Der Mensch, der den tiefsten Eindruck und den größten Einfluss auf mein Leben und meine Persönlichkeit genommen hat und mich zu dem gemacht hat, wer und was ich heute bin, ist meine geiebte Mama! Mama war ein einzigartiger Mensch. Sie konnte auf wunderbare Weise mit Menschen umgehen und tat dies tagtäglich in ihrem eigenen Geschhäft, einem Modehaus, das sie in unserem schwäbischen kleinen Städtchen als Vollkaufmann und selbstständige Geschäftsfrau zum Segen und zur Freude der Menschen führte. Egal aus welchem Lande und welcher Kultur der Erde ihre Kunden kamen, Mama begegnete einem jeden einzelnen von ihnen mit derselben und gleichen Liebeswürdigkeit und Herzlichkeit und zeigte einem jeden, dass sie für die Menschen da ist! Mama ging auf die Menschen und ihre Anliegen ein, es war für sie eine Herzensangelegenheit, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen!
Das führte dazu, das die Menschen bei jedem Einkauf auch aus ihrem persönlli-chen Leben berichteteten und Mama ihr Herz ausschütteten. Sie vertrauten Mama oft ihre intimsten Dinge an, die sie bewegten und Mama öffnete einem jeden von ihnen ihr Herz wie ein guter Freund. Oft war ich, wenn ich bei Mama im Geschäft war, Zeuge solcher Gespräche, da ich von Kindheit an im Geschäft groß geworden und dort aufgewachsen bin. Und so, wie Mama mit ihren Kunden umging, so ging sie auch mit mir um. Sie erzog mich zu einem selbstständig denkenden und handelnden und mitfühlenden Menschen und zeigte mir und lebte mir vor, dass der Mensch das Maß aller Dinge auf dieser Welt ist.
Dies tat sie dadurch, dass sie mich in alles, was in ihrem Geschäft geschah und sich ereignete, mit einbezog. So war ich schon von Kindesbeinen dabei, wenn sie ihre Kunden bediente und es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass ich auch dann anwesend sein durfte, wenn die Kunden mit Mama ihre Anliegen besprachen und es sich um sogenannte Erwachsenengespräche handelte, die für Kinderohren eigentich nicht gedacht waren. Doch nicht so Mama, sie ließ mich als stillen Zuhö-rer daran teilhaben und ich lernte durch ihr vorgelebtes Handeln, wie man im Leben mit Menschen auf gütige und zuvorkommende Weise mit umzugehen pflegt und wie wichtig es ist, sich der Menschen anzunehmen.
Wenn ich heute zurückdenke, so sehe ich Mama nicht nur als eine einmalige Geschäftsfrau wie aus dem Bilderbuch, sondern auch als Inhaber des einzigen Lehrstuhls für angewandte Psychologie am Institut Ihres Modehauses und als die darin einzig existierende Professorin, die auf Segen bringende Weise auf Menschen einwirkte und ihnen bei der Bewältigung ihrer Probleme half. Ich lernte dort in Mamas Geschäft fürs Leben - durch den Umgang mit ihren Kunden, den ich hautnahm miterlebte.
Das Phänomenale war, dass es Mama auf der einen Seite gelang, ihren Kunden Anteil nehmend zur Seite zu stehen, sie auf der anderen Seite aber immer das nötige Fingerspitzen- und Feingefühl aufzubrachte, um zu wissen, wie weit sie gehen durfte, um durch ihre Ratschläge und ihre Anteilnahme bei ihren Kunden nicht übergriffig zu werden und nicht in deren Leben einzugreifen, sondern ihnen durch Einfühlungsvermögen so weit entgegenzukommen, dass es ihnen stets zum Vortel gereichte,
Die Folge ihres ganzen Wirkens war, dass Mama von ihren Kunden geliebt wurde! Dabei kam es oft genug vor, dass sich, weil wir ja in einem kleinen Ort lebten, die eine Kundin über eine andere ausließ und nun war es Mamas Sache, so zu ant-worten, dass sie beiden ihren Kundinnen gerecht wurde. Auf die eine musste sie eingehen und ihr zeigen, dass sie sie verstand und auch der anderen, nicht anwe-senden, über die gesprochen wurde, musste sie Gerechtigkeit widerfahren lassen und darauf achten, dass die Kundin, die sie augenblicklich bediente nicht unkont-rolliert über diese herzog und nun von Mama erwartete, das sie derselben Meinung über "diese böse Person" sei.
So waren solcherlei Gespräche oft genug eine Gratwanderung, der sich Mama aussetzen musste, die sie aber mit Bravour meisterte. Denn Mama kam, wie wir sagen, "in nichts hinein"! Es gelang ihr auf bemerkenswerte Weise sich so weit heraus- und zurückzunehmen, dass sie dabei den objektiven Beobachterposten weitestgehend nicht verließ und dennoch Anteilnahme zeigte!
Dies war die eine Seite, das Menschliche und Herzliche, das mich Mama lehrte! Und dann lehrte sie mich von der Pike auf, geschäftliche Dinge anzugehen und umzusetzen. So brachte sie es dahin, dass ich bereits ab dem Alter von zwölf Jahren die Geschäftsbriefe erledigte, fehlerfrei und in gutem und korrekten Deutsch und mit den richtigen Worten und Formulierungen und lehrte mich den Umgang mit gutem Deutsch.
Auch lernte ich von Mama sehr früh, richtig mit Geld umzugehen, indem sie mir ab meinem zwölften Lebensjahr die Einkäufe im naheliegenden Supermarkt anver-traute, die ich selbstständig erledigte und auf diese Weise richtig und gut zu wirt-schaften lernte, Wert auf den Kauf guter und günstiger Waren zu legen und ein Gespür für den sinnvollen Einkauf von Waren aller Art und auch von Lebensmitteln und ihrer Qualität zu entwickeln.
Dies wirkt sich bis heute dahingehend aus, dass ich aus einfachen und günstigen Gemüsen ein sehr gutes Essen hervorbringen kann, wie z.B. Mamas köstliches Kartoffel- oder eines ihrer anderen varationenreichen Gemüsen oder ihrer leckeren Salate, die es unter der Woche immer mittags zu essen gab. Und dadurch heute noch am Monatsende gutes Geld bei den Lebensmitteln eingespare, da mích Mama gelehrt hat, wie man günstig kocht und dennoch ein schmackhaftets Essen auf den Tisch zaubert!
Mama war für mich ein unschätzbar wertvoller Mensch! Sie war immer für mich da und hat an mich geglaubt und mir gezeigt und vorgelebt, dass die Liebe im Leben eines Menschen das Wichtigste ist, und uns Menschen erst zu Menschen macht und uns miteinander verbindet! So leben Mamas Werte und ihre Menschlichkeit und ihre Herzensgüte in mir weiter und ich merke, wie diese sich tagtäglich immer noch Segen bringend im Umgang mit meinem Mitmenschen auswirken, sodass ich ein glückliches und zufriedenes Leben führen darf! Dank Mama, die ich niemals vergessen werde und ihr in tiefer Dankbarkeit und ewiger Liebe verbunden sein werde, solange ich lebe, über meinen Tod hinaus!