Welchen Sinn hat das Label "asexuell" eigentlich noch?
Momentan struggle ich sehr mit meiner Selbstidentifikation als asexuell. Der Grund dafür ist die zwischenzeitlich sehr aufgeweichte und unklare Auslegung davon.
Selbst nehme ich keinerlei sexuelle Anziehung wahr. Ich fühle mich sexuell zu gar keinem der Geschlechter, zu nichts und niemandem hingezogen. Sexualität generell, auch Solo-Sex, lässt mich völlig kalt. Sex mit einer anderen Person kann ich mir überhaupt nicht vorstellen bzw. stößt mich gar ab.
Eigentlich sollte man meinen, dass ich damit ein ultimatives Paradebeispiel für Asexualität wäre. So aufgeweicht und schwammig "asexuell" heuer aber definiert wird, scheint mein Empfinden auf dieses Label überhaupt nicht mehr zu passen. Denn mittlerweile habe ich wirklich den Eindruck, dass man sogar sexuelle Anziehung empfinden und/oder Bock auf Sex haben muss, um als asexuell zu gelten. Wer beides nicht tut oder generell kein Bedürfnis nach Sexualität empfindet, ist nicht mehr asexuell, weil scheinbar nicht mehr der aktuellen Definition von Asexualität entsprochen wird, welche lautet, dass Asexualität ja "ein Spektrum" ist. Oder anders ausgedrückt ist Asexualität bzw. 'asexuell' ein völlig bedeutungsloser Begriff. Denn wer bitte legt fest, wo dieses "Spektrum" endet? Wie viel sexuelle Anziehung darf/muss man empfinden, um sich asexuell nennen zu dürfen? Im Grunde kann jeder sich als "asexuell" betiteln, der nicht nonstop rattig ist und an Sex denkt, was die meisten Menschen sein dürften. Mit meinen oben beschriebenen Empfindungen bin ich jedenfalls offenbar nicht mehr für das Label "asexuell" qualifiziert. Grundsätzlich kein Bedürfnis nach Sexualität zu haben wäre nämlich keine Asexualität, da diese gelebte Sexualität nicht ausschließt. Neulich musste ich mir das tatsächlich von anderen Leuten, die sich asexuell schimpfen, vorhalten lassen.
Auch wird man heutzutage massiv beschimpft, wenn man sexualitätbeeinträchtigende Krankheiten und Störungen nicht Asexualität, sondern bei ihrem wahren Namen nennt. An Ostern 2021 vertrat ich in der Facebook-Gruppe "Asexuell und auf Partnersuche in Deutschland" nämlich lediglich meine Ansicht, dass Symptome von Krankheiten, Traumata oder Störungen - insbesondere beeinträchtigte Libido, sexuelle Unlust, Potenzstörungen und Sozialphobien - keine Asexualität sind. Daraufhin wurde ich aus der Gruppe geschmissen - mit der Unterstellung, anderen Menschen ihre "sexuelle Orientierung" abzusprechen.
Vor knapp zehn Jahren dachte ich, Asexualität bedeute ihrer Vorsilbe a- entsprechend einfach nur, keine sexuelle Anziehung wahrzunehmen und dementsprechend kein Verlangen nach Sex zu haben. So wurde es mir zumindest damals noch in mehreren Artikeln im Internet erklärt. Heute schwirrt sie aber einfach nur noch als inhaltsloser Begriff umher, mit dem sich wirklich jeder zieren kann.
Ich will wirklich niemanden angreifen. Trotzdem finde ich die mehr als schwammige Definition der Asexualität sehr problematisch. Vor allem für explizit Asexuelle, weil Vorurteile befeuert werden.
10 Antworten
Für mich passt du immer noch sehr gut auf die Definition, so wie du es beschreibst.
Ja, es ist stellenweise zu verwaschen und schwammig - und einige Leute sind da, die sich so nennen und bei denen ich sagen würde: nope, das ist was anderes... Aber im Endeffekt: lass die sich doch nennen wie sie wollen.
Ich benutze das Wort, um auszudrücken wie ich mich fühle, weil es mit so einem Wort einfach einfacher ist. Was andere machen kann mir da recht egal sein. Viele Leute verstehen es so oder so nicht oder haben abstruse Vorstellungen, was das ist.
ABER: es ist immer eine Selbstdefinition. Niemand kann in andere Menschen reinschauen - von daher sind einige empfindlich, wenn man sie darauf hinweist, dass es eher nach Trauma oder so wirkt, als nach asexuell.
Grundsätzlich kein Bedürfnis nach Sexualität zu haben wäre nämlich keine Asexualität, da diese gelebte Sexualität nicht ausschließt. Neulich musste ich mir das tatsächlich von anderen Leuten, die sich asexuell schimpfen, vorhalten lassen.
Asexualität, wie andere sexuelle Orientierungen, wird über Erfahrungen mit sexueller Attraktion definiert. Wie eine Person ihre Sexualität auslebt, ist hier nicht entscheidend. Eine Person, die nur Leute desselben Geschlechts sexuell Attraktiv findet, aber auch mal mit einer anderen Person Sex hat(te), ist deswegen nicht bi. Eine asexuelle Person, die gerne Sex hat, ist nicht allosexuell. Eine Person, die zölibatär lebt, ist deswegen nicht asexuell. Attraktion =/= Aktion.
Wenn du die Position vertrittst, dass Aktion sexuelle Orientierung definiert, stößt du manchen asexuellen Personen vor den Kopf (und auch anderen).
Wer beides nicht tut oder generell kein Bedürfnis nach Sexualität empfindet, ist nicht mehr asexuell, weil scheinbar nicht mehr der aktuellen Definition von Asexualität entsprochen wird, welche lautet, dass Asexualität ja "ein Spektrum" ist.
Asexualität wird wie z.B. non-binär als spezifisches Label und auch als Überbegriff verwendet. Mit Asexualität als Überbegriff ist das asexuelle Spektrum gemeint, darunter fallen dann auch grau-asexuelle Labels. Asexualität als spezifisches Label bedeutet aber (meines Wissens) immer noch, dass man keine sexuelle Attraktion empfindet.
Aber auch wenn sich z.B. eine (genaugenommen) grau-asexuelle Person lieber als asexuell identifiziert (oder outet), statt genaueren Labels zu verwenden, hat das Gründe. Und ich sehe dabei kein Problem.
Auch wird man heutzutage massiv beschimpft, wenn man sexualitätbeeinträchtigende Krankheiten und Störungen nicht Asexualität, sondern bei ihrem wahren Namen nennt.
Eine Person, die sich mit Asexualität identifizieren kann, kann dieses Label verwenden (es ist keine Mangelware). Es geht hier um geteilte Erfahrungen bezüglich sexueller Attraktion, diese können sich im Laufe eines Lebens auch ändern.
Eine Person, die z.B. aufgrund eines Traumas sexuelle Attraktion nicht mehr wie eine allosexuelle Person erfährt, kann sich als asexuell identifizieren, wenn das für sie passt. (Es kann auch nur der Kommunikation dienen.)
Welchen Sinn hat das Label "asexuell" eigentlich noch?
Ich könnte hier nun zig Situationen auflisten, in welcher diese umfassendere Definition von Asexualität eine Hilfe für grau-asexuelle aber auch “ganz” asexuelle Leute war. Oder umgekehrt: Situationen in welcher die sehr begrenzte Definition negative Folgen hatte. Ich denke mir aber, solche Beispiele findest auch selbst, wenn es dich interessiert.
Asexuell bedeutet in erster Linie, dass man keine sexuelle Anziehung zu anderen Menschen verspürt
Wenn das bei dir gegeben ist, dann bist du asexuell, nur weil das Label ausgelebte Sexualität (zu Recht) mit einschließt, heiß es nicht, dass es dich automatisch ausschließt
Klar, es gibt es viele Unterkategorien und andere Labels in diesem Bereich, aber Empfindungen/Erlebnisse sind eben sehr individuell.
Aber das schließt deine Identifikation als ´explizit asexuelle´ Person ja nicht unbedingt aus, asexuelle Menschen können Sex eben abgewiesen, neutral oder zugewiesen gegenüber stehen
Klar, ist es trotzdem schlimm, wenn du dich als Sex abweisende asexuelle Person nicht wohl und eher zur Seite gedrängt in der ´Community´ fühlst
Aber dafür asexuellen Menschen die Sex neutral/zugewandt sind den Anspruch auf das Label ausreden zu wollen löst das Problem nicht
Hoffe das kommt nicht zu harsch rüber aber ich denke das Problem ist eher dass du deine Persönlichkeit zu sehr von deiner Sexualität abhängig gemacht hast und du jetzt gatekeepst weil das Alleinstellungsmerkmal schwindet.
Dafür spricht auch dass du deine Sexualität direkt im ersten Paragraphen deiner Bio hier angibst.
Ich bin auch Asexuell.Jch würde dir raten sich einfach darüber nicht so den Kopf zu zerbrechen.Wenn jemand fragt sag du bist Asexuell und wenn die Person dann fragt was das bedeutet sagst du das was bei dir zutrifft und was du zum Beispiel nicht möchtest damit es keine Missverständnisse gibt.