Bei Bonobos hat so so ziemlich jedes Gruppenmitglied Sex mit jedem Anderen. Findet dadurch keine sexuelle Selektion statt, d.h. Auswahl nach üblichen Kriterien?

3 Antworten

Doch, sexuelle Selektion findet schon statt.

Man muss bei Bonobos beachten, dass Sex und Fortpflanzung zwei völlig unabhängige Dinge geworden sind, ähnlich wie beim Menschen Sexualität und Fortpflanzung zwei verschiedene Paar Schuhe sind.

Bonobos praktizieren Sex auch dann, wenn das Bonoboweibchen gar nicht empfängnisbereit ist, etwa schon kurz nach einer Schwangerschaft oder wenn die Weibchen nicht die typische Brunstschwellung zeigen (im Übrigen haben Bonoboweibchen ihre Brunstschwellung zu etwa 2/3 ihres gesamten Fortpflanzungszyklus, also auch weit vor und nach den fruchtbaren Tagen). Und auch zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern wird Sex häufig praktiziert. Homosexueller Sex kommt bei Bonobos sogar mit rund 60 % etwas häufiger vor als heterosexueller, insbesondere unter Weibchen ist er weit verbreitet. Besonders häufig kommt dabei das so genannte gg rubbing (genito-genitales Reiben) vor, bei dem die Weibchen ihre Klitoris gegeneinander reiben. Neben dem Menschen, wo diese Form als Tribadie bezeichnet wird, sind Bonobos die einzig bekannte Spezies, bei der gg rubbing bislang dokumentiert wurde. Zwischen Männchen kommen homosexuelle Handlungen zwar seltener aber auch regelmäßig vor, darunter gegenseitiges Masturbieren oder so genanntes Penisfechten (penis fencing).

Sex ist in der Bonobogesellschaft ein wichtiges Mittel im Unterhalten von diplomatischen Beziehungen geworden und dient vor allem dazu, Spannungen in der Gruppe abzubauen und Konflikte zu vermeiden oder beizulegen ("Versöhnungssex"). Häufig wurde auch beobachtet, dass Weibchen sich mit einem Männchen paaren, um sich Futter zu "erschleichen" (auch wenn das so klingt, mit Prostitution hat dieses Verhalten nichts zu tun!).
Interessant ist, dass Bonobos auch keine Altersgrenzen kennen. Bonoboweibchen beruhigen ihre männlichen Babies z. B. mit Oralsex und männliche Bonobos begatten auch unfruchtbare Weibchen - dieses Verhalten, das wir in einer menschlichen Gesellschaft sicher als pädophil einstufen würden, ist bei Bonobos völlig normal.

Natürlich betreiben Bonobos, ähnlich wie wir Menschen auch, Sex weiterhin auch zur Fortpflanzung. Aber eben nicht nur. Und so wie wir Menschen bei der Partnerwahl bei demjenigen, mit dem wir Kinder zeugen möchten, durchaus sehr wählerisch sind (wir pflanzen uns in der Regel ja nicht mit einem One Night Stand fort, was uns aber nicht daran hindert, mit diesem Sex zu haben), kommt es bei der Fortpflanzung der Bonobos durchaus zur kritischen Auswahl des Fortpflanzungspartners. Ein Weibchen kann sehr genau entscheiden, mit welchem Männchen zu welcher Zeit seines Zyklus es sich einlässt und damit die Vaterschaft steuern. Möglicherweise kann das Weibchen physiologisch durch so genannte kryptische Weibchenwahl postkopulatorisch (nach der Kopulation) beeinflussen, welches Männchen Vater des Kindes werden soll. Belegen lässt sich das leider nicht, weil diese Wahl (ihr Name deutet es schon an) im Verborgenen stattfindet.

Man darf aber nicht vergessen, dass Weibchen durchaus berechtigtes Interesse daran haben, die Vaterschaft des Kindes zu verschleiern. Bei Schimpansen, die ja allgemein als wesentlich aggressiver gelten, dient diese Verschleierung z. B. dazu, Infantizid (Kindstötungen) zu vermeiden. Es gibt aber noch ganz andere Gründe, etwa durch Investment der potentiellen Väter zu profitieren. Aus diesem Grund zeigt die Brunstschwellung auch nicht den exakten Zeitpunkt der Ovulation an, sondern nur die Wahrscheinlichkeit. Studien haben gezeigt, dass beim Bonobos diese Wahrscheinlichkeit wesentlich unsicherer ist als beim Schimpansen, wodurch sich ein Männchen seiner Vaterschaft erst recht nicht sicher sein kann: https://www.mpg.de/10621296/bonobo-female-swelling.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Natürlich findet eine Selektion statt, denn die Bonobos haben 2 verschiedene Akte. Der eine ist zur Vermehrung und der andere hat gesellschaftliche Zwecke. Der letztere dauert auch meist nur wenige Sekunden und führt im seltensten Fall zu einer Schwangerschaft.

Deswegen sagt man den Bonobos auch nach eine von den 3 Arten zu sein die Sex aus Spaß machen (die anderen beiden sind Delphine und wir Menschen).

Der Sex bei den Bonobos ist mehr ein Ritual und hat nichts mit Fortpflanzung zu tun. Es kommt nicht jedes Mal zu einer Ejakulation. Es ist eher mit einer harmlosen menschlichen Umarmung zu vergleichen. Dieses Ritual nimmt nur die Spannungen und zeigt allen dass alles in Ordnung ist und dass niemand den "wilden Mann" spielen muss. Wenn ein Weibchen paarungsbereit ist, sieht der Sex vollkommen anders aus. Zudem lässt sie sich dann auch nicht mehr mit jedem ein. Sie wählt ganz genau aus. Es ist also nicht so, dass bei denen jeder mit jedem Gene austauscht.