur aus so ist, der sucht zugleich Streit, da er ohne Verbindung dasteht wie (ein Stein) auf dem Spielbrett. Daß aber die Bezeichnung «zu einem staatlichen Verband gehörend» eher für den Menschen als für jede Biene und jedes Herdentier zutrifft, ist klar. Denn die Natur schafft, wie wir sagen, nichts ohne Zweck. Nun hat der Mensch als einziges Lebewesen Sprache; die Stimme gibt zwar ein Zeichen von Schmerz und Freude, deswegen ist sie auch den übrigen Lebewesen verliehen, denn ihre Natur gelangte bis zu der Stufe, daß sie Empfindung von Lust und Schmerz haben und sich diese untereinander anzeigen; die Sprache aber dient dazu, das Nützliche und Schädliche, und daher auch das Gerechte und Ungerechte, darzulegen. Denn dies ist den Menschen gegenüber den anderen Lebewesen eigentümlich, allein ein Empfinden für Gut und Schlecht, Gerecht und Ungerecht und anderes zu haben. Die Gemeinschaft in diesen Dingen begründet aber Haushalt und Staatsverband.“

Der Mensch (ἄνθρωπος [anthropos]) ist nach Auffassung von Aristoteles seiner Natur/seinem Wesen nach ein ζῷον πολιτικόν (zoon politikon), weil eine politische Gemeinschaft die Voraussetzung ist, um seine Möglichkeiten voll zu verwirklichen und günstige Chancen auf Überleben und gutes Leben (Daseinsziel Glück) zu haben. Es gibt Kooperation (Zusammenarbeit) mit anderen Menschen. Ein isoliertes Individuum kann keine gleichen Bedingungen erreichen und seine Anlagen nicht voll entfalten.

Aristoteles, Politika (Πολιτικά; Politik; lateinischer Titel: Politica) Buch 1, Kapitel 2, 1153 a kommt danach auch noch φύσει πολιτικὸν ζῷον vor.

Aristoteles, Politika (Πολιτικά; Politik; lateinischer Titel: Politica) Buch 2, Kapitel 6, 1278 b kommt πολιτικὸν καὶ οἰκονομικὸν ζῷον (politikon kai oikonomikon zoon; politisches und ökonomisches/auf eine Haushaltsgemeinschaft ausgerichtetes Lebewesen) vor.

Aristoteles, Ethika Eudemeia (Ἠθικὰ Εὐδήµεια; Eudemische Ethik; lateinischer Titel: Ethica Eudemia) Buch 7, Kapitel 10, 1242 a wird ebenfalls der Mensch als πολιτικὸν καὶ οἰκονομικὸν ζῷον verstanden, auch als κοινωνικὸν ζῷον [koinonikon zoon; auf eine Gemeinschaft ausgerichtetes/gemeinschaftsbildendes Lebewesen).

Aristoteles, Ethika Nikomacheia (Ἠθικὰ Νικοµάχεια; Eudemische Ethik; lateinischer Titel: Ethica Nicomachea) Buch 1, Kapitel 5, 1097 b wird der Mensch als φύσει πολιτικὸν (physei politikon; seiner Natur/seinem Wesen nach politisch), Buch 9, Kapitel 9, 1169 b als πολιτικὸν καὶ συζῆν (politikon kai syzen; politisch und zusammenlebend).

Sammelbegriff

Ein sehr allgemeiner Begriff ist „Unterscheidungsmerkmale“.

Bei der Unterscheidung zwischen Mensch und Tier (bzw. anderen Tieren/Lebewesen) kann für alles, was eine Sonderstellung des Menschen in seiner Eigenschaft als sprach- und vernunftbegabtes Lebewesen begründet, der Sammelbegriff „Logos“ verwendet werden.

Das griechische Wort «Logos» (λόγος) hat eine große Bedeutungsbandbreite und wird vielfältig verwendet. Die Bedeutung geht von „Wort“ über beispielsweise „Rede“, „Gespräch“, „Darstellung“, „Aussage“, „Satz“, „Sprache“ und „Überlegung“ bis hin zu „Vernunft“ und „Geist“.

zum Sprachgebrauch bei Aristoteles kann herangezogen werden:

Christoph Horn, logos / Wortkombination, Rede, Sprache, Vernunft. In: Aristoteles-Lexikon. Herausgegeben von Otfried Höffe. Redaktion: Rolf Geiger und Philipp Brüllmann. Stuttgart : Kröner, 2005 (Kröners Taschenausgabe ; Band 459), S. 329 – 333

Unter einen Sammelbegriff „Logos“ kann alles fallen, was zu höheren Formen der Kommunikation und Rationalität gehört, die nach Auffasssung von Aristoteles dem Menschen eigentümlich sind und ihm vom Tier (bzw. anderen Tieren/Lebewesen unterscheiden).

Aristoteles nennt in biologischen Schriften auch seiner Meinung nach spezifische Eigenschaften des Menschen, bei denen es nicht um Logos geht, sondern um biologische Merkmale (vor allem im Bereich von Anatomie und Sinnesphysiologie, aber z. B. auch Fortpflanzung).

Unterscheidungsmerkmale außer der politischen Natur des Menschen

  • Sprache (λόγος [logos), wobei auch das Erkennen und Gedankenaustausch über das, was gut und schlecht (z. B. nützlich oder schädlich, gerecht und ungerecht/Recht und Unrecht) einbezogen wird und Gemeinsamkeit (so etwas wie ein Werte- und Rechtsgemeinschaft) entstehen kann): Aristoteles, Politika (Πολιτικά; Politik; lateinischer Titel: Politica) Buch 1, Kapitel 2, 1153 a; Aristoteles, Historia Zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 4, Kapitel 9, 536 a- b (διάλεκτον [dialekton])
  • Vernunft: Aristoteles, Politika (Πολιτικά; Politik; lateinischer Titel: Politica) Buch 1, Kapitel 2, 1153 a; Buch 7, Kapitel 13. 1332 b (Logos) ; Aristoteles, Ethika Nikomacheia (Ἠθικὰ Νικοµάχεια; Eudemische Ethik; lateinischer Titel: Ethica Nicomachea) Buch 1, Kapitel 6, 1098 a; Aristoteles, Peri psyches (Περὶ ψυχῆς; Über die Seele; lateinischer Titel: De anima) Buch 2, Kapitel 3, 414 b - 415 a, und Buch 3, Kapitel 3, 428 a (νοῦς [nous] = Denkkraft, Vernunft, Intellekt, Geist); Aristoteles, Protreptikos (Προτρεπτικός; Protreptikos, lateinischer Titel: Protrepticus) 28 -29 (λόγος [logos], φρόνησις [phronesis; (Einsicht, Denken, Klugheit, praktische Vernunft) σοφία θεωρητική [sophia theoretike; theoretische Weisheit) und 32
  • Fähigkeit zur Wiedererinnerung (gezieltes Suchen): Aristoteles, Historia Zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 1, Kapitel 1, 488 b
  • Leben mit Kunstfertigkeit/Technik (τέχνη [techne]) und Überlegung (λογισμός [logismos]), durch Erfahrung ergibt sich Wissenschaft (ἐπιστήμη [episteme]) und Kunstfertigkeit/Technik (τέχνη [techne]): Aristoteles, Ta meta ta physika (Τὰ µετὰ τὰ φυσικά; Metaphysik; lateinischer Titel: Metaphysica) Buch 1, Kapitel 1, 980 b- 981 a
  • Herzklopfen, weil Mensch in Erwartung des Zukünftigen lebt: Aristoteles, Peri zoon morion (Περὶ ζῴων µορίων; Über die Teile der Tiere/Lebewesen; De partibus animalium) Buch 3, Kapitel 6, 669 a
  • keine Bewegbarkeit der Ohren: Aristoteles, Historia Zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 1, Kapitel 11, 492 a
  • Anordnung der oberen und unteren Teile ensprechend dem Ganzen der Weltordnung: Aristoteles, Historia Zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 1, Kapitel 15, 493 a – 494 b; Aristoteles, Peri zoon morion (Περὶ ζῴων µορίων; Über die Teile der Tiere/Lebewesen; De partibus animalium) Buch 2, Kapitel 10, 656 a
  • Gesicht: Aristoteles, Historia Zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 1, Kapitel 8, 491 b meint, nur für den Menschen werde das griechische Wort für Gesicht (πρόσωπον [prosopon]) verwendet, nicht für z. B. Fische oder Rinder, vgl. Aristoteles, Peri zoon morion (Περὶ ζῴων µορίων; Über die Teile der Tiere/Lebewesen; De partibus animalium) Buch 3, Kapitel 1, 662 b

Aristoteles nennt auch Merkmale, bei denen der Mensch sich verhältnismäßig, graduell oder in Bezug auf bestimmte Gruppen von Tieren unterscheidet.

besonders hohes Maß der Fähigkeit zur Nachahmung: Aristoteles, Peri poietikes (Περὶ ποιητικῆς (Poetik/Über die Dichtkunst; lateinischer Titel: De arte poetica) Kapitel 4, 1448 b

vergleichsweise ganz besonders genauer Tastsinn und Geschmackssinn: Aristoteles, Peri psyches (Περὶ ψυχῆς; Über die Seele; lateinischer Titel: De anima) Buch 2, Kapitel 9, 421 a

aufrechter Gang und Zweibeinigkeit (Bipedie) im Unterschied zu den anderen vierfüßig-lebendgebärenden Tieren: Aristoteles, Peri zoon morion (Περὶ ζῴων µορίων; Über die Teile der Tiere/Lebewesen; De partibus animalium) Buch 4, Kapitel 10, 686 a

besonders vielfältig einsetzbare und geschickte Hände als Werkzeug, dabei Händigkeit (linke Hand und rechte Hand individuell ungleich): Aristoteles, Peri zoon morion (Περὶ ζῴων µορίων; Über die Teile der Tiere/Lebewesen; De partibus animalium) Buch 4, Kapitel 10, 686 a – 688 a (Fingernägel nur zum Schutz [Abdeckung der Fingerspitzen])

verhältnismäßig großer unterer Teil (der das Gewicht trägt und die Fortbewegung ausführt) im Verhältnis zum oberen Teil (Rumpf): Aristoteles, Peri zoon morion (Περὶ ζῴων µορίων; Über die Teile der Tiere/Lebewesen; De partibus animalium) Buch 4, Kapitel 10, 686 b, andere Lebewesen zwergenhaft (gemeint ist weniger geringe Göße als unproportional-asymmetrische Körpermaße)

im Verhältnis zur Gesamtgröße die größten Füße: Aristoteles, Peri zoon morion (Περὶ ζῴων µορίων; Über die Teile der Tiere/Lebewesen; De partibus animalium) Buch 4, Kapitel 10, 686 b

im Verhältnis zur Gesamtgröße größtes und feuchtestes Gehirn: Aristoteles, Historia zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 1, Kapitel 16, 494 b; Aristoteles, Peri zoon morion (Περὶ ζῴων µορίων; Über die Teile der Tiere/Lebewesen; De partibus animalium) Buch 2, Kapitel 7, 653 a; Aristoteles, Peri zoon geneseos (Περὶ ζῴων γενέσεως: Über die Entstehung der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: De generatione animalium) Buch 2, Kapitel 6, 744 a, erklärt mit reinster Wärme im Herzen als Ursache, Günstigkeit dieser Temperatur zeigt sich darin, daß der Mensch die größte Denkkraft hat

dünnste und reinstes Blut: Aristoteles, Historia zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 3, Kapitel 19, 521 a

im Verhältnis zur Gesamtgröße geringster Abstand der Augen: Aristoteles, Historia zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 1, Kapitel 15, 494 b

allein oder am meisten verschiedenfarbige Augen: Aristoteles, Historia zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 1, Kapitel 11, 492 a; Aristoteles, Historia Zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 5, Kapitel 1, 779 a

am meisten zu jeder Zeit zu Paarung und Zeugung bereit: Aristoteles, Historia Zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 5, 8, 542 a

Mann produziert im Verhältnis zur Körpergröße die größte Menge an Sperma: Aristoteles, Historia Zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 7, Kapitel 13, 583 a

längste nachgewiesene Lebensdauer außer dem Elefanten: Aristoteles, Historia Zoon (Ἱστορία ζῴων; Geschichte der Tiere/Lebewesen; lateinischer Titel: historia animalium) Buch 4. Kapitel 10, 777 b