Alpenüberquerung Hannibals-Wie viele überlebten?

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Sichere genaue Zahlen sind kaum möglich.

Angaben zur Anzahl, die in der antiken Geschichtsschreibung überliefert werden, können genannt werden. Sie stimmen teils überein, teils weichen sie voneinander ab. Quellenkritisch kann überlegt werden, woher Informationen stammen und wie zuverlässig sie sind. Dabei kann auch untersucht werden, wie sachlich plausibel Angaben sind.

Hannibal selbst hat Zahlen in einem Tatenbericht angegeben, den er 205 v. Chr. in einer bronzenen Inschrift in punischer und griechischer Sprache beim Vorgebirge Lacinium (Süditalien) aufstellen ließ, an einem Altar, der er beim Tempel der Iuno Lacinia errichten und weihen ließ (Polybios 3, 33, 17 – 18 [beruft sich für seine genauen Angaben darauf, der von ihm gefundenen Inschrift zu folgen]; Polybios 3, 56, 4; Livius 28, 46, 16).

Die Angaben, mit welcher Anzahl an Soldaten Hannibal nach der Überquerung der Alpen in Oberitalien ankam, sind verhältnismäßig niedrig und stehen nicht außerhalb jedes Zweifels. Vielleicht hat Hannibal etwas weggelassen, um eine Leistung zu betonen, mit wie wenigen Truppen er den Römern schwere Niederlagen in Schlachten zugefügt und sich eine lange Zeit hindurch in Italien behauptet hat. Oder Polybios ist bei der Wiedergabe nicht ganz genau und vollständig.

Danach betragen die Zahlen der Soldaten, mit denen Hannibal nach der Überquerung der Alpen in Oberitalien ankam, rund 12000 Libyer-Fußsoldaten, 8000 Iberer-Fußsoldaten (also zusammen 20000 Fußsoldaten) und 6000 Reiter.

Eine von einigen Forschern vertretene Annahme ist, bei der Schlacht an der Trebia (218 v. Chr.) erwähnte 8000 Lanzenträger und Schleuderer von den Balearen seien hinzuzufügen (als leichtbewaffnete Fußsoldaten zu 20000 schwerbewaffneten Fußsoldaten hinzukommend). Dies wären dann insgesamt rund 34000 Soldaten statt 26000 Soldaten.

Nach Polybios 3, 35, 1 ist Hannibal 218 v. Chr. von Qarthadasht/Qart-ḥadašt (phönizisch/punisch; „Neue Stadt“, „Neustadt“)/Nea Karchedon (altgriechisch: Nέα Καϱχηδών)/Nova Carthago (lateinisch; „Neukarthago“; heute spanisch: Cartagena) mit ungefähr 90000 Fußsoldaten und 12000 Reitern losgezogen. Bei Beginn der Pyrenäenüberquerung hatte er 50000 Fußsoldaten und ungefähr 9000 Reiter (Polybios 3, 35, 7). An der Rhône (altgriechisch: Ῥοδανός [Rhodanos; lateinisch: Rhodanus) hatte Hannibal ungefähr 38000 Fußsoldaten und mehr als 8000 Reiter (Polybios 3, 60, 5) sowie 37 Elefanten (Polybios 3, 42, 11). Nach Überquerung der Alpen waren es 12000 Libyer-Fußsoldaten, ungefähr 8000 Iberer-Fußsoldaten und nicht mehr als 6000 Reiter (Polybios 3, 56, 3 - 4). Zur Anzahl der Elefanten, die bis nach Oberitalien kamen, fehlt eine Angabe.

Nach Livius 21, 23, 1 hat Hannibal mit 90000 Fußsoldaten und 12000 Reitern den Ebro überschritten. Livius 21, 38, 2 – 5 erzählt, die Geschichtsschreiber überlieferten verschiedene Zahlen, und nennt als höchste Anzahl nach Überquerung der Alpen und Ankunft in Oberitalien 100000 Fußsoldaten und 20000 Reiter, als niedrigste Anzahl 20000 Fußsoldaten und 6000 Reiter. Zur Anzahl der Elefanten macht er an diesen Textstellen keine Angaben. Lucius Cincius Alimentus zähle Gallier und Ligurer hinzu (wogegen Livius nachvollziehbar einwendet, von diesen Völkern seien später Truppen gekommen) und komme mit diesen zusammen auf 80000 Fußsoldaten und 10000 Reiter. Lucius Cincius Alimentus, der Kriegsgefangener gewesen sei, berichte, nach dem Übergang über die Rhône habe Hannibal zu ihm gesagt, 36000 Menschen und viele Pferde und andere Tiere verloren zu haben.

Appian, Annibaike 4 [13] gibt für den Aufbruch 90000 Fußsoldaten, ungefähr 12000 Reiter und 37 Elefanten an.

Nach Eutropius 3, 8, 2 ist überliefert, Hannibal habe (beim Aufbruch) 80000 Fußsoldaten, 10000 Reiter und 37 Elefanten herangeführt.

Die Verluste sind nach diesen Zahlen hoch (Polybios 3, 56, 2 sagt, es habe viele Verluste gegeben), aber die Angaben können in Zweifel gezogen werden.

Geringere Zahlen im Verlauf des Kriegszugs müssen nicht bei allen Einbußen des Heeres als Tote eingeordnet werden. Es gibt eine Theorie, Soldaten seien zur Sicherung von Nachschubwegen stationiert worden. Beim Anmarsch kann es in den Pyrenäen und in Gallien unter neu ausgehobenen Soldaten Deserteure gegeben haben.

Hannibals Bruder Hasdrubal hat 208 v. Chr. mit einem Heer Pyrenäen und Alpen ohne große Verluste überquert. Hannibal hat Absprachen mit keltischen Stämmen getroffen und die Überquerung vorbereitet. Es wurden einheimische Wegführer gestellt, es gab Versorgung mit Kleidung, Schuhen und Verpflegung. Eine gewisse Anzahl an Verlusten durch einige Angriffe und Naturwidrigkeiten ist nachvollziehbar, aber die sehr hohen Zahlen sind sachlich betrachtet erstaunlich und nicht hochgradig wahrscheinlich (auch der gewöhnlich eher nüchterne griechische Geschichtsschreiber Polybios scheint Übertreibungen verfallen zu sein). Ob die Soldaten tatsächlich massenweise in die Tiefe gestürzt, erfroren und verhungert sind, kann bezweifelt werden.

Albrecht  17.05.2015, 07:26

In Büchern gibt es Informationen zum Thema, vielleicht ist etwas davon in einer nahegelegen Bibliothek vorhanden:

Pedro Barceló, Hannibal : Stratege und Staatsmann. Stuttgart : Reclam, 2012 (Reclam-Taschenbuch ; Nr. 20263). ISBN 978-3-15-020263-0 (Taschenbuchausgabe eines Buches, zuerst Stuttgart : Klett-Cotta, 2004)

Karl Christ, Hannibal. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2003 (Gestalten der Antike). ISBN 3-534-15414-2

Robert Garland, Hannibal : das gescheiterte Genie. Aus dem Englischen von Elisabeth Begemann. 1. Auflage. Darmstadt ; Mainz : von Zabern, 2012. ISBN 978-3-8053-4540-8

Serge Lancel, Hannibal : die Biographie. Aus dem Französischen von Bernd Schwibs. Düsseldorf : Albatros-Verlag, 2000. ISBN 3-491-96005-3

Werner Huß, Die Geschichte der Karthager. München : Beck, 1985 (Handbuch der Altertumswissenschaft : Abteilung 3 ; Teil 8). ISBN 3-406-30654-3

Tassilo Schmitt, Hannibals Siegeszug : historiographische und historische Studien vor allem zu Polybios und Livius. München : tuduv-Verlagsgesellschaft, 1991 (Quellen und Forschungen zur antiken Welt ; Band 10). ISBN 3-88073-430-5

Jakob Seibert, Hannibal. : Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1993. ISBN 3-534-12029-9

Jakob Seibert, Forschungen zu Hannibal. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1993. ISBN 3-534-12091-4

Jakob Seibert, Hannibal. Feldherr und Staatsmann. Zabern : Mainz, 1997 (Zaberns Bildbände zur Archäologie). ISBN 3-8053-1800-6

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Diese Frage kann niemand beantworten, weil es keine belastbaren Zahlen gibt! Was an entsprechenden Zahlen aus der Antike überliefert wurde, sind eher symbolische Schätzungen. Nichts als unsichere Schätzungen sind auch die Zahlen moderner Historiker.

Man muss zugeben: wir wissen es einfach nicht!

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.

In der Deutschen wiki habe ich nichts gefunden, wohl aber in der Englischen und Französischen. Hier die Hinweise:

Hannibal%27s_crossing_of_the_Alps#March_through_the_Pyrenees

fr wikipedia wiki Passage_des_Alpes_par_Hannibal

Demzufolge sollte das Heer vor dem Überschreiten des Ebro 90 000 Fusssoldaten und 12 000 Reiter umfasst haben. 13000 Mann soll er bei der Überquerung der Pyrenäen verloren haben. 

Die französische wiki meldet, dass er die Rhone mit 38000 Mann und etwas mehr als 8000 Pferden überschritt. Die französische wiki meldet dann am Fusse der Alpen 12 000 Afrikaner und 8 000 Spanier (Infantristen) und etwas mehr als 6 000 Pferde - Frage stelle ich mir, ob Pferde mit oder ohne Reiter gemeint sind...

Wenn Du sonst an den punischen Kriegen interessiert bist, schaue hier mal nach:

http://geschichte-forum.forums.ag/t359-die-punischen-kriege-karthago-gegen-rom-wie-oft-war-rom-am-rande-des-untergangs

ArnoldBentheim  16.05.2015, 21:18

Sehr schön recherchiert. Zugleich ein eindrucksvoller Beleg dafür: wir wissen es nicht!

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Mastrodonato  17.05.2015, 00:00
@ArnoldBentheim

ja, schon diie antiken Geschichtsschreiber, die doch auch gerne übertrieben haben, sind sich da nicht einig.

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Albrecht  17.05.2015, 07:28

Zur Pferdefrage empfehle ich einen Blick in Quellen, am besten in die Originaltexte.

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