Hey erstmal zu deinem Werdegang. Dieser war sehr steinig und trotz der Lage die sich in der Welt zeigt, zeigt dein Inneres eine "IDGAF"-Moral.
Du fühlst dich nicht motiviert genug, da es genug Leute gibt die akademische Grade erreicht haben aber ihre Lage mit 25 oder sogar 30 nicht wirklich in den Griff bekommen können, da das Leben so viele Steine in den Weg legen kann. Da hingegen merkt man, dass die Leute, die nur einen Realschulabschluss, eine Ausbildung gemacht haben inzwischen mehr erreicht haben als du und mehr verdienen.
Ich habe mein Fach-Abitur in 2011 abgeschlossen und auch parallel dazu eine Ausbildung zur GTA gemacht. Die Prognosen leicht einen Job zu finden waren hoch und beinahe niemand hätte damit gerechnet, dass ich in Hartz IV rutsche nur, weil ich mit dem speziellen Design, was ich präsentierte, die Menge einfach nicht ansprechen konnte.
Weißt du... inzwischen bin ich bei der Post angestellt und habe da bei einem Beruf, der ohne Abschluss zugänglich ist, mehr erreicht als ich mit meinem Fachabitur und meiner abgeschlossener Ausbildung erreicht hätte haben können. Aber dafür muss man auch was tun.
Ich war dahingegen unmotiviert, weil ich dachte ich könne keinen anderen Beruf ausüben, da der Grafikbereich mein Traum gewesen ist. Es ist ein Traum zerplatzt. Und das tat so weh, dass es mir so gleichgültig geworden ist, dass ich in den Jahren zwischen dem Abschluss und meiner Anstellung bei der Post nichts machen wollte. Ich habe in den Tag hineingelebt, an Maßnahmen vom Jobcenter teilgenommen, immer meine beste Leistung gezeigt aber nicht viel erreichen können, da mir Angebote gemacht worden sind die ich einfach nicht in meinem Vorstellungsvermögen sehen wollte. Was sollte ich bitte als Sicherheitskraft machen? Wieso sollte ich als Grafikerin in einem Modegeschäft arbeiten wollen?
Was zur Hölle hatte das Bewerbungstraining für einen Sinn, wenn man von Leuten belehrt wurde, die vor gefühlt 40 Jahren ihre letzte Bewerbung geschrieben haben? Die Andachten die sie mir gaben habe ich brav auswendig gelernt und runterbeten können. Ich habe die besten Bewerbungen in deren Vorstellung geschrieben aber nie was erreicht, weil ich den Job dafür nicht machen wollte. Es gefiel mir einfach nicht. Ich wollte nicht in einem Supermarkt arbeiten, ich wollte nicht Toiletten putzen, Küchenhilfe sein wollte ich auch nicht. Aber man bekam nichts anderes vorgesetzt. Dann die Tatsache, dass man als Teilzeitarbeiter weniger verdient hätte als Harzi hat mich in einen Kreislauf von Gleichgültigkeit und Selbstbestätigung laufen lassen.
Dann aber wollte ich mich nicht mehr bevormunden lassen. Ich hätte laut dem JC umziehen müssen. In eine kleinere und billigere Wohnung und das außerhalb meiner Heimatstadt. Da fuhren am Tag, wenn es hoch kam jede Stunde ein Bus. Kurz um ich hätte meine sozialen Kontakte, meine Familie und Co. aufgeben müssen, wenn ich da nicht gehandelt hätte wäre ich heute vereinsamt und könnte nicht so offen darüber reden.
Januar 2018 war dann alles wie von heute auf morgen lösbar nahe. Mein Vermieter wollte mich wegen Eigenbedarf aus der Wohnung werfen und bat mir eine Abfindung von 9000 Euro an. Ich habe es auf 10.000 Euro hochpushen können. Ich habe von heute auf morgen meine Bedürftigkeit beim JC beendet und gesagt, dass die mich kreuzweise können bin in die Eifel gezogen und habe da bis zum Mai von diesem Geld gelebt und in der Zeit Arbeit in meinem Fachbereich gesucht und bin dann durch eine Bekannte aus dem Aqua-Zumba-Kurs auf eine offene Stelle im Bereich Print bei der Post gelandet. Erst über einer Zeitarbeitsfirma und inzwischen fest angestellt und ich war noch nie so glücklich darüber gewesen morgens mit dem Fahrrad um 4:50 den Weg zur Arbeit aufzunehmen um dann dort Briefe für eine Online-Apotheke zu sortieren.
Zumal da auch Leute sitzen denen es ähnlich ging. Eine Dame um die 50 die für einen TV-Sender Kostüme geschneidert hatte, ehemalige Selbstständige, Menschen die wie ich mit dem JC Probleme hatten... Ich war einfach angekommen. Ich bin angekommen.
Mal ehrlich... ein Abschluss ist in der heutigen Zeit eh überbewertet. Jeder dressierte Affe kann ein Abi machen. Dann landet man eh in solchen Mindestlohnstätten und verdient immer noch zu wenig um seinen Lebensabend würdig verbringen zu können.
Ich kann leider nicht in deine Gedanken oder deine seelische Welt blicken... aber gerade in der heutigen Zeit sehnt man sich nach Einfachheit, Bescheidenheit und Frieden. Das kann schon einem sehr gleichgültig rüber kommen, muss es aber nicht. Was für deine Bekannten "Gleichgültigkeit" ist, könnte für andere der Weg zur Glückseligkeit sein. Klar ärgerst du dich, dass du dein Abitur versandet hast. Aber was hättest du nach dem Abitur denn gemacht oder machen wollen?
