Föhn in Verbindung mit luv-seitigem Niederschlag ist tatsächlich häufig beobachtbar. Allerdings kann die Luft ebensogut trocken sein.
Heisst, feuchte Luft ist für Föhn nicht notwendig, hingegen ist ein horizontales Druckgefälle vonnöten.
Wenn die Luft relativ feucht ist und auf der Luv-Seite der topographischen Erhebung zum Aufstieg gezwungen wird, kühlt sie bis auf Höhe des Kondensationsniveaus zunächst trockenadiabatisch (1), hernach feuchtadiabatisch (2) ab.
Sobald sich Wolken gebildet haben und sich im weiteren Verlauf Niederschlag heraus entwickelt, verliert die Luft infolge Abregnen sukzessive an Feuchtigkeit.
Durch die dabei fortwährend freigesetzte Kondensationswärme kühlt die Luft mit der Höhe gegenüber der unterhalb ungesättigten Luft nur noch leicht ab. Überströmt die aufgestiegene, entfeuchtete Luft die Erhebung, wird diese aufgrund der nun abfallenden Topographie hinabsinken.
Solange die Luft noch gesättigt ist, wird sie sich vorerst noch feuchtadiabatisch und ziemlich bald schon trockenadiabatisch erwärmen.
Bedingt auch durch die geringere Abkühlung der Luft auf der Luv-Seite wird sich daraus ein Druckungleichgewicht zwischen Luv und Lee ergeben.
Im Falle eines vorherrschenden horizontalen Druckgefälles wird — mit oder ohne Niederschlag — immer ein Druckausgleich stattfinden.
(1) der trockenadiabatische Temperaturgradient beträgt circa 0.8–1.1 Grad Celsius, sagen wir -1 Grad je +100 m Höhe; -1 *C / +100 hm.
(2) der feuchtadiabatische Temperaturgradient beträgt circa 0.3–0.7 Grad Celsius, sagen wir -0.6 *C / +100 hm.
Der Unterschied zwischen feucht- und trockenadiabatischem Temperaturgradient beträgt somit etwa 0.4 Grad Celsius.
Die Höhendifferenzen von luv-seitig Kondensationsniveau und Höhenscheitel des überströmten topographischen Hindernisses sowie wiederum lee-seitig von Höhenscheitel und Kondensationsniveau (resp. Verdunstungsniveau) entscheiden über die Stärke des Föhns.
Beispiel (nach der klassischen Föhn-Theorie):
Ein Genua-Tief schaufelt mediterrane feuchte Luft von Süden her an die Alpen heran.
Nehmen wir einen Ort auf der Luv-Seite der Alpen, nehmen wir Airolo auf 1’175 m.ü.M. am Südfuss des Sankt Gotthards und Altdorf auf 458 m.ü.M. nördlich des Gotthardpasses, der auf 2’106 m.ü.M. liegt. Die Temperatur in Airolo misst um 8 Uhr morgens 17 Grad Celsius.
Frage: Mit welcher Temperatur dürfen wir in Altdorf rechnen?
Jetzt betrachten wir ein Luftpaket, welches von Airolo aus aufsteigt, und beobachten, dass es auf 1’250 m.ü.M. kondensiert. Wir nehmen an, dass dieses Luftpaket bis auf Höhe des Gotthardpasses weiters aufsteigt und anschliessend nach Altdorf herabströmt.
Die Höhendifferenz zwischen dem Kondensationsniveau über Airolo und der Höhe des Gotthardpasses beträgt
2’106—1’250 = 856 m.
Angenommen die Wolken im Lee des Gotthardpasses lösen sich erst nach 248 Höhenmeter auf, so beträgt die Höhendifferenz zwischen der Höhe der Verdunstung und Altdorf
1’858–458 = 1’400 m.
Im nächsten Schritt berechnen wir mittels den Gradienten die Temperaturdifferenzen zwischen den Höhen.
- Airolo—Kondensationsniveau:
1’250 — 1’175 = 75 m,
-1 K * 0.75 = -0.75 K.
- Kondensationsniveau_Luv—Gotthardpass:
856 m,
-0.6 K * 8.56 = -5.1 K.
- Gotthardpass—Verdunstungsniveau_Lee:
248 m,
+0.6 K * 2.48 = +1.5 K.
- Verdunstungsniveau_Lee—Altdorf:
1’400 m,
+1 K * 14 = +14 K.
Final berechnen wir ausgehend von der morgendlichen Temperatur in Airolo die Föhn-bedingte Temperatur in Altdorf:
T_Airolo = 17 *C
T_Altdorf = 17 — 0.75 — 5.1 + 1.5 + 14 = 26.7 *C
Antwort: Dank dem Föhn-Effekt misst das Thermometer in Altdorf in der Morgenfrühe stolze 27 Grad!